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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Mehrheit voraussichtlich oft überstimmt, aber start durch das Bewußtsein, im
Einklang mit den stärksten und geschlossensten unter den vaterländischen Par¬
teien für Deutschlands Zukunft zu wirken.




Zur Beleuchtung der reMionnreu Aem in Mecklenburg-Schwerin.

Man erzählt von einem Professor der Staatswissenschaft zu Rostock, der
aus Preußen dorthin berufen war. er habe zu Anfang einer Vorlesung seinen
Zuhörern Aussicht gemacht, daß er im Laufe derselben dem mecklenburgischen
Finanz- und Steuerwesen eine ganz besondere Rücksicht schenken werde, sei
aber schließlich zu dem Bekenntniß genöthigt gewesen, daß es ihm ungeachtet
aller aufgewandten Mühe nicht habe gelingen wollen, diesen schwierigen
Gegenstand zu durchdringen. Dieses Bekenntniß eines Mannes, dem es an
geistiger Begabung durchaus nicht mangelte, ist sehr bezeichnend für die Ab¬
normität der politischen Formen und Einrichtungen, welche der Feudalismus
in diesem Lande aus längst vergangenen Tagen in die ringsum völlig ver¬
änderte Gegenwart hinein zu retten gewußt hat. Mecklenburg mit seinen Rit¬
tern und Bürgermeistern, in welchen die Landesvertretung in der Summe der
durch sie repräsentirten Sonderinteressen sich darstellt, mit seinen beiden Sou¬
veränen (zu Schwerin und Ncustrelitz), die doch wieder durch die Einheit der
Landesvertretung von einander abhängig sind, mit seinem Absolutismus im
Domanium und seinen vielen kleinen Land- und Stadttyrannen, vor deren
Gebieten die landesherrliche Macht sich auf ihre Schranken besinnen muß. mit
seiner Seestadt Rostock, die fast einen Staat im Staate bildet und selbst
Hoheitsrechte übt, wie das Recht der Begnadigung und das Münzrecht , mit
seiner Seestadt Wismar, welche von der Krone Schweden nur pfandweise an
Mecklenburg wieder überlassen ist und außerhalb des landständischen Verbandes
steht, mit seinem Fürstenthum Nccheburg, welches nur durch Personalunion
mit Mecklenburg zusammenhängt und nun schon über fünfzig Jahre lang auf
die landständische Verfassung wartet, welche der dreizehnte Artikel der deutschen


i.

Mehrheit voraussichtlich oft überstimmt, aber start durch das Bewußtsein, im
Einklang mit den stärksten und geschlossensten unter den vaterländischen Par¬
teien für Deutschlands Zukunft zu wirken.




Zur Beleuchtung der reMionnreu Aem in Mecklenburg-Schwerin.

Man erzählt von einem Professor der Staatswissenschaft zu Rostock, der
aus Preußen dorthin berufen war. er habe zu Anfang einer Vorlesung seinen
Zuhörern Aussicht gemacht, daß er im Laufe derselben dem mecklenburgischen
Finanz- und Steuerwesen eine ganz besondere Rücksicht schenken werde, sei
aber schließlich zu dem Bekenntniß genöthigt gewesen, daß es ihm ungeachtet
aller aufgewandten Mühe nicht habe gelingen wollen, diesen schwierigen
Gegenstand zu durchdringen. Dieses Bekenntniß eines Mannes, dem es an
geistiger Begabung durchaus nicht mangelte, ist sehr bezeichnend für die Ab¬
normität der politischen Formen und Einrichtungen, welche der Feudalismus
in diesem Lande aus längst vergangenen Tagen in die ringsum völlig ver¬
änderte Gegenwart hinein zu retten gewußt hat. Mecklenburg mit seinen Rit¬
tern und Bürgermeistern, in welchen die Landesvertretung in der Summe der
durch sie repräsentirten Sonderinteressen sich darstellt, mit seinen beiden Sou¬
veränen (zu Schwerin und Ncustrelitz), die doch wieder durch die Einheit der
Landesvertretung von einander abhängig sind, mit seinem Absolutismus im
Domanium und seinen vielen kleinen Land- und Stadttyrannen, vor deren
Gebieten die landesherrliche Macht sich auf ihre Schranken besinnen muß. mit
seiner Seestadt Rostock, die fast einen Staat im Staate bildet und selbst
Hoheitsrechte übt, wie das Recht der Begnadigung und das Münzrecht , mit
seiner Seestadt Wismar, welche von der Krone Schweden nur pfandweise an
Mecklenburg wieder überlassen ist und außerhalb des landständischen Verbandes
steht, mit seinem Fürstenthum Nccheburg, welches nur durch Personalunion
mit Mecklenburg zusammenhängt und nun schon über fünfzig Jahre lang auf
die landständische Verfassung wartet, welche der dreizehnte Artikel der deutschen


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[0209] Mehrheit voraussichtlich oft überstimmt, aber start durch das Bewußtsein, im Einklang mit den stärksten und geschlossensten unter den vaterländischen Par¬ teien für Deutschlands Zukunft zu wirken. Zur Beleuchtung der reMionnreu Aem in Mecklenburg-Schwerin. Man erzählt von einem Professor der Staatswissenschaft zu Rostock, der aus Preußen dorthin berufen war. er habe zu Anfang einer Vorlesung seinen Zuhörern Aussicht gemacht, daß er im Laufe derselben dem mecklenburgischen Finanz- und Steuerwesen eine ganz besondere Rücksicht schenken werde, sei aber schließlich zu dem Bekenntniß genöthigt gewesen, daß es ihm ungeachtet aller aufgewandten Mühe nicht habe gelingen wollen, diesen schwierigen Gegenstand zu durchdringen. Dieses Bekenntniß eines Mannes, dem es an geistiger Begabung durchaus nicht mangelte, ist sehr bezeichnend für die Ab¬ normität der politischen Formen und Einrichtungen, welche der Feudalismus in diesem Lande aus längst vergangenen Tagen in die ringsum völlig ver¬ änderte Gegenwart hinein zu retten gewußt hat. Mecklenburg mit seinen Rit¬ tern und Bürgermeistern, in welchen die Landesvertretung in der Summe der durch sie repräsentirten Sonderinteressen sich darstellt, mit seinen beiden Sou¬ veränen (zu Schwerin und Ncustrelitz), die doch wieder durch die Einheit der Landesvertretung von einander abhängig sind, mit seinem Absolutismus im Domanium und seinen vielen kleinen Land- und Stadttyrannen, vor deren Gebieten die landesherrliche Macht sich auf ihre Schranken besinnen muß. mit seiner Seestadt Rostock, die fast einen Staat im Staate bildet und selbst Hoheitsrechte übt, wie das Recht der Begnadigung und das Münzrecht , mit seiner Seestadt Wismar, welche von der Krone Schweden nur pfandweise an Mecklenburg wieder überlassen ist und außerhalb des landständischen Verbandes steht, mit seinem Fürstenthum Nccheburg, welches nur durch Personalunion mit Mecklenburg zusammenhängt und nun schon über fünfzig Jahre lang auf die landständische Verfassung wartet, welche der dreizehnte Artikel der deutschen i.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/209>, abgerufen am 08.05.2024.