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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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der Preis einer Beharrlichkeit sein, welche dem ersten Andringen einer so¬
phistischen und gewaltthätigen Politik wenigstens die eigene Person entgegen¬
stellt bis zum Aeußersten.




Eine unter obigem Titel in den Grenzboten vom 15. Januar erschienene Corre-
spondenz hat hier in mehr als einer Hinsicht Verwunderung, in mehr als einer
Entrüstung erregt.

Verwunderung über den Leichtsinn, mit welchem der Correspondent sich nicht
einmal die Mühe genommen hat, über die offenkundigsten Thatsachen, wie z. B.
die ist, daß nicht die Bundescommissare, sondern der sächsische Bundesgencral bei
Herrn v. Plessen einquartiert ist, sich gehörig zu informiren.

Entrüstung über die Art und Weise, wie vom Dreifuße herab über die "Classe"
der Herren von' der Universität gesprochen wird, der Universität, die, wenn irgend
eine Körperschaft, sich durch ihr mannhaftes Verhalten den wärmsten Dank jedes
guten Schleswig-Holstcincrs erworben hat und von Anfang an recht eigentlich der
Kern gewesen ist, an den sich der Widerstand gegen die dänischen Zumuthungen an¬
schloß. Statt es mit patriotischer Freude zu constatiren, daß die ganze Universität
den ungerechten Eid verweigert hat und daß an dem Bewußtsein, mit den Starken
zu stehen, auch die Schwächeren erstarkt sind, hat der Korrespondent nach einem
fast widerwillig abgetragenen Zoll der Anerkennung nichts Nöthigeres zu thun, als
etwaigen Dissonanzen in jener Harmonie emsig nachzuspüren. Statt dessen würde
er besser gethan haben, die Versammlung in Erinnerung zu bringen, in der gleich
am ersten Abende fast alle Lehrer der Universität, ältere wie jüngere, verbunden mit
den meisten übrigen Beamten, sich einstimmig für Verweigerung des Homagialeides
entschieden hatten.

Man muß zu der Zeit, als die für Ablegung des Eides von den Dänen ge¬
stellte Frist lief, als Aller Augen auf die Hauptstadt und ihre Beamten gerichtet
waren, als das sonst so bedächtige Holstenvolk in fieberhafter Aufregung erhalten
ward, in Kiel gewesen sein, um sich eine richtige Vorstellung von der Buntheit der
damals sich kreuzenden Gerüchte zu bilden: kaum eine bekanntere Persönlichkeit, über
die man nicht die bestimmte Versicherung erhalten hätte, sie werde schwören oder sie
werde nicht schwören, kaum eine, die nicht in die Kategorien der Enischiedcncn oder
der Unentschiedenen eingereiht worden wäre, mitunter sogar von den Einen in
diese, von den Andern in die entgegengesetzte. Von einzelnen optimistischen Urtheilen,
die damals sehr zuversichtlich gefällt wurden, ist man später zurückgekommen; eine


der Preis einer Beharrlichkeit sein, welche dem ersten Andringen einer so¬
phistischen und gewaltthätigen Politik wenigstens die eigene Person entgegen¬
stellt bis zum Aeußersten.




Eine unter obigem Titel in den Grenzboten vom 15. Januar erschienene Corre-
spondenz hat hier in mehr als einer Hinsicht Verwunderung, in mehr als einer
Entrüstung erregt.

Verwunderung über den Leichtsinn, mit welchem der Correspondent sich nicht
einmal die Mühe genommen hat, über die offenkundigsten Thatsachen, wie z. B.
die ist, daß nicht die Bundescommissare, sondern der sächsische Bundesgencral bei
Herrn v. Plessen einquartiert ist, sich gehörig zu informiren.

Entrüstung über die Art und Weise, wie vom Dreifuße herab über die „Classe"
der Herren von' der Universität gesprochen wird, der Universität, die, wenn irgend
eine Körperschaft, sich durch ihr mannhaftes Verhalten den wärmsten Dank jedes
guten Schleswig-Holstcincrs erworben hat und von Anfang an recht eigentlich der
Kern gewesen ist, an den sich der Widerstand gegen die dänischen Zumuthungen an¬
schloß. Statt es mit patriotischer Freude zu constatiren, daß die ganze Universität
den ungerechten Eid verweigert hat und daß an dem Bewußtsein, mit den Starken
zu stehen, auch die Schwächeren erstarkt sind, hat der Korrespondent nach einem
fast widerwillig abgetragenen Zoll der Anerkennung nichts Nöthigeres zu thun, als
etwaigen Dissonanzen in jener Harmonie emsig nachzuspüren. Statt dessen würde
er besser gethan haben, die Versammlung in Erinnerung zu bringen, in der gleich
am ersten Abende fast alle Lehrer der Universität, ältere wie jüngere, verbunden mit
den meisten übrigen Beamten, sich einstimmig für Verweigerung des Homagialeides
entschieden hatten.

Man muß zu der Zeit, als die für Ablegung des Eides von den Dänen ge¬
stellte Frist lief, als Aller Augen auf die Hauptstadt und ihre Beamten gerichtet
waren, als das sonst so bedächtige Holstenvolk in fieberhafter Aufregung erhalten
ward, in Kiel gewesen sein, um sich eine richtige Vorstellung von der Buntheit der
damals sich kreuzenden Gerüchte zu bilden: kaum eine bekanntere Persönlichkeit, über
die man nicht die bestimmte Versicherung erhalten hätte, sie werde schwören oder sie
werde nicht schwören, kaum eine, die nicht in die Kategorien der Enischiedcncn oder
der Unentschiedenen eingereiht worden wäre, mitunter sogar von den Einen in
diese, von den Andern in die entgegengesetzte. Von einzelnen optimistischen Urtheilen,
die damals sehr zuversichtlich gefällt wurden, ist man später zurückgekommen; eine


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[0208] der Preis einer Beharrlichkeit sein, welche dem ersten Andringen einer so¬ phistischen und gewaltthätigen Politik wenigstens die eigene Person entgegen¬ stellt bis zum Aeußersten. Eine unter obigem Titel in den Grenzboten vom 15. Januar erschienene Corre- spondenz hat hier in mehr als einer Hinsicht Verwunderung, in mehr als einer Entrüstung erregt. Verwunderung über den Leichtsinn, mit welchem der Correspondent sich nicht einmal die Mühe genommen hat, über die offenkundigsten Thatsachen, wie z. B. die ist, daß nicht die Bundescommissare, sondern der sächsische Bundesgencral bei Herrn v. Plessen einquartiert ist, sich gehörig zu informiren. Entrüstung über die Art und Weise, wie vom Dreifuße herab über die „Classe" der Herren von' der Universität gesprochen wird, der Universität, die, wenn irgend eine Körperschaft, sich durch ihr mannhaftes Verhalten den wärmsten Dank jedes guten Schleswig-Holstcincrs erworben hat und von Anfang an recht eigentlich der Kern gewesen ist, an den sich der Widerstand gegen die dänischen Zumuthungen an¬ schloß. Statt es mit patriotischer Freude zu constatiren, daß die ganze Universität den ungerechten Eid verweigert hat und daß an dem Bewußtsein, mit den Starken zu stehen, auch die Schwächeren erstarkt sind, hat der Korrespondent nach einem fast widerwillig abgetragenen Zoll der Anerkennung nichts Nöthigeres zu thun, als etwaigen Dissonanzen in jener Harmonie emsig nachzuspüren. Statt dessen würde er besser gethan haben, die Versammlung in Erinnerung zu bringen, in der gleich am ersten Abende fast alle Lehrer der Universität, ältere wie jüngere, verbunden mit den meisten übrigen Beamten, sich einstimmig für Verweigerung des Homagialeides entschieden hatten. Man muß zu der Zeit, als die für Ablegung des Eides von den Dänen ge¬ stellte Frist lief, als Aller Augen auf die Hauptstadt und ihre Beamten gerichtet waren, als das sonst so bedächtige Holstenvolk in fieberhafter Aufregung erhalten ward, in Kiel gewesen sein, um sich eine richtige Vorstellung von der Buntheit der damals sich kreuzenden Gerüchte zu bilden: kaum eine bekanntere Persönlichkeit, über die man nicht die bestimmte Versicherung erhalten hätte, sie werde schwören oder sie werde nicht schwören, kaum eine, die nicht in die Kategorien der Enischiedcncn oder der Unentschiedenen eingereiht worden wäre, mitunter sogar von den Einen in diese, von den Andern in die entgegengesetzte. Von einzelnen optimistischen Urtheilen, die damals sehr zuversichtlich gefällt wurden, ist man später zurückgekommen; eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/208>, abgerufen am 04.05.2024.