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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Rahmen zwingt, und die durch allerlei Reize gefallen will, da sie die einfache,
vollendete Erscheinung eines schönen Lebens weder zu empfinden, noch darzu¬
stellen fähig ist. Indem sie die Gelehrte spielt, zersprengt sie die Grenzen
der Kunst und will uns über die Halbheit und Ohnmacht ihrer Formen durch
einen Inhalt tauschen, den sie nicht gestaltet, sondern nur andeutet. Indem sie
mit Flitterstaat und Schminke die Liebenswürdige spielt, verletzt sie den Ernst
und das Wesen der Schönheit. Ginge die deutsche Kunst auf diesem Wege
weiter, so wäre nichts mehr für sie zu hoffen; aber in der jüngeren Künstler-
welt regt sich glücklicher Weise ein besserer Sinn. der sich von Kaulbach unwillig
i". ?. abwendet. --




Deutsche Briefe ans der preußischen Provinz Posen.
I!',!'l?s?is.-^.'I /,;..-".,'-
Die deutsche Einwanderung.

"Undank ist der Welt Lohn! Dieses nur den Deutschen eigenthümliche
Sprichwort bezeichnet recht correct ihr Verfahren gegen uns. Arm. von ihren
Glaubens- und Stammgenossen verfolgt kamen sie im sechzehnten Jahrhundert
zu uns. fanden Schutz, Duldung, Vermögen -- und suchten ihre gastlichen
Freunde zum Lohn für ihre Güte zu unterdrücken."

So stimmen die polnischen Zeitungen von Zeit zu Zeit den Chorus an,
und leichtgläubige Deutsche fallen ein. Sehen wir zu, was an der Sache
wahr ist, und ob sie nicht etwa ebensoviel historischen Grund habe, wie die
Mittheilung des Grafen Adam v. Plater, welcher vor acht Tagen unsern Pro-
vinzial-Landtag darüber belehrte, daß die höhern Lehranstalten Großpolens von
der Republik sorgsam gepflegt worden seien, von der preußischen Regierung
aber arg vernachlässigt würden.

Zunächst hätten wir freilich folgende Kreise zu reclamiren: Fraustadt
und Bvmst, bis 1343 schlesisch. damals mitten im Frieden und wider verbriefte
Verträge durch Kasimir den Großen an Polen gebracht, d) Kosten, 1332 durch
Wladislaw Lotietck von Schlesien losgerissen, c) Meseritz, vordem schlesisch,
et) Birnbaum, bis zur Obra neumärkisch, e) Netzedistrict, pommerisch.

Doch mögen wir zugeben, daß die meisten dieser Landschaften damals,
wenn nicht dem polnischen Reiche angehörig, doch nach Sprache und Cultur
Polnisch waren, und die ganze gegenwärtige Provinz Posen ins Auge fassen.
Auch davon wollen wir absehen, daß Germanen vor den Slawen auf diesem
Boden wohnten, und daß Miecislaw der Erste dem deutschen Kaiser Otto tri-
burär und unterthcinig war; denn wir erkennen das Recht der Geschichte an,
welche diese Verhältnisse umgestaltet hat.


Rahmen zwingt, und die durch allerlei Reize gefallen will, da sie die einfache,
vollendete Erscheinung eines schönen Lebens weder zu empfinden, noch darzu¬
stellen fähig ist. Indem sie die Gelehrte spielt, zersprengt sie die Grenzen
der Kunst und will uns über die Halbheit und Ohnmacht ihrer Formen durch
einen Inhalt tauschen, den sie nicht gestaltet, sondern nur andeutet. Indem sie
mit Flitterstaat und Schminke die Liebenswürdige spielt, verletzt sie den Ernst
und das Wesen der Schönheit. Ginge die deutsche Kunst auf diesem Wege
weiter, so wäre nichts mehr für sie zu hoffen; aber in der jüngeren Künstler-
welt regt sich glücklicher Weise ein besserer Sinn. der sich von Kaulbach unwillig
i". ?. abwendet. —




Deutsche Briefe ans der preußischen Provinz Posen.
I!',!'l?s?is.-^.'I /,;..-".,'-
Die deutsche Einwanderung.

„Undank ist der Welt Lohn! Dieses nur den Deutschen eigenthümliche
Sprichwort bezeichnet recht correct ihr Verfahren gegen uns. Arm. von ihren
Glaubens- und Stammgenossen verfolgt kamen sie im sechzehnten Jahrhundert
zu uns. fanden Schutz, Duldung, Vermögen — und suchten ihre gastlichen
Freunde zum Lohn für ihre Güte zu unterdrücken."

So stimmen die polnischen Zeitungen von Zeit zu Zeit den Chorus an,
und leichtgläubige Deutsche fallen ein. Sehen wir zu, was an der Sache
wahr ist, und ob sie nicht etwa ebensoviel historischen Grund habe, wie die
Mittheilung des Grafen Adam v. Plater, welcher vor acht Tagen unsern Pro-
vinzial-Landtag darüber belehrte, daß die höhern Lehranstalten Großpolens von
der Republik sorgsam gepflegt worden seien, von der preußischen Regierung
aber arg vernachlässigt würden.

Zunächst hätten wir freilich folgende Kreise zu reclamiren: Fraustadt
und Bvmst, bis 1343 schlesisch. damals mitten im Frieden und wider verbriefte
Verträge durch Kasimir den Großen an Polen gebracht, d) Kosten, 1332 durch
Wladislaw Lotietck von Schlesien losgerissen, c) Meseritz, vordem schlesisch,
et) Birnbaum, bis zur Obra neumärkisch, e) Netzedistrict, pommerisch.

Doch mögen wir zugeben, daß die meisten dieser Landschaften damals,
wenn nicht dem polnischen Reiche angehörig, doch nach Sprache und Cultur
Polnisch waren, und die ganze gegenwärtige Provinz Posen ins Auge fassen.
Auch davon wollen wir absehen, daß Germanen vor den Slawen auf diesem
Boden wohnten, und daß Miecislaw der Erste dem deutschen Kaiser Otto tri-
burär und unterthcinig war; denn wir erkennen das Recht der Geschichte an,
welche diese Verhältnisse umgestaltet hat.


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[0269] Rahmen zwingt, und die durch allerlei Reize gefallen will, da sie die einfache, vollendete Erscheinung eines schönen Lebens weder zu empfinden, noch darzu¬ stellen fähig ist. Indem sie die Gelehrte spielt, zersprengt sie die Grenzen der Kunst und will uns über die Halbheit und Ohnmacht ihrer Formen durch einen Inhalt tauschen, den sie nicht gestaltet, sondern nur andeutet. Indem sie mit Flitterstaat und Schminke die Liebenswürdige spielt, verletzt sie den Ernst und das Wesen der Schönheit. Ginge die deutsche Kunst auf diesem Wege weiter, so wäre nichts mehr für sie zu hoffen; aber in der jüngeren Künstler- welt regt sich glücklicher Weise ein besserer Sinn. der sich von Kaulbach unwillig i". ?. abwendet. — Deutsche Briefe ans der preußischen Provinz Posen. I!',!'l?s?is.-^.'I /,;..-".,'- Die deutsche Einwanderung. „Undank ist der Welt Lohn! Dieses nur den Deutschen eigenthümliche Sprichwort bezeichnet recht correct ihr Verfahren gegen uns. Arm. von ihren Glaubens- und Stammgenossen verfolgt kamen sie im sechzehnten Jahrhundert zu uns. fanden Schutz, Duldung, Vermögen — und suchten ihre gastlichen Freunde zum Lohn für ihre Güte zu unterdrücken." So stimmen die polnischen Zeitungen von Zeit zu Zeit den Chorus an, und leichtgläubige Deutsche fallen ein. Sehen wir zu, was an der Sache wahr ist, und ob sie nicht etwa ebensoviel historischen Grund habe, wie die Mittheilung des Grafen Adam v. Plater, welcher vor acht Tagen unsern Pro- vinzial-Landtag darüber belehrte, daß die höhern Lehranstalten Großpolens von der Republik sorgsam gepflegt worden seien, von der preußischen Regierung aber arg vernachlässigt würden. Zunächst hätten wir freilich folgende Kreise zu reclamiren: Fraustadt und Bvmst, bis 1343 schlesisch. damals mitten im Frieden und wider verbriefte Verträge durch Kasimir den Großen an Polen gebracht, d) Kosten, 1332 durch Wladislaw Lotietck von Schlesien losgerissen, c) Meseritz, vordem schlesisch, et) Birnbaum, bis zur Obra neumärkisch, e) Netzedistrict, pommerisch. Doch mögen wir zugeben, daß die meisten dieser Landschaften damals, wenn nicht dem polnischen Reiche angehörig, doch nach Sprache und Cultur Polnisch waren, und die ganze gegenwärtige Provinz Posen ins Auge fassen. Auch davon wollen wir absehen, daß Germanen vor den Slawen auf diesem Boden wohnten, und daß Miecislaw der Erste dem deutschen Kaiser Otto tri- burär und unterthcinig war; denn wir erkennen das Recht der Geschichte an, welche diese Verhältnisse umgestaltet hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/269>, abgerufen am 23.04.2024.