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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Die Entstehung der Banken und Pfandhäuser in Deutschland.

Geschichte des Wuchers in Deutschland bis zur Gründung der heutigen
Zinsengesche, aus handschriftlichen und gedruckten Quellen dargestellt von
Max.Neumann, Dr. und Docenten der Rechte an der Universität Bses-
lau. Halle 1865.

Das Recht der römisch-katholischen Kirche untersagte in weitester Aus¬
dehnung, die Nutzung fremden Capitales zu vergüten. Als dieses Zinsenver¬
bot, ausgerüstet mit der ganzen geistlichen und weltlichen Macht der Kirche,
vornehmlich seit der Zeit der Karolinger in Deutschland Eingang gewann, fand
es in den weltlichen Gesetzen der Kaiser, Landesfürsten, Städte, in den Nechts-
büchern u. s. w. fast bedingungslose Anerkennung; in dem Betriebe des täg¬
lichen Verkehrs dagegen wurde es, sobald dieser sich weiter ausbildete und be¬
sonders den persönlichen Credit entwickelte, als naturwidrig auf das heftigste
bekämpft. Am Ende dieses großartigen und in der Geschichte des Rechtes
und der Volkswirthschaft einzigen Kampfes, dessen Detail obige Schrift mit
vielen neuen Resultaten für die deutsche Jurisprudenz und Nationalökonomie
streng quellenmäßig darlegt, zwang der Verkehr im sechzehnten Jahrhundert die
Gesetzgeber, wenigstens die 5 und 6 Procent Zinsen anzuerkennen, an deren
Schranke wir eben jetzt zur völligen Beseitigung jenes kirchlichen Zincverbvtes
n,it aller Macht rütteln. Aber bereits im Mittelalter vermochte das Wucher¬
gesetz unsere Gesetzgeber doch nicht so weit von dem natürlichen Boden des
Capitalvcrkehrs zu entfernen, daß sie nicht, entsprechend der Natur des deut¬
schen Rechtes. in einigen wichtigen Ausnahmen die Forderung von vereinbarten
Zinsen für die vertragsmäßige Nutzung fremden Capitales gestatteten. Eine
dieser Ausnahmen bilden die zinsbaren Darlehne der Wechsler.

Seit früher Zeit erforderten die deutschen Münzzustände den Ge¬
schäftsbetrieb von Wechslern. Da nämlich die Kaiser das Münzregal als Kauf-
Waare. Geschenk oder sonst an geistliche und weltliche Fürsten übertrugen, ent¬
stand im Reiche durch die verschiedenen Münzfüße, durch die absichtliche
oder unabsichtliche Veränderung des Münzgchaltes eine unglaubliche Ver¬
wirrung; diese steigerte sich dadurch, daß die Fürsten das Münzregal als er-


Grenjbote" I. 18V5. 2 t
Die Entstehung der Banken und Pfandhäuser in Deutschland.

Geschichte des Wuchers in Deutschland bis zur Gründung der heutigen
Zinsengesche, aus handschriftlichen und gedruckten Quellen dargestellt von
Max.Neumann, Dr. und Docenten der Rechte an der Universität Bses-
lau. Halle 1865.

Das Recht der römisch-katholischen Kirche untersagte in weitester Aus¬
dehnung, die Nutzung fremden Capitales zu vergüten. Als dieses Zinsenver¬
bot, ausgerüstet mit der ganzen geistlichen und weltlichen Macht der Kirche,
vornehmlich seit der Zeit der Karolinger in Deutschland Eingang gewann, fand
es in den weltlichen Gesetzen der Kaiser, Landesfürsten, Städte, in den Nechts-
büchern u. s. w. fast bedingungslose Anerkennung; in dem Betriebe des täg¬
lichen Verkehrs dagegen wurde es, sobald dieser sich weiter ausbildete und be¬
sonders den persönlichen Credit entwickelte, als naturwidrig auf das heftigste
bekämpft. Am Ende dieses großartigen und in der Geschichte des Rechtes
und der Volkswirthschaft einzigen Kampfes, dessen Detail obige Schrift mit
vielen neuen Resultaten für die deutsche Jurisprudenz und Nationalökonomie
streng quellenmäßig darlegt, zwang der Verkehr im sechzehnten Jahrhundert die
Gesetzgeber, wenigstens die 5 und 6 Procent Zinsen anzuerkennen, an deren
Schranke wir eben jetzt zur völligen Beseitigung jenes kirchlichen Zincverbvtes
n,it aller Macht rütteln. Aber bereits im Mittelalter vermochte das Wucher¬
gesetz unsere Gesetzgeber doch nicht so weit von dem natürlichen Boden des
Capitalvcrkehrs zu entfernen, daß sie nicht, entsprechend der Natur des deut¬
schen Rechtes. in einigen wichtigen Ausnahmen die Forderung von vereinbarten
Zinsen für die vertragsmäßige Nutzung fremden Capitales gestatteten. Eine
dieser Ausnahmen bilden die zinsbaren Darlehne der Wechsler.

Seit früher Zeit erforderten die deutschen Münzzustände den Ge¬
schäftsbetrieb von Wechslern. Da nämlich die Kaiser das Münzregal als Kauf-
Waare. Geschenk oder sonst an geistliche und weltliche Fürsten übertrugen, ent¬
stand im Reiche durch die verschiedenen Münzfüße, durch die absichtliche
oder unabsichtliche Veränderung des Münzgchaltes eine unglaubliche Ver¬
wirrung; diese steigerte sich dadurch, daß die Fürsten das Münzregal als er-


Grenjbote» I. 18V5. 2 t
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[0175] Die Entstehung der Banken und Pfandhäuser in Deutschland. Geschichte des Wuchers in Deutschland bis zur Gründung der heutigen Zinsengesche, aus handschriftlichen und gedruckten Quellen dargestellt von Max.Neumann, Dr. und Docenten der Rechte an der Universität Bses- lau. Halle 1865. Das Recht der römisch-katholischen Kirche untersagte in weitester Aus¬ dehnung, die Nutzung fremden Capitales zu vergüten. Als dieses Zinsenver¬ bot, ausgerüstet mit der ganzen geistlichen und weltlichen Macht der Kirche, vornehmlich seit der Zeit der Karolinger in Deutschland Eingang gewann, fand es in den weltlichen Gesetzen der Kaiser, Landesfürsten, Städte, in den Nechts- büchern u. s. w. fast bedingungslose Anerkennung; in dem Betriebe des täg¬ lichen Verkehrs dagegen wurde es, sobald dieser sich weiter ausbildete und be¬ sonders den persönlichen Credit entwickelte, als naturwidrig auf das heftigste bekämpft. Am Ende dieses großartigen und in der Geschichte des Rechtes und der Volkswirthschaft einzigen Kampfes, dessen Detail obige Schrift mit vielen neuen Resultaten für die deutsche Jurisprudenz und Nationalökonomie streng quellenmäßig darlegt, zwang der Verkehr im sechzehnten Jahrhundert die Gesetzgeber, wenigstens die 5 und 6 Procent Zinsen anzuerkennen, an deren Schranke wir eben jetzt zur völligen Beseitigung jenes kirchlichen Zincverbvtes n,it aller Macht rütteln. Aber bereits im Mittelalter vermochte das Wucher¬ gesetz unsere Gesetzgeber doch nicht so weit von dem natürlichen Boden des Capitalvcrkehrs zu entfernen, daß sie nicht, entsprechend der Natur des deut¬ schen Rechtes. in einigen wichtigen Ausnahmen die Forderung von vereinbarten Zinsen für die vertragsmäßige Nutzung fremden Capitales gestatteten. Eine dieser Ausnahmen bilden die zinsbaren Darlehne der Wechsler. Seit früher Zeit erforderten die deutschen Münzzustände den Ge¬ schäftsbetrieb von Wechslern. Da nämlich die Kaiser das Münzregal als Kauf- Waare. Geschenk oder sonst an geistliche und weltliche Fürsten übertrugen, ent¬ stand im Reiche durch die verschiedenen Münzfüße, durch die absichtliche oder unabsichtliche Veränderung des Münzgchaltes eine unglaubliche Ver¬ wirrung; diese steigerte sich dadurch, daß die Fürsten das Münzregal als er- Grenjbote» I. 18V5. 2 t

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/175>, abgerufen am 29.04.2024.