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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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enthalten wollen, weil er so treffend den akademischen Standpunkt bezeichnet.
Nachdem der Vorwurf des Dünkels, welcher der Anstalt gemacht worden war,
mit würdiger Fassung abgewiesen ist, werden schließlich -- von dem Schrift¬
führer der Akademie, durch dessen Mund doch wohl diese selber spricht -- ihre
Mitglieder als Männer bezeichnet, "welche durch ihre künstlerischen Leistungen
(als ob diese hierher gehörten) wenigstens zu den namhaftesten im In- und
Ausland geehrtester der Gegenwart gehören." zum Argument, so scheint es,
daß menschliches Irren an diese Region nicht hinanrciche, für den Leser aber
zum tröstlichen Beweis, daß es auch im neunzehnten Jahrhundert noch Akademie-
Professoren giebt, denen es "bei ihrer Gottähnlichkeit nicht bange" wird.

Doch genug von der Akademie und davon, was sie für die Kunstbildung
leisten sollte und in Wirklichkeit nicht leistet. Was sonst in München für die¬
selbe, namentlich durch die Erhaltung und Pflege der alten Kunstwerke ge¬
schieht x>> , davon im nächsten Capitel.




Räuberleben und Gaunerthum bei Griechen und Römern.

Bei den Epigonen der beiden classischen Völker des Alterthums ist bekannt¬
lich die Sicherheit des Eigenthums, ja des Lebens seit undenklicher Zeit nie
ganz ungefährdet gewesen. Der Hang zu wildem, abenteuernden Treiben ist be¬
sonders den Gebirgsbewohnern angeboren und die Neigung zu gewaltsamer
Selbsthilfe hat nach und nach dem Morde sein Ungewöhnliches genommen, selbst
den Abscheu vor dem Mörder gemildert. Nur einzelnen energischen Regenten ist
es gelungen, durch Handhabung unerbittlicher Strenge größere Achtung gegen
das Gesetz zu erzielen. Das Uebel kehrte aber immer wieder und besonders
in Zeiten politischer Verwirrung wuchs die Unsicherheit in schreckenerregender
Weise. Gerade jetzt wagt es wieder einmal der Reisende nicht, ohne Bedeckung
die Hauptstadt des griechischen Königreiches nur einige Stunden weit zu ver¬
lassen und in Italien beschäftigt der Kampf mit den nur zu gern nach dem
politischen Deckmantel haschenden Briganten die volle Aufmerksamkeit und Kraft
der herrschenden Gewalt. Diese Erscheinungen greifen bis in das classische
Alterthum zurück. Allein eine kurze Vergleichung zeigt doch, daß dergleichen
Unordnungen dort der eigentlichen guten Zeit fremd waren, daß sie am häufig-


enthalten wollen, weil er so treffend den akademischen Standpunkt bezeichnet.
Nachdem der Vorwurf des Dünkels, welcher der Anstalt gemacht worden war,
mit würdiger Fassung abgewiesen ist, werden schließlich — von dem Schrift¬
führer der Akademie, durch dessen Mund doch wohl diese selber spricht — ihre
Mitglieder als Männer bezeichnet, „welche durch ihre künstlerischen Leistungen
(als ob diese hierher gehörten) wenigstens zu den namhaftesten im In- und
Ausland geehrtester der Gegenwart gehören." zum Argument, so scheint es,
daß menschliches Irren an diese Region nicht hinanrciche, für den Leser aber
zum tröstlichen Beweis, daß es auch im neunzehnten Jahrhundert noch Akademie-
Professoren giebt, denen es „bei ihrer Gottähnlichkeit nicht bange" wird.

Doch genug von der Akademie und davon, was sie für die Kunstbildung
leisten sollte und in Wirklichkeit nicht leistet. Was sonst in München für die¬
selbe, namentlich durch die Erhaltung und Pflege der alten Kunstwerke ge¬
schieht x>> , davon im nächsten Capitel.




Räuberleben und Gaunerthum bei Griechen und Römern.

Bei den Epigonen der beiden classischen Völker des Alterthums ist bekannt¬
lich die Sicherheit des Eigenthums, ja des Lebens seit undenklicher Zeit nie
ganz ungefährdet gewesen. Der Hang zu wildem, abenteuernden Treiben ist be¬
sonders den Gebirgsbewohnern angeboren und die Neigung zu gewaltsamer
Selbsthilfe hat nach und nach dem Morde sein Ungewöhnliches genommen, selbst
den Abscheu vor dem Mörder gemildert. Nur einzelnen energischen Regenten ist
es gelungen, durch Handhabung unerbittlicher Strenge größere Achtung gegen
das Gesetz zu erzielen. Das Uebel kehrte aber immer wieder und besonders
in Zeiten politischer Verwirrung wuchs die Unsicherheit in schreckenerregender
Weise. Gerade jetzt wagt es wieder einmal der Reisende nicht, ohne Bedeckung
die Hauptstadt des griechischen Königreiches nur einige Stunden weit zu ver¬
lassen und in Italien beschäftigt der Kampf mit den nur zu gern nach dem
politischen Deckmantel haschenden Briganten die volle Aufmerksamkeit und Kraft
der herrschenden Gewalt. Diese Erscheinungen greifen bis in das classische
Alterthum zurück. Allein eine kurze Vergleichung zeigt doch, daß dergleichen
Unordnungen dort der eigentlichen guten Zeit fremd waren, daß sie am häufig-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/108>, abgerufen am 29.04.2024.