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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Die Oestreicher im Schleswig-holsteinischen Kriege.
i.

Nicht ohne Grund beschuldigte man noch vor wenigen Jahren die Militärs
verschiedener kleiner Staaten der Schreibseligkeit und einer gewissen Ruhmredig¬
keit in Betreff ihrer in früheren Kriegen vollbrachten Thaten, Andererseits soll
der schweizerische General Dufour, sonst kein sonderlicher Freund der Oestreicher,
sich einst über die Leistungen der Truppen Radetzkys geäußert haben, daß ihm
das geringe Aufheben, welches dieselben von ihren Thaten machten, am besten
gefalle.

Die letzten fünfzehn Jahre haben dies geändert. Einige wirklich befähigte
Schriftsteller und eine Legion geiht- und gesinnungsloser Scribenten haben in
dieser Zeit die Welt mit einer Fluth von kleineren und größeren Arbeiten aus
dem Gebiete der östreichischen Kriegsgeschichte überschwemmt, und die Schönfärberei
mancher dieser Herren hat geradezu Wunder gethan. Den Gipfel dieser Art
von Kriegsgcschichtschreibung hat man aber erst jetzt in der periodischen Presse er-
reicht, nach deren Expectorationen man meinen sollte, Thaten wie die des Feld¬
zugs in Schleswig und Jütland seien in der östreichischen Geschichte, ja in der
Geschichte der Welt noch nicht dagewesen, und Namen wie Belgrad und Aspern,
Collin und Novara, Eugen, London und Radetzky nichts gegen Jagel, Oeversee
und Valle, Gondrecourt und Gablenz.

Laudon erklärte nach der Schlacht bei Liegnitz, die er übrigens nur durch
Verschulden Dauns verlor, daß "er nun wieder gar viele Siege erfechten müsse,
um diese Scharte auszuwetzen". Wie ganz anders denken jene, welche durch
einige glückliche, aber nichts entscheidende Gefechte und die Besitznahme einer
verlassenen Festung die Erinnerung an den von beispiellosem Ungeschick und
unausgesetzten Niederlagen begleiteten Feldzug von 1859 verwischt zu haben
vermeinen! Und obschon neuerdings die überlegene Taktik und die höhere Intel¬
ligenz der Führer und der einzelnen Krieger bei den Preußen unwiderlegbar
zur Geltung kamen, kann man gleichwohl in der östreichischen Presse -- und zwar
nicht allein in dem offiziösen Theile derselben -- die unübertreffliche Tüchtigkeit
und die fast unglaublichen Leistungen und Erfolge der östreichischen Armee und


Grenzboten III. 18V4. 26
Die Oestreicher im Schleswig-holsteinischen Kriege.
i.

Nicht ohne Grund beschuldigte man noch vor wenigen Jahren die Militärs
verschiedener kleiner Staaten der Schreibseligkeit und einer gewissen Ruhmredig¬
keit in Betreff ihrer in früheren Kriegen vollbrachten Thaten, Andererseits soll
der schweizerische General Dufour, sonst kein sonderlicher Freund der Oestreicher,
sich einst über die Leistungen der Truppen Radetzkys geäußert haben, daß ihm
das geringe Aufheben, welches dieselben von ihren Thaten machten, am besten
gefalle.

Die letzten fünfzehn Jahre haben dies geändert. Einige wirklich befähigte
Schriftsteller und eine Legion geiht- und gesinnungsloser Scribenten haben in
dieser Zeit die Welt mit einer Fluth von kleineren und größeren Arbeiten aus
dem Gebiete der östreichischen Kriegsgeschichte überschwemmt, und die Schönfärberei
mancher dieser Herren hat geradezu Wunder gethan. Den Gipfel dieser Art
von Kriegsgcschichtschreibung hat man aber erst jetzt in der periodischen Presse er-
reicht, nach deren Expectorationen man meinen sollte, Thaten wie die des Feld¬
zugs in Schleswig und Jütland seien in der östreichischen Geschichte, ja in der
Geschichte der Welt noch nicht dagewesen, und Namen wie Belgrad und Aspern,
Collin und Novara, Eugen, London und Radetzky nichts gegen Jagel, Oeversee
und Valle, Gondrecourt und Gablenz.

Laudon erklärte nach der Schlacht bei Liegnitz, die er übrigens nur durch
Verschulden Dauns verlor, daß „er nun wieder gar viele Siege erfechten müsse,
um diese Scharte auszuwetzen". Wie ganz anders denken jene, welche durch
einige glückliche, aber nichts entscheidende Gefechte und die Besitznahme einer
verlassenen Festung die Erinnerung an den von beispiellosem Ungeschick und
unausgesetzten Niederlagen begleiteten Feldzug von 1859 verwischt zu haben
vermeinen! Und obschon neuerdings die überlegene Taktik und die höhere Intel¬
ligenz der Führer und der einzelnen Krieger bei den Preußen unwiderlegbar
zur Geltung kamen, kann man gleichwohl in der östreichischen Presse — und zwar
nicht allein in dem offiziösen Theile derselben — die unübertreffliche Tüchtigkeit
und die fast unglaublichen Leistungen und Erfolge der östreichischen Armee und


Grenzboten III. 18V4. 26
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[0209] Die Oestreicher im Schleswig-holsteinischen Kriege. i. Nicht ohne Grund beschuldigte man noch vor wenigen Jahren die Militärs verschiedener kleiner Staaten der Schreibseligkeit und einer gewissen Ruhmredig¬ keit in Betreff ihrer in früheren Kriegen vollbrachten Thaten, Andererseits soll der schweizerische General Dufour, sonst kein sonderlicher Freund der Oestreicher, sich einst über die Leistungen der Truppen Radetzkys geäußert haben, daß ihm das geringe Aufheben, welches dieselben von ihren Thaten machten, am besten gefalle. Die letzten fünfzehn Jahre haben dies geändert. Einige wirklich befähigte Schriftsteller und eine Legion geiht- und gesinnungsloser Scribenten haben in dieser Zeit die Welt mit einer Fluth von kleineren und größeren Arbeiten aus dem Gebiete der östreichischen Kriegsgeschichte überschwemmt, und die Schönfärberei mancher dieser Herren hat geradezu Wunder gethan. Den Gipfel dieser Art von Kriegsgcschichtschreibung hat man aber erst jetzt in der periodischen Presse er- reicht, nach deren Expectorationen man meinen sollte, Thaten wie die des Feld¬ zugs in Schleswig und Jütland seien in der östreichischen Geschichte, ja in der Geschichte der Welt noch nicht dagewesen, und Namen wie Belgrad und Aspern, Collin und Novara, Eugen, London und Radetzky nichts gegen Jagel, Oeversee und Valle, Gondrecourt und Gablenz. Laudon erklärte nach der Schlacht bei Liegnitz, die er übrigens nur durch Verschulden Dauns verlor, daß „er nun wieder gar viele Siege erfechten müsse, um diese Scharte auszuwetzen". Wie ganz anders denken jene, welche durch einige glückliche, aber nichts entscheidende Gefechte und die Besitznahme einer verlassenen Festung die Erinnerung an den von beispiellosem Ungeschick und unausgesetzten Niederlagen begleiteten Feldzug von 1859 verwischt zu haben vermeinen! Und obschon neuerdings die überlegene Taktik und die höhere Intel¬ ligenz der Führer und der einzelnen Krieger bei den Preußen unwiderlegbar zur Geltung kamen, kann man gleichwohl in der östreichischen Presse — und zwar nicht allein in dem offiziösen Theile derselben — die unübertreffliche Tüchtigkeit und die fast unglaublichen Leistungen und Erfolge der östreichischen Armee und Grenzboten III. 18V4. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/209>, abgerufen am 03.05.2024.