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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Talent umgegangen sind. Es ist dasselbe deutlich die Grundlage ihres gesammten
Gewicht- und Münzwesens geworden, die Anwendung aber doch sehr eigenthümlicher
'Art. Zunächst ließen sie in der Prägung der Theilmünzcn das strenge Sexagcfimal-
system fallen und theilten entweder decimal oder häufiger duodccimal, wie denn
bekanntlich in dieser Beziehung der stäter von zwei Drachmen und zwölf Obolen
für die Griechen hauptsächlich maßgebend gewesen ist. Sehr maßgebend sind
hiefür die Theilmünzen des troesischen Statcrs vom Gewicht des Darcikos^), von
denen Herr v. Prokesch in seiner reichen Sammlung eine wahrscheinlich vollständige
Reihe besitzt! es sind Drittel, Sechstel und Zwölftel, ferner Fünftel und Zehntel.
Fünfzehnte!, Dreißigstel, Sechzigste! dagegen sind bisher nirgends nachgewiesen und
wahrscheinlich nie vorhanden gewesen; sie beschränken sich auf das rein orientalische
Gewichtsystcm und sind der von Haus aus hellenischen Prägung fremd. -- In
dein Gewichtsystem aber wurde schon angegeben, daß die Griechen die Mine statt in
60, vielmehr in 50 oder 100 Theile zerlegten und dadurch ans ein großes Ganze
von 3000 oder 6000 statt von 3600 Einheiten kamen, dabei aber doch die einmal
gegebene Gewichtnorm als Grundlage festhielten. Dieses letztere nun konnte in
doppelter Weise geschehe"' nur konnte entweder die große Einheit, die Mine oder
das Talent des babylonischen Systems festhalten und also mittelst des veränderten
Theilungprincips zu einer andern Normirung der kleinen Einheit gelangen, oder
man hielt die nach dem babylonischen Gewicht normirten Gold- und Silbermünzen
als Einheiten fest und bildete aus diesen abweichende große Einheiten, andere Minen
und Talente. Die Griechen, sind den letzteren Weg gegangen. Das wirkliche leichte
babylonische Talent beträgt 30649, dessen Mine 510,8 Gr., woraus sich das Gold¬
stück von V,"°" des Talents, '/." der Mine 8,5 Gr. entwickelt. Indem das
eubvische System das gleiche Goldstück auf Mine und 7z"g" des Talents ansetzt,
erhält es ein Talent von nur 25441, eine Mine von nur 425.7 Gr. Das wirkliche
schwere babylonische Talent beträgt 61298, dessen Mine 1021,6 Gr., woraus sich
das Silbevstück von des Talents, '/".. der Mine--- 11.35 Gr. .ergibt. Indem
dieses Silberstück als '/su"° des Talents aufgefaßt wird, erhält man dasjenige Talent
von etwa 34,050 Gr., welches Herodot das babylonische nennt und aus dem
später das äginäische hervorging. Die kleine Einheit also, von der beide Systeme
ausgehen, ist nicht blos dem uralten babylonischen Gewicht, sondern geradezu der
vorderasiatische" Prägung entlehnt und wenigstens das letztere System kann nicht
aufgekommen sein, bevor die Prüguug der Silbermünzen begonnen hatte.


Theodor Mommsen.


Literatur.
Reise nach Centralamerika. Von Wilhelm Marr. Zwei Bände.
Hamburg, Otto Meißner, 1863.

Der Verfasser erzählt, wie er im Anfang des vorigen Jahrzehnts mit einem



') Von diesem selbst gibt es Theilmünzen überhaupt nicht.

Talent umgegangen sind. Es ist dasselbe deutlich die Grundlage ihres gesammten
Gewicht- und Münzwesens geworden, die Anwendung aber doch sehr eigenthümlicher
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system fallen und theilten entweder decimal oder häufiger duodccimal, wie denn
bekanntlich in dieser Beziehung der stäter von zwei Drachmen und zwölf Obolen
für die Griechen hauptsächlich maßgebend gewesen ist. Sehr maßgebend sind
hiefür die Theilmünzen des troesischen Statcrs vom Gewicht des Darcikos^), von
denen Herr v. Prokesch in seiner reichen Sammlung eine wahrscheinlich vollständige
Reihe besitzt! es sind Drittel, Sechstel und Zwölftel, ferner Fünftel und Zehntel.
Fünfzehnte!, Dreißigstel, Sechzigste! dagegen sind bisher nirgends nachgewiesen und
wahrscheinlich nie vorhanden gewesen; sie beschränken sich auf das rein orientalische
Gewichtsystcm und sind der von Haus aus hellenischen Prägung fremd. — In
dein Gewichtsystem aber wurde schon angegeben, daß die Griechen die Mine statt in
60, vielmehr in 50 oder 100 Theile zerlegten und dadurch ans ein großes Ganze
von 3000 oder 6000 statt von 3600 Einheiten kamen, dabei aber doch die einmal
gegebene Gewichtnorm als Grundlage festhielten. Dieses letztere nun konnte in
doppelter Weise geschehe»' nur konnte entweder die große Einheit, die Mine oder
das Talent des babylonischen Systems festhalten und also mittelst des veränderten
Theilungprincips zu einer andern Normirung der kleinen Einheit gelangen, oder
man hielt die nach dem babylonischen Gewicht normirten Gold- und Silbermünzen
als Einheiten fest und bildete aus diesen abweichende große Einheiten, andere Minen
und Talente. Die Griechen, sind den letzteren Weg gegangen. Das wirkliche leichte
babylonische Talent beträgt 30649, dessen Mine 510,8 Gr., woraus sich das Gold¬
stück von V,«°« des Talents, '/.» der Mine 8,5 Gr. entwickelt. Indem das
eubvische System das gleiche Goldstück auf Mine und 7z«g„ des Talents ansetzt,
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schwere babylonische Talent beträgt 61298, dessen Mine 1021,6 Gr., woraus sich
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dieses Silberstück als '/su»° des Talents aufgefaßt wird, erhält man dasjenige Talent
von etwa 34,050 Gr., welches Herodot das babylonische nennt und aus dem
später das äginäische hervorging. Die kleine Einheit also, von der beide Systeme
ausgehen, ist nicht blos dem uralten babylonischen Gewicht, sondern geradezu der
vorderasiatische» Prägung entlehnt und wenigstens das letztere System kann nicht
aufgekommen sein, bevor die Prüguug der Silbermünzen begonnen hatte.


Theodor Mommsen.


Literatur.
Reise nach Centralamerika. Von Wilhelm Marr. Zwei Bände.
Hamburg, Otto Meißner, 1863.

Der Verfasser erzählt, wie er im Anfang des vorigen Jahrzehnts mit einem



') Von diesem selbst gibt es Theilmünzen überhaupt nicht.
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[0406] Talent umgegangen sind. Es ist dasselbe deutlich die Grundlage ihres gesammten Gewicht- und Münzwesens geworden, die Anwendung aber doch sehr eigenthümlicher 'Art. Zunächst ließen sie in der Prägung der Theilmünzcn das strenge Sexagcfimal- system fallen und theilten entweder decimal oder häufiger duodccimal, wie denn bekanntlich in dieser Beziehung der stäter von zwei Drachmen und zwölf Obolen für die Griechen hauptsächlich maßgebend gewesen ist. Sehr maßgebend sind hiefür die Theilmünzen des troesischen Statcrs vom Gewicht des Darcikos^), von denen Herr v. Prokesch in seiner reichen Sammlung eine wahrscheinlich vollständige Reihe besitzt! es sind Drittel, Sechstel und Zwölftel, ferner Fünftel und Zehntel. Fünfzehnte!, Dreißigstel, Sechzigste! dagegen sind bisher nirgends nachgewiesen und wahrscheinlich nie vorhanden gewesen; sie beschränken sich auf das rein orientalische Gewichtsystcm und sind der von Haus aus hellenischen Prägung fremd. — In dein Gewichtsystem aber wurde schon angegeben, daß die Griechen die Mine statt in 60, vielmehr in 50 oder 100 Theile zerlegten und dadurch ans ein großes Ganze von 3000 oder 6000 statt von 3600 Einheiten kamen, dabei aber doch die einmal gegebene Gewichtnorm als Grundlage festhielten. Dieses letztere nun konnte in doppelter Weise geschehe»' nur konnte entweder die große Einheit, die Mine oder das Talent des babylonischen Systems festhalten und also mittelst des veränderten Theilungprincips zu einer andern Normirung der kleinen Einheit gelangen, oder man hielt die nach dem babylonischen Gewicht normirten Gold- und Silbermünzen als Einheiten fest und bildete aus diesen abweichende große Einheiten, andere Minen und Talente. Die Griechen, sind den letzteren Weg gegangen. Das wirkliche leichte babylonische Talent beträgt 30649, dessen Mine 510,8 Gr., woraus sich das Gold¬ stück von V,«°« des Talents, '/.» der Mine 8,5 Gr. entwickelt. Indem das eubvische System das gleiche Goldstück auf Mine und 7z«g„ des Talents ansetzt, erhält es ein Talent von nur 25441, eine Mine von nur 425.7 Gr. Das wirkliche schwere babylonische Talent beträgt 61298, dessen Mine 1021,6 Gr., woraus sich das Silbevstück von des Talents, '/».. der Mine--- 11.35 Gr. .ergibt. Indem dieses Silberstück als '/su»° des Talents aufgefaßt wird, erhält man dasjenige Talent von etwa 34,050 Gr., welches Herodot das babylonische nennt und aus dem später das äginäische hervorging. Die kleine Einheit also, von der beide Systeme ausgehen, ist nicht blos dem uralten babylonischen Gewicht, sondern geradezu der vorderasiatische» Prägung entlehnt und wenigstens das letztere System kann nicht aufgekommen sein, bevor die Prüguug der Silbermünzen begonnen hatte. Theodor Mommsen. Literatur. Reise nach Centralamerika. Von Wilhelm Marr. Zwei Bände. Hamburg, Otto Meißner, 1863. Der Verfasser erzählt, wie er im Anfang des vorigen Jahrzehnts mit einem ') Von diesem selbst gibt es Theilmünzen überhaupt nicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/406>, abgerufen am 28.03.2024.