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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Wesen, und Du, Braut, hast noch die Krone auf und schiltst mich eine
Stumme?" Als der Prinz hörte, daß die Stumme wieder sprach, da verstieß
er die neue Braut und nahm die alte und lebte mit ihr glücklich und in
Freuden.


3. Der Mann mit der Erbse.

Es war einmal ein junger Mann, der hieß Penteklimas, und der ging
in die Welt, um sein Glück zu suchen. Als er eine Weile gegangen war, fand
er aus dem Wege eine Erbse liegen und hob sie auf. Indem er sie aufhob,
fiel ihm ein, daß er ausgezogen sei, um sein Glück zu suchen, und da er nun
die Erbse gefunden, so müsse diese sein Glück sein. Als er darüber nachdachte,
wie das sein könnte, sagte er bei sich: "Wenn ich die Erbse stecke, werde ich
über's Jahr hundert Erbsen haben, und wenn ich diese das andere Jahr säe, werde
ich das Zehnfache ernten, und im vierten Jahre werde ich viele tausend Erbsen
haben; ich bin also gut daran und will die Erbse wohl aufheben." Er band
sie in sein Taschentuch, hatte aber seine Gedanken immer nur auf die Erbse ge¬
richtet, und so oft er irgend ein Geschäft vornahm, ließ er es in der Hälfte, holte
sein Taschentuch hervor und sah nach, ob er seine Erbse noch habe. Darauf
nahm er eine Feder und rechnete aus, wie viel Erbsen er in dem einen und
wie viel er in dem andern Jahre ernten werde, und so fort, und wenn er mi
der Rechnung fertig war, sprach er: "Ich bin gut daran."

Nachdem er es so eine Weile getrieben hatte, machte er sich auf und ging
an die Küste und verlangte zweihundert Schiffe zu miethen, und als ihn die
Leute fragten, was er denn mit so viel Schiffen vorhabe, sagte er, daß er
daraus seine Habe verschiffen wolle. Da staunten die Leute und glaubten an¬
fangs, er wolle sie zum Besten haben. Als er aber fort und fort nach Schiffen
fragte, verlangten sie von ihm genau zu wissen, wie viel Schiffe er nöthigt
habe. Da holte der Mann seine Erbse hervor, machte nochmals seine Rechnung
und schloß danach seine Verträge mit den Schiffern.

Drauf liefen die Schiffer zum Könige und erzählten ihm, daß ein Mann
in den Hafen gekommen wäre, der so reich sei, daß er 200 Schiffe verlange,
um darauf seine Habe zu verschiffen. Als das der König hörte, wunderte er sich
sehr und ließ den Menschen zu sich kommen, um selbst mit ihm zu sprechen.
Der Penteklimas war aber von Gestalt recht ansehnlich und hatte sich so schöne
Kleider machen lassen, daß ihm von seinem Gelde nur 200 Piaster übrig blieben;
aber er machte sich keine Sorgen, denn er hatte ja seine Erbse, mit der er
sein Glück machen wollte. Er erschien also gutes Muthes vor dem Könige,
und der fragte ihn, wo er sein Vermögen habe. Der Penteklimas aber
antwortete: "Ich habe es an einem sichern Orte und brauche 200 Schiffe, um
es hierher zu schaffen." Da dachte der König: das wäre ein Mann für meine
Tochter, und fragte ihn also, ob er acht seine Tochter heirathen wollte. Als


Wesen, und Du, Braut, hast noch die Krone auf und schiltst mich eine
Stumme?" Als der Prinz hörte, daß die Stumme wieder sprach, da verstieß
er die neue Braut und nahm die alte und lebte mit ihr glücklich und in
Freuden.


3. Der Mann mit der Erbse.

Es war einmal ein junger Mann, der hieß Penteklimas, und der ging
in die Welt, um sein Glück zu suchen. Als er eine Weile gegangen war, fand
er aus dem Wege eine Erbse liegen und hob sie auf. Indem er sie aufhob,
fiel ihm ein, daß er ausgezogen sei, um sein Glück zu suchen, und da er nun
die Erbse gefunden, so müsse diese sein Glück sein. Als er darüber nachdachte,
wie das sein könnte, sagte er bei sich: „Wenn ich die Erbse stecke, werde ich
über's Jahr hundert Erbsen haben, und wenn ich diese das andere Jahr säe, werde
ich das Zehnfache ernten, und im vierten Jahre werde ich viele tausend Erbsen
haben; ich bin also gut daran und will die Erbse wohl aufheben." Er band
sie in sein Taschentuch, hatte aber seine Gedanken immer nur auf die Erbse ge¬
richtet, und so oft er irgend ein Geschäft vornahm, ließ er es in der Hälfte, holte
sein Taschentuch hervor und sah nach, ob er seine Erbse noch habe. Darauf
nahm er eine Feder und rechnete aus, wie viel Erbsen er in dem einen und
wie viel er in dem andern Jahre ernten werde, und so fort, und wenn er mi
der Rechnung fertig war, sprach er: „Ich bin gut daran."

Nachdem er es so eine Weile getrieben hatte, machte er sich auf und ging
an die Küste und verlangte zweihundert Schiffe zu miethen, und als ihn die
Leute fragten, was er denn mit so viel Schiffen vorhabe, sagte er, daß er
daraus seine Habe verschiffen wolle. Da staunten die Leute und glaubten an¬
fangs, er wolle sie zum Besten haben. Als er aber fort und fort nach Schiffen
fragte, verlangten sie von ihm genau zu wissen, wie viel Schiffe er nöthigt
habe. Da holte der Mann seine Erbse hervor, machte nochmals seine Rechnung
und schloß danach seine Verträge mit den Schiffern.

Drauf liefen die Schiffer zum Könige und erzählten ihm, daß ein Mann
in den Hafen gekommen wäre, der so reich sei, daß er 200 Schiffe verlange,
um darauf seine Habe zu verschiffen. Als das der König hörte, wunderte er sich
sehr und ließ den Menschen zu sich kommen, um selbst mit ihm zu sprechen.
Der Penteklimas war aber von Gestalt recht ansehnlich und hatte sich so schöne
Kleider machen lassen, daß ihm von seinem Gelde nur 200 Piaster übrig blieben;
aber er machte sich keine Sorgen, denn er hatte ja seine Erbse, mit der er
sein Glück machen wollte. Er erschien also gutes Muthes vor dem Könige,
und der fragte ihn, wo er sein Vermögen habe. Der Penteklimas aber
antwortete: „Ich habe es an einem sichern Orte und brauche 200 Schiffe, um
es hierher zu schaffen." Da dachte der König: das wäre ein Mann für meine
Tochter, und fragte ihn also, ob er acht seine Tochter heirathen wollte. Als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/77>, abgerufen am 26.04.2024.