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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Unteroffizier Hallmann wurde als Thoreinnehmer in Glatz versorgt, wo er vor
zwanzig Jahren noch gelebt hat. Invalide ist er durch den Lanzenstich des
Polnischen Ulanen geworden, der ihm den Hüftknochen gesplittert hatte.




Die letzte Woche.

Die Session der preußischen Kammern ist geschlossen, die letzte Woche des
Abgeordnetenhauses war nicht arm an bedeutenden Momenten, Die Majorität
war, das empfand man aus jeder Debatte, sich bewußt, daß der Staat in
eine Lage gekommen sei, in welcher eine parlamentarische Behandlung der Ge¬
schäfte nicht mehr möglich ist, und in einigen Reden fand diese Stimmung er¬
greifenden Ausdruck. Nach der Sitzung des letzten Tages kann man die An¬
sicht nicht zurückhalten, daß. wenn die Majorität denselben würdigen und
entschlossenen Ernst im vorigen Sommer an entscheidenden Tagen bewiesen hätte,
vielleicht der Conflict dieses Winters nicht mehr nöthig gewesen wäre. Die
kurze Session ist resultatlos. die Dissonanz mißtönender, die Gegensätze schrof¬
fer als je. Und betroffen fragt man: was soll nun werden? Wird das bndget-
lose Regieren ein chronisches Leiden sein? Wird der Staat seine Kriegsrüstungen
ohne Anleihe durchführen, indem das Ministerium die Gelder nimmt, wo es
dieselben findet? Werden Kapitalisten so waghalsig sein, der Politik des gegen¬
wärtigen Ministeriums ihre Millionen anzuvertrauen? Und was schlimmer ist,
wird diese Politik gegen die Majorität der deutschen Regierungen, gegen die
Lebensinteressen des preußischen Staats fortgeführt werden bis zu einer
Kalamität, bei weicher Eigensinn und Partcihaß im allgemeinen Elend
untergehn?

Wir meinen, das wirkliche Sachverhältniß ist nicht so ungünstig, als es zur
Zeit noch erscheint. Die Volksvertretung Preußens hat in dem Kampfe dieses
Winters allerdings keinen Sieg erfochten, ja sie hat in mancher Beziehung Rück¬
schritte gemacht. Die Einwirkungen des Ministeriums auf die Wahlen haben ein
Resultat gehabt, welches die Zuversicht der Opposition verringerte. Daß dieses
Ministerium fast dreißig Anhänger mehr in die zweite Kammer brachte und


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Unteroffizier Hallmann wurde als Thoreinnehmer in Glatz versorgt, wo er vor
zwanzig Jahren noch gelebt hat. Invalide ist er durch den Lanzenstich des
Polnischen Ulanen geworden, der ihm den Hüftknochen gesplittert hatte.




Die letzte Woche.

Die Session der preußischen Kammern ist geschlossen, die letzte Woche des
Abgeordnetenhauses war nicht arm an bedeutenden Momenten, Die Majorität
war, das empfand man aus jeder Debatte, sich bewußt, daß der Staat in
eine Lage gekommen sei, in welcher eine parlamentarische Behandlung der Ge¬
schäfte nicht mehr möglich ist, und in einigen Reden fand diese Stimmung er¬
greifenden Ausdruck. Nach der Sitzung des letzten Tages kann man die An¬
sicht nicht zurückhalten, daß. wenn die Majorität denselben würdigen und
entschlossenen Ernst im vorigen Sommer an entscheidenden Tagen bewiesen hätte,
vielleicht der Conflict dieses Winters nicht mehr nöthig gewesen wäre. Die
kurze Session ist resultatlos. die Dissonanz mißtönender, die Gegensätze schrof¬
fer als je. Und betroffen fragt man: was soll nun werden? Wird das bndget-
lose Regieren ein chronisches Leiden sein? Wird der Staat seine Kriegsrüstungen
ohne Anleihe durchführen, indem das Ministerium die Gelder nimmt, wo es
dieselben findet? Werden Kapitalisten so waghalsig sein, der Politik des gegen¬
wärtigen Ministeriums ihre Millionen anzuvertrauen? Und was schlimmer ist,
wird diese Politik gegen die Majorität der deutschen Regierungen, gegen die
Lebensinteressen des preußischen Staats fortgeführt werden bis zu einer
Kalamität, bei weicher Eigensinn und Partcihaß im allgemeinen Elend
untergehn?

Wir meinen, das wirkliche Sachverhältniß ist nicht so ungünstig, als es zur
Zeit noch erscheint. Die Volksvertretung Preußens hat in dem Kampfe dieses
Winters allerdings keinen Sieg erfochten, ja sie hat in mancher Beziehung Rück¬
schritte gemacht. Die Einwirkungen des Ministeriums auf die Wahlen haben ein
Resultat gehabt, welches die Zuversicht der Opposition verringerte. Daß dieses
Ministerium fast dreißig Anhänger mehr in die zweite Kammer brachte und


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[0205] Unteroffizier Hallmann wurde als Thoreinnehmer in Glatz versorgt, wo er vor zwanzig Jahren noch gelebt hat. Invalide ist er durch den Lanzenstich des Polnischen Ulanen geworden, der ihm den Hüftknochen gesplittert hatte. Die letzte Woche. Die Session der preußischen Kammern ist geschlossen, die letzte Woche des Abgeordnetenhauses war nicht arm an bedeutenden Momenten, Die Majorität war, das empfand man aus jeder Debatte, sich bewußt, daß der Staat in eine Lage gekommen sei, in welcher eine parlamentarische Behandlung der Ge¬ schäfte nicht mehr möglich ist, und in einigen Reden fand diese Stimmung er¬ greifenden Ausdruck. Nach der Sitzung des letzten Tages kann man die An¬ sicht nicht zurückhalten, daß. wenn die Majorität denselben würdigen und entschlossenen Ernst im vorigen Sommer an entscheidenden Tagen bewiesen hätte, vielleicht der Conflict dieses Winters nicht mehr nöthig gewesen wäre. Die kurze Session ist resultatlos. die Dissonanz mißtönender, die Gegensätze schrof¬ fer als je. Und betroffen fragt man: was soll nun werden? Wird das bndget- lose Regieren ein chronisches Leiden sein? Wird der Staat seine Kriegsrüstungen ohne Anleihe durchführen, indem das Ministerium die Gelder nimmt, wo es dieselben findet? Werden Kapitalisten so waghalsig sein, der Politik des gegen¬ wärtigen Ministeriums ihre Millionen anzuvertrauen? Und was schlimmer ist, wird diese Politik gegen die Majorität der deutschen Regierungen, gegen die Lebensinteressen des preußischen Staats fortgeführt werden bis zu einer Kalamität, bei weicher Eigensinn und Partcihaß im allgemeinen Elend untergehn? Wir meinen, das wirkliche Sachverhältniß ist nicht so ungünstig, als es zur Zeit noch erscheint. Die Volksvertretung Preußens hat in dem Kampfe dieses Winters allerdings keinen Sieg erfochten, ja sie hat in mancher Beziehung Rück¬ schritte gemacht. Die Einwirkungen des Ministeriums auf die Wahlen haben ein Resultat gehabt, welches die Zuversicht der Opposition verringerte. Daß dieses Ministerium fast dreißig Anhänger mehr in die zweite Kammer brachte und 26*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/205>, abgerufen am 04.05.2024.