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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Justizeinrichtung. Und wieder das Kleine: die Sorge der Behörde für den
Einzelnen.

Bisweilen erkennen die Polen das auch an, natürlich in einer Form, die
ihnen selbst schmeichelt. So schreiben die pig.äomc>6el xolskw: "Die Physiognomie
des Großherzogthums Posen ist eine ganz andere, als die der übrigen Theile
des früheren Polens. Wenn man dasselbe durchstreift, so sieht man zu seiner
Freude, daß das polnische Land nicht nur durch die Freigebigkeit seiner Natur,
sondern auch durch die Industrie, die Ordnung und den Fleiß polnischer Hände
zu hoher Blüthe gelangen kann. Einen angenehmen Eindruck macht der Anblick
der sorgfaltig und bequem, sogar oft luxuriös aufgeführten Wirthschafts¬
gebäude, Wohnhäuser und Paläste. Die Haltung und der Zustand der länd¬
lichen Bevölkerung macht ebenfalls nicht geringe Freude. Zunächst zeichnet sich
dieselbe durch ihre Moralität und ihre richtig begriffene Religiösität vor der
ländlichen Bevölkerung der übrigen polnischen Landestheile aus. Liederlichkeit
und Trunkenheit sind bei ihr selten. Ihre Kleidung ist ordentlich und hin¬
reichend, aber der Schnitt ist mehr deutsch als slavisch. Fast jeder, mit Aus¬
nahme ganz alter Greise, ist des Lesens und Schreibens kundig. In der Kirche
sagen sowohl Männer wie Frauen ihre Gebete nicht mehr aus dem Gedächtniß
her, sondern lesen sie aus dem Buche ab. In Hinsicht der Wohlhabenheit,
der Bildung und Moralität des Volkes hat also das Großherzogthum Posen
"hre Zweifel die übrigen polnischen Länder weit überholt.

Es ist dies (so fährt das Organ der katholisch-aristokratischen Emigration
fort) das Verdienst der erleuchteten und für das Wohl der untern Classen
väterlich besorgten preußischen Regierung; noch mehr aber der eifrigen Geist¬
lichkeit und des Adels. Keine polnische Provinz besitzt so viel gebildete Geist¬
liche, und in keiner sind dieselben eifriger für das Wohl des Volles besorgt."




Das Geld").

Welches gute Stück Gesclüchte im Gelde steckt, so zu sagen im Geldstück
und im Geldzettel sich verkörpert, das hat jeder erfahren, dem Francs und
Sovereigns durch die Hände gegangen sind, der die schwierige Operation voll¬
endet hat, einen Zehnguldcnschein in Kreuzer oder, wenn das Glück gut ist,
>n Sechskreuzerstücke umzusetzen, oder dem etwa in einem thüringischen Städt¬
chen für einen preußischen Fünfundzwanzigthalerschein jenes mannichfaltige Ab-



") Vortrag, gehalten in der Singakademie zu Berlin, 7. Febr. 1863.

Justizeinrichtung. Und wieder das Kleine: die Sorge der Behörde für den
Einzelnen.

Bisweilen erkennen die Polen das auch an, natürlich in einer Form, die
ihnen selbst schmeichelt. So schreiben die pig.äomc>6el xolskw: „Die Physiognomie
des Großherzogthums Posen ist eine ganz andere, als die der übrigen Theile
des früheren Polens. Wenn man dasselbe durchstreift, so sieht man zu seiner
Freude, daß das polnische Land nicht nur durch die Freigebigkeit seiner Natur,
sondern auch durch die Industrie, die Ordnung und den Fleiß polnischer Hände
zu hoher Blüthe gelangen kann. Einen angenehmen Eindruck macht der Anblick
der sorgfaltig und bequem, sogar oft luxuriös aufgeführten Wirthschafts¬
gebäude, Wohnhäuser und Paläste. Die Haltung und der Zustand der länd¬
lichen Bevölkerung macht ebenfalls nicht geringe Freude. Zunächst zeichnet sich
dieselbe durch ihre Moralität und ihre richtig begriffene Religiösität vor der
ländlichen Bevölkerung der übrigen polnischen Landestheile aus. Liederlichkeit
und Trunkenheit sind bei ihr selten. Ihre Kleidung ist ordentlich und hin¬
reichend, aber der Schnitt ist mehr deutsch als slavisch. Fast jeder, mit Aus¬
nahme ganz alter Greise, ist des Lesens und Schreibens kundig. In der Kirche
sagen sowohl Männer wie Frauen ihre Gebete nicht mehr aus dem Gedächtniß
her, sondern lesen sie aus dem Buche ab. In Hinsicht der Wohlhabenheit,
der Bildung und Moralität des Volkes hat also das Großherzogthum Posen
»hre Zweifel die übrigen polnischen Länder weit überholt.

Es ist dies (so fährt das Organ der katholisch-aristokratischen Emigration
fort) das Verdienst der erleuchteten und für das Wohl der untern Classen
väterlich besorgten preußischen Regierung; noch mehr aber der eifrigen Geist¬
lichkeit und des Adels. Keine polnische Provinz besitzt so viel gebildete Geist¬
liche, und in keiner sind dieselben eifriger für das Wohl des Volles besorgt."




Das Geld").

Welches gute Stück Gesclüchte im Gelde steckt, so zu sagen im Geldstück
und im Geldzettel sich verkörpert, das hat jeder erfahren, dem Francs und
Sovereigns durch die Hände gegangen sind, der die schwierige Operation voll¬
endet hat, einen Zehnguldcnschein in Kreuzer oder, wenn das Glück gut ist,
>n Sechskreuzerstücke umzusetzen, oder dem etwa in einem thüringischen Städt¬
chen für einen preußischen Fünfundzwanzigthalerschein jenes mannichfaltige Ab-



") Vortrag, gehalten in der Singakademie zu Berlin, 7. Febr. 1863.
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[0389] Justizeinrichtung. Und wieder das Kleine: die Sorge der Behörde für den Einzelnen. Bisweilen erkennen die Polen das auch an, natürlich in einer Form, die ihnen selbst schmeichelt. So schreiben die pig.äomc>6el xolskw: „Die Physiognomie des Großherzogthums Posen ist eine ganz andere, als die der übrigen Theile des früheren Polens. Wenn man dasselbe durchstreift, so sieht man zu seiner Freude, daß das polnische Land nicht nur durch die Freigebigkeit seiner Natur, sondern auch durch die Industrie, die Ordnung und den Fleiß polnischer Hände zu hoher Blüthe gelangen kann. Einen angenehmen Eindruck macht der Anblick der sorgfaltig und bequem, sogar oft luxuriös aufgeführten Wirthschafts¬ gebäude, Wohnhäuser und Paläste. Die Haltung und der Zustand der länd¬ lichen Bevölkerung macht ebenfalls nicht geringe Freude. Zunächst zeichnet sich dieselbe durch ihre Moralität und ihre richtig begriffene Religiösität vor der ländlichen Bevölkerung der übrigen polnischen Landestheile aus. Liederlichkeit und Trunkenheit sind bei ihr selten. Ihre Kleidung ist ordentlich und hin¬ reichend, aber der Schnitt ist mehr deutsch als slavisch. Fast jeder, mit Aus¬ nahme ganz alter Greise, ist des Lesens und Schreibens kundig. In der Kirche sagen sowohl Männer wie Frauen ihre Gebete nicht mehr aus dem Gedächtniß her, sondern lesen sie aus dem Buche ab. In Hinsicht der Wohlhabenheit, der Bildung und Moralität des Volkes hat also das Großherzogthum Posen »hre Zweifel die übrigen polnischen Länder weit überholt. Es ist dies (so fährt das Organ der katholisch-aristokratischen Emigration fort) das Verdienst der erleuchteten und für das Wohl der untern Classen väterlich besorgten preußischen Regierung; noch mehr aber der eifrigen Geist¬ lichkeit und des Adels. Keine polnische Provinz besitzt so viel gebildete Geist¬ liche, und in keiner sind dieselben eifriger für das Wohl des Volles besorgt." Das Geld"). Welches gute Stück Gesclüchte im Gelde steckt, so zu sagen im Geldstück und im Geldzettel sich verkörpert, das hat jeder erfahren, dem Francs und Sovereigns durch die Hände gegangen sind, der die schwierige Operation voll¬ endet hat, einen Zehnguldcnschein in Kreuzer oder, wenn das Glück gut ist, >n Sechskreuzerstücke umzusetzen, oder dem etwa in einem thüringischen Städt¬ chen für einen preußischen Fünfundzwanzigthalerschein jenes mannichfaltige Ab- ") Vortrag, gehalten in der Singakademie zu Berlin, 7. Febr. 1863.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/389>, abgerufen am 26.04.2024.