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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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ärgsten Uebertreibungen wird die Erschöpfung, in der Preußen aus dem Kriege
hervorgegangen sei, geschildert. Es treten die Gesichtspunkte eines besiegten
Feindes hervor, der höher zu stehen glaubt, wenn er den Sieger verkleinert.

Indem wir den Ursprung der Nadir^s den pariser politischen Kreisen
zuweisen, in denen sie auch zuerst verbreitet erscheinen, sind wir uns darüber
klar, daß sich nach hundert Jahren in dieser Hinsicht ein sicherer Beweis nicht
führen läßt. Die Wahrscheinlichkeit ist in solchen Fällen berechtigt den Beweis
zu vertreten.

Auch darin, daß die Uf.den6es ihren Zweck verfehlten, kann man der An-
sicht Grimms zustimmen. Der Haß gegen Friedrich den Großen überwog in
ihnen alle Rücksichten, welche die Wahrscheinlichkeit bei einer solchen Fälschung
verlangte. Wir wissen nicht, daß damals irgend Jemand, oder daß später
namhafte Personen an die Autorschaft Friedrichs geglaubt hätten.

Erst als die Schrift dem Druck übergeben wurde, kam dieselbe in Kreise,
deren Sache Kritik und Urtheil nicht zu sein pflegte. Der Erfolg, den sie nach
einem Jahrhundert gefeiert hat, gleicht einem Pasquill auf die ernsten historischen
Studien unserer Zeit.

Friedrich der Große scheint, nachdem er die Autorschaft zurückgewiesen hatte,
die Matinees nicht beachtet zu haben. Er war gegen derartige Schriften von
jeher gleichgiltig. Schon 1752 schreibt er an einen seiner Vertrauten, der eine
ähnliche gegen den König erschienene Schmähschrift zu widerlegen wünschte:
Die Verlärundungen dieses Werkchens verdienen nicht, daß Sie Sich die
Mühe nehmen sie zu zerstören. An mir ist es, meine Pflicht zu thun und
dann die Schlechtigkeit sagen zu lassen was ihr beliebt."


K. Samwer.


Vermischte Literatur.
Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur
Gründung des deutschen Bundes. Von Ludwig Hanfs-r. Dritte sehr
veränderte und vermehrte Auflage. Dritter Band. Berlin, Weidmannsche Buch¬
handlung (K. Reimer). 18K3.

Führt die deutsche Geschichte von der Auflösung des preußischen Heere" nach
der Schlacht bei Jena bis zur Vernichtung der "großen Armee" im russischen Feld.


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ärgsten Uebertreibungen wird die Erschöpfung, in der Preußen aus dem Kriege
hervorgegangen sei, geschildert. Es treten die Gesichtspunkte eines besiegten
Feindes hervor, der höher zu stehen glaubt, wenn er den Sieger verkleinert.

Indem wir den Ursprung der Nadir^s den pariser politischen Kreisen
zuweisen, in denen sie auch zuerst verbreitet erscheinen, sind wir uns darüber
klar, daß sich nach hundert Jahren in dieser Hinsicht ein sicherer Beweis nicht
führen läßt. Die Wahrscheinlichkeit ist in solchen Fällen berechtigt den Beweis
zu vertreten.

Auch darin, daß die Uf.den6es ihren Zweck verfehlten, kann man der An-
sicht Grimms zustimmen. Der Haß gegen Friedrich den Großen überwog in
ihnen alle Rücksichten, welche die Wahrscheinlichkeit bei einer solchen Fälschung
verlangte. Wir wissen nicht, daß damals irgend Jemand, oder daß später
namhafte Personen an die Autorschaft Friedrichs geglaubt hätten.

Erst als die Schrift dem Druck übergeben wurde, kam dieselbe in Kreise,
deren Sache Kritik und Urtheil nicht zu sein pflegte. Der Erfolg, den sie nach
einem Jahrhundert gefeiert hat, gleicht einem Pasquill auf die ernsten historischen
Studien unserer Zeit.

Friedrich der Große scheint, nachdem er die Autorschaft zurückgewiesen hatte,
die Matinees nicht beachtet zu haben. Er war gegen derartige Schriften von
jeher gleichgiltig. Schon 1752 schreibt er an einen seiner Vertrauten, der eine
ähnliche gegen den König erschienene Schmähschrift zu widerlegen wünschte:
Die Verlärundungen dieses Werkchens verdienen nicht, daß Sie Sich die
Mühe nehmen sie zu zerstören. An mir ist es, meine Pflicht zu thun und
dann die Schlechtigkeit sagen zu lassen was ihr beliebt."


K. Samwer.


Vermischte Literatur.
Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur
Gründung des deutschen Bundes. Von Ludwig Hanfs-r. Dritte sehr
veränderte und vermehrte Auflage. Dritter Band. Berlin, Weidmannsche Buch¬
handlung (K. Reimer). 18K3.

Führt die deutsche Geschichte von der Auflösung des preußischen Heere« nach
der Schlacht bei Jena bis zur Vernichtung der „großen Armee" im russischen Feld.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/527>, abgerufen am 24.04.2024.