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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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es verlieren werde; welche Rückwirkung daraus für die katholischen Einzelkirchen,
für das ganze Verhältniß von Kirche und Staat erfolgen werde, alle diese Fra¬
gen treten im Augenblick zurück gegen die Debatten, welche am 24. October im
Palast Carignan eröffnet werden. Vielleicht wäre es klüger gewesen, die Kam¬
mern sofort unter dem ersten günstigen Eindruck einzuberufen. Der Vertrag ist
besser auszuführen als zu discutiren. Jetzt haben die Elemente der Opposition
Zeit für ihre zersetzenden Intriguen gewonnen. Aber auch der besonnene Theil
der Nation hat inzwischen Zeit gehabt sich zu sammeln und seine Ansicht zu
klären, und wenn irgendetwas im Stande ist, dem Parlamente den Entschluß
zu erleichtern, so ist es das Beispiel Victor Emcinuels, der auch diesmal, ob¬
wohl er das schwerste Opfer zu bringen hatte, mit Selbstverläugnung voran¬
gegangen ist, und dessen Wagniß, seine Residenz nach Florenz zu verlegen,
kaum geringer ist als dasjenige, vor welchem er vor vier Jahren nicht zurück¬
schreckte, als er sein Erbe kühn an die Krone von Italien setzte.


W. L.


Die letzten Wochen deutscher Politik.

Nach vielen Winkelzügen der Dänen sind die Friedensverhandlungen in
gutem Fortgange. Es ist jetzt Grund zu der Hoffnung, daß die nächsten Wochen
uns den Abschluß des Friedenswerkes bringen. Die Verhandlungen wären
wesentlich erleichtert, wenn die deutschen Großmächte den Zwang der kriegerischen
Erfolge benutzt hätten, um Dänemark nicht erst zu Verhandlungen um den Frieden,
sondern zu definitiven Abschluß der Hauptpunkte zu veranlassen. Daß man
einen peinlichen Schwebezustand zwischen Krieg und Frieden duldete, war eine
Uebereilung, welche alles in Gefahr zu stellen drohte. Von den Dänen wäre
damals ebensowohl eine Unterzeichnung der Friedenspunl'te zu erlangen gewesen,
als dies Jnterimisticum. Napoleon der Dritte verstand besser Eisen zu schmie¬
den, da es warm war. Er schloß den Frieden von Villafranca, und ließ darauf
die Verhandlungen über das Detail folgen. Glücklicherweise sind die Hoff¬
nungen, welche man in Kopenhagen auf eine mögliche Aenderung der Situa¬
tion baute, nicht in Erfüllung gegangen, die unvorsichtige Behandlung des
Feindes wird ohne wesentlichen Nachtheil bleiben.

Wir dürfen die Herzogthümer jetzt als gerettetes Land betrachten und dieser


es verlieren werde; welche Rückwirkung daraus für die katholischen Einzelkirchen,
für das ganze Verhältniß von Kirche und Staat erfolgen werde, alle diese Fra¬
gen treten im Augenblick zurück gegen die Debatten, welche am 24. October im
Palast Carignan eröffnet werden. Vielleicht wäre es klüger gewesen, die Kam¬
mern sofort unter dem ersten günstigen Eindruck einzuberufen. Der Vertrag ist
besser auszuführen als zu discutiren. Jetzt haben die Elemente der Opposition
Zeit für ihre zersetzenden Intriguen gewonnen. Aber auch der besonnene Theil
der Nation hat inzwischen Zeit gehabt sich zu sammeln und seine Ansicht zu
klären, und wenn irgendetwas im Stande ist, dem Parlamente den Entschluß
zu erleichtern, so ist es das Beispiel Victor Emcinuels, der auch diesmal, ob¬
wohl er das schwerste Opfer zu bringen hatte, mit Selbstverläugnung voran¬
gegangen ist, und dessen Wagniß, seine Residenz nach Florenz zu verlegen,
kaum geringer ist als dasjenige, vor welchem er vor vier Jahren nicht zurück¬
schreckte, als er sein Erbe kühn an die Krone von Italien setzte.


W. L.


Die letzten Wochen deutscher Politik.

Nach vielen Winkelzügen der Dänen sind die Friedensverhandlungen in
gutem Fortgange. Es ist jetzt Grund zu der Hoffnung, daß die nächsten Wochen
uns den Abschluß des Friedenswerkes bringen. Die Verhandlungen wären
wesentlich erleichtert, wenn die deutschen Großmächte den Zwang der kriegerischen
Erfolge benutzt hätten, um Dänemark nicht erst zu Verhandlungen um den Frieden,
sondern zu definitiven Abschluß der Hauptpunkte zu veranlassen. Daß man
einen peinlichen Schwebezustand zwischen Krieg und Frieden duldete, war eine
Uebereilung, welche alles in Gefahr zu stellen drohte. Von den Dänen wäre
damals ebensowohl eine Unterzeichnung der Friedenspunl'te zu erlangen gewesen,
als dies Jnterimisticum. Napoleon der Dritte verstand besser Eisen zu schmie¬
den, da es warm war. Er schloß den Frieden von Villafranca, und ließ darauf
die Verhandlungen über das Detail folgen. Glücklicherweise sind die Hoff¬
nungen, welche man in Kopenhagen auf eine mögliche Aenderung der Situa¬
tion baute, nicht in Erfüllung gegangen, die unvorsichtige Behandlung des
Feindes wird ohne wesentlichen Nachtheil bleiben.

Wir dürfen die Herzogthümer jetzt als gerettetes Land betrachten und dieser


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[0152] es verlieren werde; welche Rückwirkung daraus für die katholischen Einzelkirchen, für das ganze Verhältniß von Kirche und Staat erfolgen werde, alle diese Fra¬ gen treten im Augenblick zurück gegen die Debatten, welche am 24. October im Palast Carignan eröffnet werden. Vielleicht wäre es klüger gewesen, die Kam¬ mern sofort unter dem ersten günstigen Eindruck einzuberufen. Der Vertrag ist besser auszuführen als zu discutiren. Jetzt haben die Elemente der Opposition Zeit für ihre zersetzenden Intriguen gewonnen. Aber auch der besonnene Theil der Nation hat inzwischen Zeit gehabt sich zu sammeln und seine Ansicht zu klären, und wenn irgendetwas im Stande ist, dem Parlamente den Entschluß zu erleichtern, so ist es das Beispiel Victor Emcinuels, der auch diesmal, ob¬ wohl er das schwerste Opfer zu bringen hatte, mit Selbstverläugnung voran¬ gegangen ist, und dessen Wagniß, seine Residenz nach Florenz zu verlegen, kaum geringer ist als dasjenige, vor welchem er vor vier Jahren nicht zurück¬ schreckte, als er sein Erbe kühn an die Krone von Italien setzte. W. L. Die letzten Wochen deutscher Politik. Nach vielen Winkelzügen der Dänen sind die Friedensverhandlungen in gutem Fortgange. Es ist jetzt Grund zu der Hoffnung, daß die nächsten Wochen uns den Abschluß des Friedenswerkes bringen. Die Verhandlungen wären wesentlich erleichtert, wenn die deutschen Großmächte den Zwang der kriegerischen Erfolge benutzt hätten, um Dänemark nicht erst zu Verhandlungen um den Frieden, sondern zu definitiven Abschluß der Hauptpunkte zu veranlassen. Daß man einen peinlichen Schwebezustand zwischen Krieg und Frieden duldete, war eine Uebereilung, welche alles in Gefahr zu stellen drohte. Von den Dänen wäre damals ebensowohl eine Unterzeichnung der Friedenspunl'te zu erlangen gewesen, als dies Jnterimisticum. Napoleon der Dritte verstand besser Eisen zu schmie¬ den, da es warm war. Er schloß den Frieden von Villafranca, und ließ darauf die Verhandlungen über das Detail folgen. Glücklicherweise sind die Hoff¬ nungen, welche man in Kopenhagen auf eine mögliche Aenderung der Situa¬ tion baute, nicht in Erfüllung gegangen, die unvorsichtige Behandlung des Feindes wird ohne wesentlichen Nachtheil bleiben. Wir dürfen die Herzogthümer jetzt als gerettetes Land betrachten und dieser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/152>, abgerufen am 05.05.2024.