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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Ein Schwanenlied der Romantik, Mit einem Anhang von Hymnen.
Von Robert Hamerling. Prag. I. L. Kober. 1862.

Eine Elegie, die in Nibelungenstrophcn die böse Zeit beklagt, welche statt steh
für die Ideale des Herzens zu begeistern, zu träumen und zu schwärmen, prosai¬
schen Zielen nachtrachtet. Der Kummer über diese nüchterne Welt der Gegenwart
steigert sich bei dem Dichter zur Vision einer Zukunft, wo die Erde, alles Lichtes
und aller Schönheit baar "des Gerichts gewärtig, vor Schauder stumm, am Rand
des Nichts hängt". Dann wird es wieder hell, und der Prophet beginnt zu hoffen,
daß seine Ermahnung an Deutschland, nicht um schnöden materiellen Gewinns und
des Schcinbildcs äußerer Macht willen die idealen Heiligthümer aufzugeben. Erfolg
haben wird:


Es rühren vielleicht doch Manchen, trotz dem rauhen Tag,
Deine zarten Rhythmen, der strebende Flügelschlag.
Schönheittrunknen Sehnens, der da Zeugniß giebt
Von einer weichen Seele, die viel gestrebt, gehofft, geliebt.

Jene Beschreibung des Erduntergangcs hat schöne Stellen. Weniger angenehm be¬
rühren östreichische Reime wie Dom auf fromm, thronst auf umsonst, legt auf weckt
u. a. d. Was von den "weichen Seelen", die solche Klagelieder über die Gegen¬
wart aufseufzen, was von den Gefahren zu halten ist, die hier der erwachenden
Nation prophezeit werden, brauchen wir den Lesern d. Bl. nicht erst auseinander¬
zusetzen. Die Welt wird sicher nicht davon Schaden leiden, wenn jetzt der Geist
unsres Volkes das ihm gebührende Theil der an Andre wcggegcbncn .Erde beansprucht,
wenn er sich anschickt, das Träumen mit dem Handeln zu vertauschen, und wenn
dabei etliche Poeten zweiten Ranges unbeachtet bleiben. Wcrthvollcs wird auch jetzt
noch anerkannt, und die endlich erkämpfte Neugestaltung der Nation wird uns auch
neue große Dichter schaffen.


Die Lorelcy. Lyrisches Epos von Albert Jeep. Basel und Ludwigsburg,
Verlag von Balmcr und Riesen. 1863.

Bearbeitung der Loreleysage mit erbaulicher Tendenz. Der Verfasser scheint
Geistlicher zu sein und sich nach O. v. Redwitz gebildet zu haben. Einige seiner
Naturschilderungen zeigen einiges Talent, die psychologische Entwickelung dagegen
ist unklarste Romantik. Zuletzt wird die böse Zauberin durch das Gebet eines
Mönchs bekehrt, und gleich daraus stürzt sie sich unter dreimaligem Anrufen des Herrn
Jcsi's in den Rhein. Dann Begräbniß und ein Leichenstein mit der Inschrift:


"Die Loreley,
Die singende Fay,
Ruht allhier unverdorben,
Im Namen Jesu gestorben.
Halleluja."

Plattdeutsche Dichtungen von Wilhelm Heyse: "Da Mcklcnbörger
Burhochtid un Rosmarin un Ringelblomen." Berlin, 1863. E. Schotte.

Die mecklenburger Bauernhochzeit ist ein hübsches Bild aus dem niederdeutschen
Leben, die folgenden kleineren Gedichte dagegen überschreiten die nach unserm Ge¬
fühl dem plattdeutschen Idiom gezogenen Grenzen. Das Plattdeutsche kann nur
naiv, nicht empfindsam sein. Es ist zum Ausdruck des Humoristischen wie geschaffen,


Ein Schwanenlied der Romantik, Mit einem Anhang von Hymnen.
Von Robert Hamerling. Prag. I. L. Kober. 1862.

Eine Elegie, die in Nibelungenstrophcn die böse Zeit beklagt, welche statt steh
für die Ideale des Herzens zu begeistern, zu träumen und zu schwärmen, prosai¬
schen Zielen nachtrachtet. Der Kummer über diese nüchterne Welt der Gegenwart
steigert sich bei dem Dichter zur Vision einer Zukunft, wo die Erde, alles Lichtes
und aller Schönheit baar „des Gerichts gewärtig, vor Schauder stumm, am Rand
des Nichts hängt". Dann wird es wieder hell, und der Prophet beginnt zu hoffen,
daß seine Ermahnung an Deutschland, nicht um schnöden materiellen Gewinns und
des Schcinbildcs äußerer Macht willen die idealen Heiligthümer aufzugeben. Erfolg
haben wird:


Es rühren vielleicht doch Manchen, trotz dem rauhen Tag,
Deine zarten Rhythmen, der strebende Flügelschlag.
Schönheittrunknen Sehnens, der da Zeugniß giebt
Von einer weichen Seele, die viel gestrebt, gehofft, geliebt.

Jene Beschreibung des Erduntergangcs hat schöne Stellen. Weniger angenehm be¬
rühren östreichische Reime wie Dom auf fromm, thronst auf umsonst, legt auf weckt
u. a. d. Was von den „weichen Seelen", die solche Klagelieder über die Gegen¬
wart aufseufzen, was von den Gefahren zu halten ist, die hier der erwachenden
Nation prophezeit werden, brauchen wir den Lesern d. Bl. nicht erst auseinander¬
zusetzen. Die Welt wird sicher nicht davon Schaden leiden, wenn jetzt der Geist
unsres Volkes das ihm gebührende Theil der an Andre wcggegcbncn .Erde beansprucht,
wenn er sich anschickt, das Träumen mit dem Handeln zu vertauschen, und wenn
dabei etliche Poeten zweiten Ranges unbeachtet bleiben. Wcrthvollcs wird auch jetzt
noch anerkannt, und die endlich erkämpfte Neugestaltung der Nation wird uns auch
neue große Dichter schaffen.


Die Lorelcy. Lyrisches Epos von Albert Jeep. Basel und Ludwigsburg,
Verlag von Balmcr und Riesen. 1863.

Bearbeitung der Loreleysage mit erbaulicher Tendenz. Der Verfasser scheint
Geistlicher zu sein und sich nach O. v. Redwitz gebildet zu haben. Einige seiner
Naturschilderungen zeigen einiges Talent, die psychologische Entwickelung dagegen
ist unklarste Romantik. Zuletzt wird die böse Zauberin durch das Gebet eines
Mönchs bekehrt, und gleich daraus stürzt sie sich unter dreimaligem Anrufen des Herrn
Jcsi's in den Rhein. Dann Begräbniß und ein Leichenstein mit der Inschrift:


„Die Loreley,
Die singende Fay,
Ruht allhier unverdorben,
Im Namen Jesu gestorben.
Halleluja."

Plattdeutsche Dichtungen von Wilhelm Heyse: „Da Mcklcnbörger
Burhochtid un Rosmarin un Ringelblomen." Berlin, 1863. E. Schotte.

Die mecklenburger Bauernhochzeit ist ein hübsches Bild aus dem niederdeutschen
Leben, die folgenden kleineren Gedichte dagegen überschreiten die nach unserm Ge¬
fühl dem plattdeutschen Idiom gezogenen Grenzen. Das Plattdeutsche kann nur
naiv, nicht empfindsam sein. Es ist zum Ausdruck des Humoristischen wie geschaffen,


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[0529] Ein Schwanenlied der Romantik, Mit einem Anhang von Hymnen. Von Robert Hamerling. Prag. I. L. Kober. 1862. Eine Elegie, die in Nibelungenstrophcn die böse Zeit beklagt, welche statt steh für die Ideale des Herzens zu begeistern, zu träumen und zu schwärmen, prosai¬ schen Zielen nachtrachtet. Der Kummer über diese nüchterne Welt der Gegenwart steigert sich bei dem Dichter zur Vision einer Zukunft, wo die Erde, alles Lichtes und aller Schönheit baar „des Gerichts gewärtig, vor Schauder stumm, am Rand des Nichts hängt". Dann wird es wieder hell, und der Prophet beginnt zu hoffen, daß seine Ermahnung an Deutschland, nicht um schnöden materiellen Gewinns und des Schcinbildcs äußerer Macht willen die idealen Heiligthümer aufzugeben. Erfolg haben wird: Es rühren vielleicht doch Manchen, trotz dem rauhen Tag, Deine zarten Rhythmen, der strebende Flügelschlag. Schönheittrunknen Sehnens, der da Zeugniß giebt Von einer weichen Seele, die viel gestrebt, gehofft, geliebt. Jene Beschreibung des Erduntergangcs hat schöne Stellen. Weniger angenehm be¬ rühren östreichische Reime wie Dom auf fromm, thronst auf umsonst, legt auf weckt u. a. d. Was von den „weichen Seelen", die solche Klagelieder über die Gegen¬ wart aufseufzen, was von den Gefahren zu halten ist, die hier der erwachenden Nation prophezeit werden, brauchen wir den Lesern d. Bl. nicht erst auseinander¬ zusetzen. Die Welt wird sicher nicht davon Schaden leiden, wenn jetzt der Geist unsres Volkes das ihm gebührende Theil der an Andre wcggegcbncn .Erde beansprucht, wenn er sich anschickt, das Träumen mit dem Handeln zu vertauschen, und wenn dabei etliche Poeten zweiten Ranges unbeachtet bleiben. Wcrthvollcs wird auch jetzt noch anerkannt, und die endlich erkämpfte Neugestaltung der Nation wird uns auch neue große Dichter schaffen. Die Lorelcy. Lyrisches Epos von Albert Jeep. Basel und Ludwigsburg, Verlag von Balmcr und Riesen. 1863. Bearbeitung der Loreleysage mit erbaulicher Tendenz. Der Verfasser scheint Geistlicher zu sein und sich nach O. v. Redwitz gebildet zu haben. Einige seiner Naturschilderungen zeigen einiges Talent, die psychologische Entwickelung dagegen ist unklarste Romantik. Zuletzt wird die böse Zauberin durch das Gebet eines Mönchs bekehrt, und gleich daraus stürzt sie sich unter dreimaligem Anrufen des Herrn Jcsi's in den Rhein. Dann Begräbniß und ein Leichenstein mit der Inschrift: „Die Loreley, Die singende Fay, Ruht allhier unverdorben, Im Namen Jesu gestorben. Halleluja." Plattdeutsche Dichtungen von Wilhelm Heyse: „Da Mcklcnbörger Burhochtid un Rosmarin un Ringelblomen." Berlin, 1863. E. Schotte. Die mecklenburger Bauernhochzeit ist ein hübsches Bild aus dem niederdeutschen Leben, die folgenden kleineren Gedichte dagegen überschreiten die nach unserm Ge¬ fühl dem plattdeutschen Idiom gezogenen Grenzen. Das Plattdeutsche kann nur naiv, nicht empfindsam sein. Es ist zum Ausdruck des Humoristischen wie geschaffen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/529>, abgerufen am 26.04.2024.