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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

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vcmbcr 1812 zu Insbruck geboren, trat in den Staatsdienst, beschäftigte sich
außerdem viel mit Poesie, ohne jedoch jene ästhetische Bildung zu erwerben,
welche für einen modernen Dichter nothwendige Voraussetzung ist. Daher sind
seine Gedichte von sehr ungleichem Werth, manche schwülstig und mittelmäßig,
ja schlecht, andere vortrefflich. wie z. B. sein Jesuitenlied, wohl das Schärfste.
>emals gegen diesen mächtigen Orden geschleudert ^wurde. Er konnte der¬
artige Poesien natürlich nicht drucken lassen, wollte er in Oestreich nicht Amt
und Brod verlieren. Einzelne seiner Dichtungen haben, abgesehen von dem
poetischen Werthe, Bedeutung für unsere Zeitgeschichte, weil sie schriftlich von
Hand zu Hand gingen und oft schlagend wirkten. Wahrhaft komisch ist das
bombastische Gedicht, worin er die Vereinigung Tirols mit Oestreich besingt --
durchaus vfsiciöscr Beamtenstil. Der Liberalismus von Gilm versandte seine
scharfen Pfeile fast ausschließlich gegen die Pfaffen und ihr Treiben. Eine Aus¬
wahl seiner Gedichte wäre sehr willkommen, denn er besaß unbestreitbar ein
großes lyrisches Talent. Erstarb am 31. Mai als Statthaltcreisecretär zu Linz.

Unsre Leute im Süden beschäftigt begreiflicherweise der von den Welschtirolern
beabsichtigte Pulses; man fühlt, daß der Boden nach allen Richtungen unter¬
wühlt ist und bangt vor dem Frühjahr, welches uns vielleicht einen Krieg bringt.
Von dem Gang der Untersuchung. die in Insbruck gegen die verhafteten Jta-
lianissimi geführt wird, hören wir selbstverständlich sehr wenig, nur sollen manche
sehr compromittirt sein. Wie hoch die Fluth der Leidenschaft gestiegen ist, be¬
weist am besten die Tollheit des ganzen Projectes. von welchem sogar Garibaldi
in einer Berathung zu Brescia abmahnte.

Die Stimmung ist bei uns durchaus nicht fröhlich, es steigen eben zu viel
Wolken auf, die nach der Meinung der Metcreologcn Sturm bedeuten.




Die diesjährige berliner Kunstausstellung.
(4. -- Schluß.) '

Die originellsten Talente, die geistreichste Erfindungskraft, das tieueste
Naturstudium und eine Ausbildung der malerischen Technik, welche die Gemälde
anderer Gattung, zunächst die geschichtlichen, weit übertrifft, finden wir auf dem
Gebiete des Genres. Kraus, Vautier, Riefstahl, Paul und Eduard


vcmbcr 1812 zu Insbruck geboren, trat in den Staatsdienst, beschäftigte sich
außerdem viel mit Poesie, ohne jedoch jene ästhetische Bildung zu erwerben,
welche für einen modernen Dichter nothwendige Voraussetzung ist. Daher sind
seine Gedichte von sehr ungleichem Werth, manche schwülstig und mittelmäßig,
ja schlecht, andere vortrefflich. wie z. B. sein Jesuitenlied, wohl das Schärfste.
>emals gegen diesen mächtigen Orden geschleudert ^wurde. Er konnte der¬
artige Poesien natürlich nicht drucken lassen, wollte er in Oestreich nicht Amt
und Brod verlieren. Einzelne seiner Dichtungen haben, abgesehen von dem
poetischen Werthe, Bedeutung für unsere Zeitgeschichte, weil sie schriftlich von
Hand zu Hand gingen und oft schlagend wirkten. Wahrhaft komisch ist das
bombastische Gedicht, worin er die Vereinigung Tirols mit Oestreich besingt —
durchaus vfsiciöscr Beamtenstil. Der Liberalismus von Gilm versandte seine
scharfen Pfeile fast ausschließlich gegen die Pfaffen und ihr Treiben. Eine Aus¬
wahl seiner Gedichte wäre sehr willkommen, denn er besaß unbestreitbar ein
großes lyrisches Talent. Erstarb am 31. Mai als Statthaltcreisecretär zu Linz.

Unsre Leute im Süden beschäftigt begreiflicherweise der von den Welschtirolern
beabsichtigte Pulses; man fühlt, daß der Boden nach allen Richtungen unter¬
wühlt ist und bangt vor dem Frühjahr, welches uns vielleicht einen Krieg bringt.
Von dem Gang der Untersuchung. die in Insbruck gegen die verhafteten Jta-
lianissimi geführt wird, hören wir selbstverständlich sehr wenig, nur sollen manche
sehr compromittirt sein. Wie hoch die Fluth der Leidenschaft gestiegen ist, be¬
weist am besten die Tollheit des ganzen Projectes. von welchem sogar Garibaldi
in einer Berathung zu Brescia abmahnte.

Die Stimmung ist bei uns durchaus nicht fröhlich, es steigen eben zu viel
Wolken auf, die nach der Meinung der Metcreologcn Sturm bedeuten.




Die diesjährige berliner Kunstausstellung.
(4. — Schluß.) '

Die originellsten Talente, die geistreichste Erfindungskraft, das tieueste
Naturstudium und eine Ausbildung der malerischen Technik, welche die Gemälde
anderer Gattung, zunächst die geschichtlichen, weit übertrifft, finden wir auf dem
Gebiete des Genres. Kraus, Vautier, Riefstahl, Paul und Eduard


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/342>, abgerufen am 05.05.2024.