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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Die gegenwärtigen Zustände der östreichischen Marine.

Die östreichische Manne ist nicht gleich der Armee und den meisten Zweigen
der Staatsverwaltung durch die gegenwärtige Regierung nur vergrößert oder
umgestaltet worden, sondern eine ganz neue Schöpfung, in welcher kaum noch
einige Atome der ehemaligen östreichischen Seemacht zu entdecken sind. Außer¬
ordentlich groß waren die Lasten, welche den Finanzen durch die Gründung und
Erhaltung derselben aufgebürdet wurden, und die Anstrengungen einsichtsvoller
Männer, eine an Begeisterung grenzende geneigte Stimmung der Bevölkerung,
wenigstens einiger Städte und Gebiete des Reiches, und die stete Mitwirkung
der Armee, welcher bis auf die neueste Zeit die Marine als ein integrirender
Theil angehörte, vereinigten sich mit andern günstigen Factoren, sie zu fördern,
und gleichwohl gewähren die Zustände dieses Institutes in keiner Beziehung
einen besonders erfreulichen Anblick. Große Ideen und geniale Entwürfe ein¬
zelner befähigter Männer von Ignoranten nach einem kleinlichen Maßstabe und
in absurder Weise ausgeführt, anderseits wieder die Ausführung der gering¬
fügigsten Dinge mit dem höchsten materiellen und intellektuellen Aufwande. eine
bis zum Komischen getriebene Controle und daneben doch eine heillose Ver-
splitterung der Staatsgelder, Betrügereien und Unterschleife, Knickerei an dem
Unentbehrlichen und Verschwendung ungeheurer Summen für Ueberflüssigkeiten,
Haschen nach äußerem Glanz und Streben nach der Zufriedenheit hochgestellter,
aber auf diesem Gebiete unwissender und darum durch Blendwerke leicht zu
täuschender Persönlichkeiten, dabei Vernachlässigung des wahrhaft Guten und
Vortheilhaften -- mit diesen keineswegs übertriebenen Worten würde ein un¬
parteiischer Geschichtsschreiber die Zustände der östreichischen Marine ungefähr
zu skizziren haben.

Wenn bei einem Heere das lebende Material der wichtigste Factor ist und
das todte mehr in den Hintergrund tritt, indem letzteres, trotz seiner unlciug-
baren Wichtigkeit, doch nur eine Frage der Zeit ist, sind bei einer Marine beide
Factoren mindestens von gleicher Bedeutung, wenn auch zugegeben werden muß.
daß undisciplinirte oder zaghafte und ungeschickte Matrosen auf den vortrefflichsten
Schiffen eine üble Rolle spielen würden. Während die Anschaffung und Er-


Grenzboten III. 1864, 41
Die gegenwärtigen Zustände der östreichischen Marine.

Die östreichische Manne ist nicht gleich der Armee und den meisten Zweigen
der Staatsverwaltung durch die gegenwärtige Regierung nur vergrößert oder
umgestaltet worden, sondern eine ganz neue Schöpfung, in welcher kaum noch
einige Atome der ehemaligen östreichischen Seemacht zu entdecken sind. Außer¬
ordentlich groß waren die Lasten, welche den Finanzen durch die Gründung und
Erhaltung derselben aufgebürdet wurden, und die Anstrengungen einsichtsvoller
Männer, eine an Begeisterung grenzende geneigte Stimmung der Bevölkerung,
wenigstens einiger Städte und Gebiete des Reiches, und die stete Mitwirkung
der Armee, welcher bis auf die neueste Zeit die Marine als ein integrirender
Theil angehörte, vereinigten sich mit andern günstigen Factoren, sie zu fördern,
und gleichwohl gewähren die Zustände dieses Institutes in keiner Beziehung
einen besonders erfreulichen Anblick. Große Ideen und geniale Entwürfe ein¬
zelner befähigter Männer von Ignoranten nach einem kleinlichen Maßstabe und
in absurder Weise ausgeführt, anderseits wieder die Ausführung der gering¬
fügigsten Dinge mit dem höchsten materiellen und intellektuellen Aufwande. eine
bis zum Komischen getriebene Controle und daneben doch eine heillose Ver-
splitterung der Staatsgelder, Betrügereien und Unterschleife, Knickerei an dem
Unentbehrlichen und Verschwendung ungeheurer Summen für Ueberflüssigkeiten,
Haschen nach äußerem Glanz und Streben nach der Zufriedenheit hochgestellter,
aber auf diesem Gebiete unwissender und darum durch Blendwerke leicht zu
täuschender Persönlichkeiten, dabei Vernachlässigung des wahrhaft Guten und
Vortheilhaften — mit diesen keineswegs übertriebenen Worten würde ein un¬
parteiischer Geschichtsschreiber die Zustände der östreichischen Marine ungefähr
zu skizziren haben.

Wenn bei einem Heere das lebende Material der wichtigste Factor ist und
das todte mehr in den Hintergrund tritt, indem letzteres, trotz seiner unlciug-
baren Wichtigkeit, doch nur eine Frage der Zeit ist, sind bei einer Marine beide
Factoren mindestens von gleicher Bedeutung, wenn auch zugegeben werden muß.
daß undisciplinirte oder zaghafte und ungeschickte Matrosen auf den vortrefflichsten
Schiffen eine üble Rolle spielen würden. Während die Anschaffung und Er-


Grenzboten III. 1864, 41
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[0329] Die gegenwärtigen Zustände der östreichischen Marine. Die östreichische Manne ist nicht gleich der Armee und den meisten Zweigen der Staatsverwaltung durch die gegenwärtige Regierung nur vergrößert oder umgestaltet worden, sondern eine ganz neue Schöpfung, in welcher kaum noch einige Atome der ehemaligen östreichischen Seemacht zu entdecken sind. Außer¬ ordentlich groß waren die Lasten, welche den Finanzen durch die Gründung und Erhaltung derselben aufgebürdet wurden, und die Anstrengungen einsichtsvoller Männer, eine an Begeisterung grenzende geneigte Stimmung der Bevölkerung, wenigstens einiger Städte und Gebiete des Reiches, und die stete Mitwirkung der Armee, welcher bis auf die neueste Zeit die Marine als ein integrirender Theil angehörte, vereinigten sich mit andern günstigen Factoren, sie zu fördern, und gleichwohl gewähren die Zustände dieses Institutes in keiner Beziehung einen besonders erfreulichen Anblick. Große Ideen und geniale Entwürfe ein¬ zelner befähigter Männer von Ignoranten nach einem kleinlichen Maßstabe und in absurder Weise ausgeführt, anderseits wieder die Ausführung der gering¬ fügigsten Dinge mit dem höchsten materiellen und intellektuellen Aufwande. eine bis zum Komischen getriebene Controle und daneben doch eine heillose Ver- splitterung der Staatsgelder, Betrügereien und Unterschleife, Knickerei an dem Unentbehrlichen und Verschwendung ungeheurer Summen für Ueberflüssigkeiten, Haschen nach äußerem Glanz und Streben nach der Zufriedenheit hochgestellter, aber auf diesem Gebiete unwissender und darum durch Blendwerke leicht zu täuschender Persönlichkeiten, dabei Vernachlässigung des wahrhaft Guten und Vortheilhaften — mit diesen keineswegs übertriebenen Worten würde ein un¬ parteiischer Geschichtsschreiber die Zustände der östreichischen Marine ungefähr zu skizziren haben. Wenn bei einem Heere das lebende Material der wichtigste Factor ist und das todte mehr in den Hintergrund tritt, indem letzteres, trotz seiner unlciug- baren Wichtigkeit, doch nur eine Frage der Zeit ist, sind bei einer Marine beide Factoren mindestens von gleicher Bedeutung, wenn auch zugegeben werden muß. daß undisciplinirte oder zaghafte und ungeschickte Matrosen auf den vortrefflichsten Schiffen eine üble Rolle spielen würden. Während die Anschaffung und Er- Grenzboten III. 1864, 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/329>, abgerufen am 03.05.2024.