Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Die neuen Johanniter.

Wie der alte Johanniterorden entstand und blühte, und wie er nach einem
thatenreichen Leben, erst im heiligen Lande, dann auf Rhodus, zuletzt auf
Malta, allmälig verwelkte, ist hinreichend bekannt. Auch daß derselbe noch
jetzt als katholischer Orden fortbesteht, wenn auch ohne die frühern Zwecke und
Mittel, wird denen, die sich für dergleichen Reste des Mittelalters interessiren,
nicht unbekannt sein. Weniger dagegen vermuthlich, wie unsere evangelischen
Johanniter ihren Ursprung nahmen und sich gestalteten, und da diese Körper,
schaft jetzt auf den Schlachtfeldern Schleswigs von sich reden macht, mag es
zeitgemäß sein, Näheres über sie zu erfahren. Hören wir sie darum von einem
aus ihrer Mitte schildern*), und zwar, ohne dem Berichterstatter unnöthig drein
zu reden. Einer weiteren Charakteristik der Herren bedarf es nicht, doch werden
wir zum Schluß nicht umhin können, im Stillen zu zweifeln, ob alle derselben
dem Orden und vor allem sich persönlich so erhabene Ziele stecken und von
so gottseliger Romantik erfüllt sind wie unser Ritter. Ja es wird möglicher¬
weise Leser geben, welche ein und das andere Ordensmitglied im Verdacht haben,
das achtspitzige Kreuz nicht so sehr als Zeichen der Waller auf dem Pfade zum
himmlischen Jerusalem, als vielmehr deshalb genommen zu haben, weil eine



*) Elend und Hilfe, Aufsätze, zusammengestellt von Ernst Graf Lippe-Weißen-
feld. Berlin, L. Raub. 18">4. 204 S. Der Verfasser, der Kreuzzcitungspartei, aber einer ehrlichen und gutmüthigen Fraction
derselben, angehörig, giebt uns eine Sammlung von Abhandlungen über allerlei Themata,
die in näherer oder entfernterer Beziehung zur Wohlthätigkeit, bisweilen in sehr entfernter
Beziehung zu dieser Tugend stehen: über die Vereine und Orden, die jetzt in Schleswig die
Verwundeten Pflegen, Rettungsböten in den Alpen und Rettungsboote in England, evan¬
gelische Jünglingsvereine, das Saufen in früheren Jahrhunderten, Vibelfrauc". Bibelgesell¬
schaften u. d. Auch zwei Predigten hat er seinem Buche einzuverleiben für dienlich erachtet.
Seine Urtheile über sociale und religiöse Fragen sind nicht die unsern, ja wir möchten uns
erlauben, manche davon fast für komisch zu halten; doch ehren wir sein überall hcrausblickendcs
gutes Herz, das freilich wieder sich etwas weniger pathetisch äußern könnte. Uebrigens hat
er manche hübsche Notiz zusammengetragen, und schließlich mag erwähnt sein, daß der Ertrag
des Buchs einem wohlthätigen Zwecke bestimmt ist.
Grenzboten III. 1864. 21
Die neuen Johanniter.

Wie der alte Johanniterorden entstand und blühte, und wie er nach einem
thatenreichen Leben, erst im heiligen Lande, dann auf Rhodus, zuletzt auf
Malta, allmälig verwelkte, ist hinreichend bekannt. Auch daß derselbe noch
jetzt als katholischer Orden fortbesteht, wenn auch ohne die frühern Zwecke und
Mittel, wird denen, die sich für dergleichen Reste des Mittelalters interessiren,
nicht unbekannt sein. Weniger dagegen vermuthlich, wie unsere evangelischen
Johanniter ihren Ursprung nahmen und sich gestalteten, und da diese Körper,
schaft jetzt auf den Schlachtfeldern Schleswigs von sich reden macht, mag es
zeitgemäß sein, Näheres über sie zu erfahren. Hören wir sie darum von einem
aus ihrer Mitte schildern*), und zwar, ohne dem Berichterstatter unnöthig drein
zu reden. Einer weiteren Charakteristik der Herren bedarf es nicht, doch werden
wir zum Schluß nicht umhin können, im Stillen zu zweifeln, ob alle derselben
dem Orden und vor allem sich persönlich so erhabene Ziele stecken und von
so gottseliger Romantik erfüllt sind wie unser Ritter. Ja es wird möglicher¬
weise Leser geben, welche ein und das andere Ordensmitglied im Verdacht haben,
das achtspitzige Kreuz nicht so sehr als Zeichen der Waller auf dem Pfade zum
himmlischen Jerusalem, als vielmehr deshalb genommen zu haben, weil eine



*) Elend und Hilfe, Aufsätze, zusammengestellt von Ernst Graf Lippe-Weißen-
feld. Berlin, L. Raub. 18«>4. 204 S. Der Verfasser, der Kreuzzcitungspartei, aber einer ehrlichen und gutmüthigen Fraction
derselben, angehörig, giebt uns eine Sammlung von Abhandlungen über allerlei Themata,
die in näherer oder entfernterer Beziehung zur Wohlthätigkeit, bisweilen in sehr entfernter
Beziehung zu dieser Tugend stehen: über die Vereine und Orden, die jetzt in Schleswig die
Verwundeten Pflegen, Rettungsböten in den Alpen und Rettungsboote in England, evan¬
gelische Jünglingsvereine, das Saufen in früheren Jahrhunderten, Vibelfrauc». Bibelgesell¬
schaften u. d. Auch zwei Predigten hat er seinem Buche einzuverleiben für dienlich erachtet.
Seine Urtheile über sociale und religiöse Fragen sind nicht die unsern, ja wir möchten uns
erlauben, manche davon fast für komisch zu halten; doch ehren wir sein überall hcrausblickendcs
gutes Herz, das freilich wieder sich etwas weniger pathetisch äußern könnte. Uebrigens hat
er manche hübsche Notiz zusammengetragen, und schließlich mag erwähnt sein, daß der Ertrag
des Buchs einem wohlthätigen Zwecke bestimmt ist.
Grenzboten III. 1864. 21
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0169" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189264"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die neuen Johanniter.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_532"> Wie der alte Johanniterorden entstand und blühte, und wie er nach einem<lb/>
thatenreichen Leben, erst im heiligen Lande, dann auf Rhodus, zuletzt auf<lb/>
Malta, allmälig verwelkte, ist hinreichend bekannt. Auch daß derselbe noch<lb/>
jetzt als katholischer Orden fortbesteht, wenn auch ohne die frühern Zwecke und<lb/>
Mittel, wird denen, die sich für dergleichen Reste des Mittelalters interessiren,<lb/>
nicht unbekannt sein. Weniger dagegen vermuthlich, wie unsere evangelischen<lb/>
Johanniter ihren Ursprung nahmen und sich gestalteten, und da diese Körper,<lb/>
schaft jetzt auf den Schlachtfeldern Schleswigs von sich reden macht, mag es<lb/>
zeitgemäß sein, Näheres über sie zu erfahren. Hören wir sie darum von einem<lb/>
aus ihrer Mitte schildern*), und zwar, ohne dem Berichterstatter unnöthig drein<lb/>
zu reden. Einer weiteren Charakteristik der Herren bedarf es nicht, doch werden<lb/>
wir zum Schluß nicht umhin können, im Stillen zu zweifeln, ob alle derselben<lb/>
dem Orden und vor allem sich persönlich so erhabene Ziele stecken und von<lb/>
so gottseliger Romantik erfüllt sind wie unser Ritter. Ja es wird möglicher¬<lb/>
weise Leser geben, welche ein und das andere Ordensmitglied im Verdacht haben,<lb/>
das achtspitzige Kreuz nicht so sehr als Zeichen der Waller auf dem Pfade zum<lb/>
himmlischen Jerusalem, als vielmehr deshalb genommen zu haben, weil eine</p><lb/>
          <note xml:id="FID_8" place="foot">
            <p xml:id="ID_533"> *) Elend und Hilfe, Aufsätze, zusammengestellt von Ernst Graf Lippe-Weißen-<lb/>
feld.  Berlin, L. Raub.  18«&gt;4.  204 S.</p>
            <p xml:id="ID_534" next="#ID_535"> Der Verfasser, der Kreuzzcitungspartei, aber einer ehrlichen und gutmüthigen Fraction<lb/>
derselben, angehörig, giebt uns eine Sammlung von Abhandlungen über allerlei Themata,<lb/>
die in näherer oder entfernterer Beziehung zur Wohlthätigkeit, bisweilen in sehr entfernter<lb/>
Beziehung zu dieser Tugend stehen: über die Vereine und Orden, die jetzt in Schleswig die<lb/>
Verwundeten Pflegen, Rettungsböten in den Alpen und Rettungsboote in England, evan¬<lb/>
gelische Jünglingsvereine, das Saufen in früheren Jahrhunderten, Vibelfrauc». Bibelgesell¬<lb/>
schaften u. d. Auch zwei Predigten hat er seinem Buche einzuverleiben für dienlich erachtet.<lb/>
Seine Urtheile über sociale und religiöse Fragen sind nicht die unsern, ja wir möchten uns<lb/>
erlauben, manche davon fast für komisch zu halten; doch ehren wir sein überall hcrausblickendcs<lb/>
gutes Herz, das freilich wieder sich etwas weniger pathetisch äußern könnte. Uebrigens hat<lb/>
er manche hübsche Notiz zusammengetragen, und schließlich mag erwähnt sein, daß der Ertrag<lb/>
des Buchs einem wohlthätigen Zwecke bestimmt ist.</p>
          </note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1864. 21</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0169] Die neuen Johanniter. Wie der alte Johanniterorden entstand und blühte, und wie er nach einem thatenreichen Leben, erst im heiligen Lande, dann auf Rhodus, zuletzt auf Malta, allmälig verwelkte, ist hinreichend bekannt. Auch daß derselbe noch jetzt als katholischer Orden fortbesteht, wenn auch ohne die frühern Zwecke und Mittel, wird denen, die sich für dergleichen Reste des Mittelalters interessiren, nicht unbekannt sein. Weniger dagegen vermuthlich, wie unsere evangelischen Johanniter ihren Ursprung nahmen und sich gestalteten, und da diese Körper, schaft jetzt auf den Schlachtfeldern Schleswigs von sich reden macht, mag es zeitgemäß sein, Näheres über sie zu erfahren. Hören wir sie darum von einem aus ihrer Mitte schildern*), und zwar, ohne dem Berichterstatter unnöthig drein zu reden. Einer weiteren Charakteristik der Herren bedarf es nicht, doch werden wir zum Schluß nicht umhin können, im Stillen zu zweifeln, ob alle derselben dem Orden und vor allem sich persönlich so erhabene Ziele stecken und von so gottseliger Romantik erfüllt sind wie unser Ritter. Ja es wird möglicher¬ weise Leser geben, welche ein und das andere Ordensmitglied im Verdacht haben, das achtspitzige Kreuz nicht so sehr als Zeichen der Waller auf dem Pfade zum himmlischen Jerusalem, als vielmehr deshalb genommen zu haben, weil eine *) Elend und Hilfe, Aufsätze, zusammengestellt von Ernst Graf Lippe-Weißen- feld. Berlin, L. Raub. 18«>4. 204 S. Der Verfasser, der Kreuzzcitungspartei, aber einer ehrlichen und gutmüthigen Fraction derselben, angehörig, giebt uns eine Sammlung von Abhandlungen über allerlei Themata, die in näherer oder entfernterer Beziehung zur Wohlthätigkeit, bisweilen in sehr entfernter Beziehung zu dieser Tugend stehen: über die Vereine und Orden, die jetzt in Schleswig die Verwundeten Pflegen, Rettungsböten in den Alpen und Rettungsboote in England, evan¬ gelische Jünglingsvereine, das Saufen in früheren Jahrhunderten, Vibelfrauc». Bibelgesell¬ schaften u. d. Auch zwei Predigten hat er seinem Buche einzuverleiben für dienlich erachtet. Seine Urtheile über sociale und religiöse Fragen sind nicht die unsern, ja wir möchten uns erlauben, manche davon fast für komisch zu halten; doch ehren wir sein überall hcrausblickendcs gutes Herz, das freilich wieder sich etwas weniger pathetisch äußern könnte. Uebrigens hat er manche hübsche Notiz zusammengetragen, und schließlich mag erwähnt sein, daß der Ertrag des Buchs einem wohlthätigen Zwecke bestimmt ist. Grenzboten III. 1864. 21

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/169
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/169>, abgerufen am 03.05.2024.