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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band.

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Die Octroyirungen und die Stellung des Thronfolgers in
Preußen.

Schneller als zu erwarten war, hat das Ministerium Bismarck begonnen,
das Programm der Octroyirungen in Ausführung zu bringen, welches durch
die feudale Partei seit Monaten angezeigt war. Mit der Presse wurde, wie
billig, der Anfang gemacht.

Die neue Verordnung und die derselben vorausgesandte Motivirung durch
das Ministerium war wohl angethan, außerhalb Preußen ein tiefes Staunen
zu erregen. Alles was man von einer frischen und fröhlichen Reaction er¬
warten konnte, wurde durch die neue Maßregel übertroffen. Die Pedanterie
gerichtlicher Verurteilungen und die dabei unvermeidlichen Zufälligkeiten sind
gründlich beseitigt. Nicht mehr das einzelne Vergehen gegen das Gesetz wird
bestraft, sondern die Gesammttendenz des Blattes. Denn den Verwaltungs¬
behörden ist anheim gegeben über die Haltung der Blätter zu entscheiden, die¬
jenigen, welche eine feindselige Tendenz nicht zu verbergen im Stande sind,
werden zweimal verwarnt, dann unterdrückt. Bei den außerhalb Preußen er¬
scheinenden Blättern sind nicht einmal diese Weitläufigkeiten nöthig. Das Me¬
morial des Ministeriums hat noch die Rücksicht, für die nichtpreußischen Blät¬
ter eine einmalige Verurtheilung als Vorbedingung des Verbotes bestehen zu
lassen, die königliche Verordnung beseitigt auch diese Formalität, jedes nicht¬
preußische Blatt kann ohne Weiteres durch das Ministerium verboten werden.

Es ist bitter, daß so etwas möglich war, aber es ist gut. daß die Krank¬
heit des Staates so schnell und so auffällig sichtbar wird. Es ist jetzt Sache
des preußischen Volkes, die Heilung herbeizuführen.

In dieser Zeit bereitet sich des Königs Majestät zur Wiederherstellung sei¬
ner Gesundheit sein Land zu verlassen, wie ministerielle Blätter melden, auf
mehre Monate.

Die Unpäßlichkeit des Königs und seine längere Abwesenheit legen eine
Frage nahe, welche, wenn man einzelnen unvorsichtigen Aeußerungen der feu¬
dalen Partei Gewicht beilegen kann, schon in diesem Frühjahr das Ministerium
beschäftigt hat, und welche möglicherweise in naher Zukunft für Preußen eine
so große Wichtigkeit erlangen kann, daß sie alle andern innern Fragen in den
Hintergrund drückt. Dies ist die Frage wegen Stellung des Thronfolgers für
den Fall, daß eine Leitung der Regierungsgeschäfte durch denselben bei Leb¬
zeiten des Königs wünschenswerth erscheint.


Die Octroyirungen und die Stellung des Thronfolgers in
Preußen.

Schneller als zu erwarten war, hat das Ministerium Bismarck begonnen,
das Programm der Octroyirungen in Ausführung zu bringen, welches durch
die feudale Partei seit Monaten angezeigt war. Mit der Presse wurde, wie
billig, der Anfang gemacht.

Die neue Verordnung und die derselben vorausgesandte Motivirung durch
das Ministerium war wohl angethan, außerhalb Preußen ein tiefes Staunen
zu erregen. Alles was man von einer frischen und fröhlichen Reaction er¬
warten konnte, wurde durch die neue Maßregel übertroffen. Die Pedanterie
gerichtlicher Verurteilungen und die dabei unvermeidlichen Zufälligkeiten sind
gründlich beseitigt. Nicht mehr das einzelne Vergehen gegen das Gesetz wird
bestraft, sondern die Gesammttendenz des Blattes. Denn den Verwaltungs¬
behörden ist anheim gegeben über die Haltung der Blätter zu entscheiden, die¬
jenigen, welche eine feindselige Tendenz nicht zu verbergen im Stande sind,
werden zweimal verwarnt, dann unterdrückt. Bei den außerhalb Preußen er¬
scheinenden Blättern sind nicht einmal diese Weitläufigkeiten nöthig. Das Me¬
morial des Ministeriums hat noch die Rücksicht, für die nichtpreußischen Blät¬
ter eine einmalige Verurtheilung als Vorbedingung des Verbotes bestehen zu
lassen, die königliche Verordnung beseitigt auch diese Formalität, jedes nicht¬
preußische Blatt kann ohne Weiteres durch das Ministerium verboten werden.

Es ist bitter, daß so etwas möglich war, aber es ist gut. daß die Krank¬
heit des Staates so schnell und so auffällig sichtbar wird. Es ist jetzt Sache
des preußischen Volkes, die Heilung herbeizuführen.

In dieser Zeit bereitet sich des Königs Majestät zur Wiederherstellung sei¬
ner Gesundheit sein Land zu verlassen, wie ministerielle Blätter melden, auf
mehre Monate.

Die Unpäßlichkeit des Königs und seine längere Abwesenheit legen eine
Frage nahe, welche, wenn man einzelnen unvorsichtigen Aeußerungen der feu¬
dalen Partei Gewicht beilegen kann, schon in diesem Frühjahr das Ministerium
beschäftigt hat, und welche möglicherweise in naher Zukunft für Preußen eine
so große Wichtigkeit erlangen kann, daß sie alle andern innern Fragen in den
Hintergrund drückt. Dies ist die Frage wegen Stellung des Thronfolgers für
den Fall, daß eine Leitung der Regierungsgeschäfte durch denselben bei Leb¬
zeiten des Königs wünschenswerth erscheint.


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[0435] Die Octroyirungen und die Stellung des Thronfolgers in Preußen. Schneller als zu erwarten war, hat das Ministerium Bismarck begonnen, das Programm der Octroyirungen in Ausführung zu bringen, welches durch die feudale Partei seit Monaten angezeigt war. Mit der Presse wurde, wie billig, der Anfang gemacht. Die neue Verordnung und die derselben vorausgesandte Motivirung durch das Ministerium war wohl angethan, außerhalb Preußen ein tiefes Staunen zu erregen. Alles was man von einer frischen und fröhlichen Reaction er¬ warten konnte, wurde durch die neue Maßregel übertroffen. Die Pedanterie gerichtlicher Verurteilungen und die dabei unvermeidlichen Zufälligkeiten sind gründlich beseitigt. Nicht mehr das einzelne Vergehen gegen das Gesetz wird bestraft, sondern die Gesammttendenz des Blattes. Denn den Verwaltungs¬ behörden ist anheim gegeben über die Haltung der Blätter zu entscheiden, die¬ jenigen, welche eine feindselige Tendenz nicht zu verbergen im Stande sind, werden zweimal verwarnt, dann unterdrückt. Bei den außerhalb Preußen er¬ scheinenden Blättern sind nicht einmal diese Weitläufigkeiten nöthig. Das Me¬ morial des Ministeriums hat noch die Rücksicht, für die nichtpreußischen Blät¬ ter eine einmalige Verurtheilung als Vorbedingung des Verbotes bestehen zu lassen, die königliche Verordnung beseitigt auch diese Formalität, jedes nicht¬ preußische Blatt kann ohne Weiteres durch das Ministerium verboten werden. Es ist bitter, daß so etwas möglich war, aber es ist gut. daß die Krank¬ heit des Staates so schnell und so auffällig sichtbar wird. Es ist jetzt Sache des preußischen Volkes, die Heilung herbeizuführen. In dieser Zeit bereitet sich des Königs Majestät zur Wiederherstellung sei¬ ner Gesundheit sein Land zu verlassen, wie ministerielle Blätter melden, auf mehre Monate. Die Unpäßlichkeit des Königs und seine längere Abwesenheit legen eine Frage nahe, welche, wenn man einzelnen unvorsichtigen Aeußerungen der feu¬ dalen Partei Gewicht beilegen kann, schon in diesem Frühjahr das Ministerium beschäftigt hat, und welche möglicherweise in naher Zukunft für Preußen eine so große Wichtigkeit erlangen kann, daß sie alle andern innern Fragen in den Hintergrund drückt. Dies ist die Frage wegen Stellung des Thronfolgers für den Fall, daß eine Leitung der Regierungsgeschäfte durch denselben bei Leb¬ zeiten des Königs wünschenswerth erscheint.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_360476/435>, abgerufen am 08.05.2024.