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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Zur Geschichte des Mrstenvereins von Verona.

Es wird immer lehrreich sein, die Genesis der reactionären Gewaltstreiche,
an denen die zwanziger Jahre unsers Jahrhunderts so reich sind, genau kennen
zu lernen. Als ein Beitrag hierzu mag die folgende Aufzeichnung dienen, die
sich in den Papieren eines mit Mettenrich enge befreundeten deutschen Staats¬
mannes fand. Nach den Mittheilungen über die drei Fürstenvereine, die wir
Gervinus verdanken (Gesch. d. 19. Jahrh. IV. S. 785--877) ist sachlich nicht
mehr viel Neues zu erwarten. Dennoch ist die vorliegende Aufzeichnung nicht
ohne Interesse, weil sie präciser, als dies Gervinus vermochte, für alle in
Verona zu behandelnden Furgen das Stadium feststellt, in welchem sich die¬
selben zur Zeit der dem Kongresse vorausgehenden Besprechungen der Minister
zu Wien befanden. Wir lasse" die Aufzeichnung selbst folgen:

Bei den vorläufigen Besprechungen, welche in Wien Statt hatten, sind
sämmtliche Minister übercingel'omnem, die Berathungen des Kongresses in Ve¬
rona (welchem der Name"Cabinetsverein" beigelegt wird) ans folgende Gegenstände
zu beschränken:

I. Orient.

Die Hauptfrage ist als entschieden zu betrachten und es kann von einem
Krieg mit der Pforte um so weniger mehr die Rede sein, als Rußland sich jetzt
rictu mehr in eine Fehde einlassen wird, die es früher mit weit mehr Vortheil
hätte beginnen könne". Die Erhaltung des Friedens ist dciniiach nicht mehr
zu bezweifeln und es handelt sich dermalen mehr um die Formen der noch zu
beendigenden Negvtiationcn, als um die Resultate, die vo" denselben zu er¬
warten sind. Zu Gunsten der Griechen soll von Verona aus noch ein letzter
kräftiger Versuch gemacht werden, von dem aber wenig zu erwarten steht, weil
das türkische Eabinet hartnäckig darauf besteht, diese Angelegenheit ohne fremde
Einmischung zu ordnen und verlangt, daß man sich desfalls auf die feierlichst
gegebenen Zusicherungen einer milden Behandlung und vollkommener Garantie
der Person und des Vermögens aller Griechen, welche die Waffen niederlegen
und sich unterwerfen, verlassen könne und müsse.-


II. Italien,
a) Neapel.

Nachdem der König von Neapel selbst die Fortbesetzung seines Landes durch
die darin sich befindende östreichische Armee wünscht und bei den Monarchen
feierlich, nachsuchen wird, so wird in Verona von nichts anderem die Rede sein.


Zur Geschichte des Mrstenvereins von Verona.

Es wird immer lehrreich sein, die Genesis der reactionären Gewaltstreiche,
an denen die zwanziger Jahre unsers Jahrhunderts so reich sind, genau kennen
zu lernen. Als ein Beitrag hierzu mag die folgende Aufzeichnung dienen, die
sich in den Papieren eines mit Mettenrich enge befreundeten deutschen Staats¬
mannes fand. Nach den Mittheilungen über die drei Fürstenvereine, die wir
Gervinus verdanken (Gesch. d. 19. Jahrh. IV. S. 785—877) ist sachlich nicht
mehr viel Neues zu erwarten. Dennoch ist die vorliegende Aufzeichnung nicht
ohne Interesse, weil sie präciser, als dies Gervinus vermochte, für alle in
Verona zu behandelnden Furgen das Stadium feststellt, in welchem sich die¬
selben zur Zeit der dem Kongresse vorausgehenden Besprechungen der Minister
zu Wien befanden. Wir lasse» die Aufzeichnung selbst folgen:

Bei den vorläufigen Besprechungen, welche in Wien Statt hatten, sind
sämmtliche Minister übercingel'omnem, die Berathungen des Kongresses in Ve¬
rona (welchem der Name„Cabinetsverein" beigelegt wird) ans folgende Gegenstände
zu beschränken:

I. Orient.

Die Hauptfrage ist als entschieden zu betrachten und es kann von einem
Krieg mit der Pforte um so weniger mehr die Rede sein, als Rußland sich jetzt
rictu mehr in eine Fehde einlassen wird, die es früher mit weit mehr Vortheil
hätte beginnen könne». Die Erhaltung des Friedens ist dciniiach nicht mehr
zu bezweifeln und es handelt sich dermalen mehr um die Formen der noch zu
beendigenden Negvtiationcn, als um die Resultate, die vo» denselben zu er¬
warten sind. Zu Gunsten der Griechen soll von Verona aus noch ein letzter
kräftiger Versuch gemacht werden, von dem aber wenig zu erwarten steht, weil
das türkische Eabinet hartnäckig darauf besteht, diese Angelegenheit ohne fremde
Einmischung zu ordnen und verlangt, daß man sich desfalls auf die feierlichst
gegebenen Zusicherungen einer milden Behandlung und vollkommener Garantie
der Person und des Vermögens aller Griechen, welche die Waffen niederlegen
und sich unterwerfen, verlassen könne und müsse.-


II. Italien,
a) Neapel.

Nachdem der König von Neapel selbst die Fortbesetzung seines Landes durch
die darin sich befindende östreichische Armee wünscht und bei den Monarchen
feierlich, nachsuchen wird, so wird in Verona von nichts anderem die Rede sein.


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[0124] Zur Geschichte des Mrstenvereins von Verona. Es wird immer lehrreich sein, die Genesis der reactionären Gewaltstreiche, an denen die zwanziger Jahre unsers Jahrhunderts so reich sind, genau kennen zu lernen. Als ein Beitrag hierzu mag die folgende Aufzeichnung dienen, die sich in den Papieren eines mit Mettenrich enge befreundeten deutschen Staats¬ mannes fand. Nach den Mittheilungen über die drei Fürstenvereine, die wir Gervinus verdanken (Gesch. d. 19. Jahrh. IV. S. 785—877) ist sachlich nicht mehr viel Neues zu erwarten. Dennoch ist die vorliegende Aufzeichnung nicht ohne Interesse, weil sie präciser, als dies Gervinus vermochte, für alle in Verona zu behandelnden Furgen das Stadium feststellt, in welchem sich die¬ selben zur Zeit der dem Kongresse vorausgehenden Besprechungen der Minister zu Wien befanden. Wir lasse» die Aufzeichnung selbst folgen: Bei den vorläufigen Besprechungen, welche in Wien Statt hatten, sind sämmtliche Minister übercingel'omnem, die Berathungen des Kongresses in Ve¬ rona (welchem der Name„Cabinetsverein" beigelegt wird) ans folgende Gegenstände zu beschränken: I. Orient. Die Hauptfrage ist als entschieden zu betrachten und es kann von einem Krieg mit der Pforte um so weniger mehr die Rede sein, als Rußland sich jetzt rictu mehr in eine Fehde einlassen wird, die es früher mit weit mehr Vortheil hätte beginnen könne». Die Erhaltung des Friedens ist dciniiach nicht mehr zu bezweifeln und es handelt sich dermalen mehr um die Formen der noch zu beendigenden Negvtiationcn, als um die Resultate, die vo» denselben zu er¬ warten sind. Zu Gunsten der Griechen soll von Verona aus noch ein letzter kräftiger Versuch gemacht werden, von dem aber wenig zu erwarten steht, weil das türkische Eabinet hartnäckig darauf besteht, diese Angelegenheit ohne fremde Einmischung zu ordnen und verlangt, daß man sich desfalls auf die feierlichst gegebenen Zusicherungen einer milden Behandlung und vollkommener Garantie der Person und des Vermögens aller Griechen, welche die Waffen niederlegen und sich unterwerfen, verlassen könne und müsse.- II. Italien, a) Neapel. Nachdem der König von Neapel selbst die Fortbesetzung seines Landes durch die darin sich befindende östreichische Armee wünscht und bei den Monarchen feierlich, nachsuchen wird, so wird in Verona von nichts anderem die Rede sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/124>, abgerufen am 29.04.2024.