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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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Ein Volksbuch über die Völkerschlacht.

Die Völkerschlacht bei Leipzig nach den Hauptzügen ihres Verlaufs und ihrer Be¬
deutung für Deutschlands Schule und Haus dargestellt von Julius Königcr,
Hauptm. im gr. Hess, dritten Infanterieregiment. Leipzig, S. Hirzel.

Mancher, der der literarischen Festgaben zum Schlachtjubiläum des vorigen
Jahres gedenkt, wird die Literatur des größten Ereignisses unsrer modernen
Kriegsgeschichte wenn nicht für immer, so doch für sehr lange Zeit als ab¬
geschlossen betrachten. Von allen Seiten, von berufenen und von unberufenen
Händen wurden damals Spenden dargebracht, und wären die Federn, welche
vorm Jahre zur Feier der großen Tage sich in Bewegung setzten, plötzlich
zu ihren Müttern zurückgekehrt und auf den Schwingen ihrer Lieferanten
über die Felder unsrer Stadt dahergerauscht, vielleicht wäre die über Erwarten
festlich strahlende Sonne von diesem Schwärme doch verdunkelt worden. Die
Gelegenheitsproducte, welche damals sich auf den Markt drängten, theilten sich ,
in verschiedene Classen: die Einen wollten für irgendeine Tendenz Proselyten
machen, sei es nun, daß der Accent den östreichischen, sei es, daß er preußischen
Lorbeern zu Gute kommen sollte; andere begnügten sich, längst Anerkanntes zu
wiederholen und, wie es dabei in der Regel geschieht, "gelassene Worte groß
auszusprechen;" noch andere konnten nur mit hegelschcm Erklärungsgrunde von
sich sagen, daß sie wären, damit sie seien und waren ebendeshalb einer bal¬
digen Vergessenheit gewiß. Nur für wenige war das Jubiläum blos der glück¬
liche Zeitpunkt zum Erscheinen; den meisten war es Grund, Ermöglichung,
Anfang und Ende der Existenz zugleich, der reale Zweck aber einzig der buch¬
händlerische: gekauft zu werden. Im Ganzen, darf man sagen, war der lite¬
rarische Ertrag qualitativ unverhältnismäßig geringer als quantitativ, so wenig
auch geläugnet werden soll und seiner Zeit geläugnet worden ist, daß etliches
recht Treffliche und Erfreuliche dabei abfiel.

Geschlossen aber sind die Acten der Geschichte des leipziger Kampfes noch
lange nicht. Nicht für den Geschichtsforscher; denn wenn auch die großen Her¬
gange dieser Schlachten mit leidlicher Sicherheit feststehen und in ihrer Abfolge,
ihrem relativen und absoluten Werthe begriffen, auch wohl eine gute Fülle von
Einzelheiten herbeigeschafft und in das Gesammtbild verwebt sind, so ist das
doch bisher nur stellenweise gelungen und es bleibt noch gar viel zu thun, um
Vollständigkeit zu erreichen. Man sollte, wie dies auch hin und wieder ge-
schieht, aber doch noch mit zu engem localen Interesse betrieben wird, fleißig
Details sammeln, alles Beglaubigte bewahren und gelegentlich veröffentlichen.


Grenzboten IV. 1864. 20
Ein Volksbuch über die Völkerschlacht.

Die Völkerschlacht bei Leipzig nach den Hauptzügen ihres Verlaufs und ihrer Be¬
deutung für Deutschlands Schule und Haus dargestellt von Julius Königcr,
Hauptm. im gr. Hess, dritten Infanterieregiment. Leipzig, S. Hirzel.

Mancher, der der literarischen Festgaben zum Schlachtjubiläum des vorigen
Jahres gedenkt, wird die Literatur des größten Ereignisses unsrer modernen
Kriegsgeschichte wenn nicht für immer, so doch für sehr lange Zeit als ab¬
geschlossen betrachten. Von allen Seiten, von berufenen und von unberufenen
Händen wurden damals Spenden dargebracht, und wären die Federn, welche
vorm Jahre zur Feier der großen Tage sich in Bewegung setzten, plötzlich
zu ihren Müttern zurückgekehrt und auf den Schwingen ihrer Lieferanten
über die Felder unsrer Stadt dahergerauscht, vielleicht wäre die über Erwarten
festlich strahlende Sonne von diesem Schwärme doch verdunkelt worden. Die
Gelegenheitsproducte, welche damals sich auf den Markt drängten, theilten sich ,
in verschiedene Classen: die Einen wollten für irgendeine Tendenz Proselyten
machen, sei es nun, daß der Accent den östreichischen, sei es, daß er preußischen
Lorbeern zu Gute kommen sollte; andere begnügten sich, längst Anerkanntes zu
wiederholen und, wie es dabei in der Regel geschieht, „gelassene Worte groß
auszusprechen;" noch andere konnten nur mit hegelschcm Erklärungsgrunde von
sich sagen, daß sie wären, damit sie seien und waren ebendeshalb einer bal¬
digen Vergessenheit gewiß. Nur für wenige war das Jubiläum blos der glück¬
liche Zeitpunkt zum Erscheinen; den meisten war es Grund, Ermöglichung,
Anfang und Ende der Existenz zugleich, der reale Zweck aber einzig der buch¬
händlerische: gekauft zu werden. Im Ganzen, darf man sagen, war der lite¬
rarische Ertrag qualitativ unverhältnismäßig geringer als quantitativ, so wenig
auch geläugnet werden soll und seiner Zeit geläugnet worden ist, daß etliches
recht Treffliche und Erfreuliche dabei abfiel.

Geschlossen aber sind die Acten der Geschichte des leipziger Kampfes noch
lange nicht. Nicht für den Geschichtsforscher; denn wenn auch die großen Her¬
gange dieser Schlachten mit leidlicher Sicherheit feststehen und in ihrer Abfolge,
ihrem relativen und absoluten Werthe begriffen, auch wohl eine gute Fülle von
Einzelheiten herbeigeschafft und in das Gesammtbild verwebt sind, so ist das
doch bisher nur stellenweise gelungen und es bleibt noch gar viel zu thun, um
Vollständigkeit zu erreichen. Man sollte, wie dies auch hin und wieder ge-
schieht, aber doch noch mit zu engem localen Interesse betrieben wird, fleißig
Details sammeln, alles Beglaubigte bewahren und gelegentlich veröffentlichen.


Grenzboten IV. 1864. 20
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[0157] Ein Volksbuch über die Völkerschlacht. Die Völkerschlacht bei Leipzig nach den Hauptzügen ihres Verlaufs und ihrer Be¬ deutung für Deutschlands Schule und Haus dargestellt von Julius Königcr, Hauptm. im gr. Hess, dritten Infanterieregiment. Leipzig, S. Hirzel. Mancher, der der literarischen Festgaben zum Schlachtjubiläum des vorigen Jahres gedenkt, wird die Literatur des größten Ereignisses unsrer modernen Kriegsgeschichte wenn nicht für immer, so doch für sehr lange Zeit als ab¬ geschlossen betrachten. Von allen Seiten, von berufenen und von unberufenen Händen wurden damals Spenden dargebracht, und wären die Federn, welche vorm Jahre zur Feier der großen Tage sich in Bewegung setzten, plötzlich zu ihren Müttern zurückgekehrt und auf den Schwingen ihrer Lieferanten über die Felder unsrer Stadt dahergerauscht, vielleicht wäre die über Erwarten festlich strahlende Sonne von diesem Schwärme doch verdunkelt worden. Die Gelegenheitsproducte, welche damals sich auf den Markt drängten, theilten sich , in verschiedene Classen: die Einen wollten für irgendeine Tendenz Proselyten machen, sei es nun, daß der Accent den östreichischen, sei es, daß er preußischen Lorbeern zu Gute kommen sollte; andere begnügten sich, längst Anerkanntes zu wiederholen und, wie es dabei in der Regel geschieht, „gelassene Worte groß auszusprechen;" noch andere konnten nur mit hegelschcm Erklärungsgrunde von sich sagen, daß sie wären, damit sie seien und waren ebendeshalb einer bal¬ digen Vergessenheit gewiß. Nur für wenige war das Jubiläum blos der glück¬ liche Zeitpunkt zum Erscheinen; den meisten war es Grund, Ermöglichung, Anfang und Ende der Existenz zugleich, der reale Zweck aber einzig der buch¬ händlerische: gekauft zu werden. Im Ganzen, darf man sagen, war der lite¬ rarische Ertrag qualitativ unverhältnismäßig geringer als quantitativ, so wenig auch geläugnet werden soll und seiner Zeit geläugnet worden ist, daß etliches recht Treffliche und Erfreuliche dabei abfiel. Geschlossen aber sind die Acten der Geschichte des leipziger Kampfes noch lange nicht. Nicht für den Geschichtsforscher; denn wenn auch die großen Her¬ gange dieser Schlachten mit leidlicher Sicherheit feststehen und in ihrer Abfolge, ihrem relativen und absoluten Werthe begriffen, auch wohl eine gute Fülle von Einzelheiten herbeigeschafft und in das Gesammtbild verwebt sind, so ist das doch bisher nur stellenweise gelungen und es bleibt noch gar viel zu thun, um Vollständigkeit zu erreichen. Man sollte, wie dies auch hin und wieder ge- schieht, aber doch noch mit zu engem localen Interesse betrieben wird, fleißig Details sammeln, alles Beglaubigte bewahren und gelegentlich veröffentlichen. Grenzboten IV. 1864. 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/157>, abgerufen am 05.05.2024.