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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Kleine Artigkeiten und Anzeigen.

Das Dresdner Journal enthält in Ur. 20 vom 25. Januar einen langen
Artikel gegen die gvthaische Partei, zunächst gegen Herrn Professor Hauffer und seine
Publicistischen Parteigenossen, in welchem maßvoll aber unwillig gegen die Idee
eines preußischen deutschen Bundesstaats polemisirt wird. Der Streit darüber ist in
diesem Augenblick für die Tagespresse müßig. Preußen hat gegenwärtig zu viel mit
sich selbst zu thun, als daß es die Bundesverfassung Deutschlands wesentlich alteriren
könnte und das Dresdner Journal sollte dem in Preußen herrschenden System dank¬
bar sein, denn dies ist in der That sein bester Bundesgenosse. Unterdeß wird selbst
während der innern Krisis Preußens das Uebergewicht eines Staates von 19 Millio¬
nen in jeder Richtung des politischen und Verkehrslebens fühlbarer, nicht am wenig¬
sten in Sachsen, gerade hier kann man ruhig der Zeit und gegebenen Verhältnissen
überlassen, die große Frage zur Entscheidung zu bringen. Wenn aber das Dres¬
dener Journal zuletzt auch eine" Artikel der Grenzboten -- die Besprechung des Werkes
Von Treitschke -- heranzieht und ein aufrichtiges Bekenntniß von argen Hintergedanken
der preußischen Partei in den Worten findet, daß jeder Bundesstaat zuletzt
zum Einheitstaat führe, und wenn das Dresdner Journal dies "aufrichtige Be¬
kenntniß" als eine Warnung für seine Leser hinstellt, so wollen wir ihm nachbarNch
bemerken, daß wir mit diesem Bekenntniß durchaus nicht die Absicht verbinden, Re¬
gierungen und Völker durch Empfehlung des Bundesstaates -- wie das Journal
sich ausdrückt -- zu übertölpele. Dieser Ausdruck war am Ende einer schönen
stilistischen Arbeit nicht wohl gewählt. Wir trauen Regierungen und Völkern zuviel
Einsicht zu, als daß sie je in solche ungemüthliche Lage kommen könnten. Wir
meine" die Regierungen werden sich sträuben, so lange sie können, sie werden wie
bisher jedes ihnen mögliche Mittel anwenden, sich der verhaßten Genossenschaft zu
entzieh", im Volke aber wird, wer Urtheilskraft und ein Interesse hat, sich allmälig
Mit und ohne Journalartikel immer mehr von der Nothwendigkeit solcher innern
engern Verbindung überzeugen. Und die Regierungen werden zuletzt durch die In¬
telligenz ihres eigenen Landes, wie durch die unerträglichen Schwierigkeiten ihrer
Lage zur Nachgiebigkeit veranlaßt werden. In der That ist das Dresdner Journal
selbst bereits ein preußisches Opposition""!"". Daß es schreiben kann wie es schreibt,
einem wohlwollenden, grilligen, alten Herrn ähnlich, dem einiger Zank mit seinen
Nachbarn gemüthliches Bedürfniß ist, das verdankt es dem ärgerlichen Preußen allein.
Ohne diese widerwärtige Erfindung der letzten Jahrhunderte würde entweder ein
russischer General oder ein französischer Prüftet seinen Leitartikeln größere Kürze be¬
fehlen; ohne dies lästige Preußen würde es vor ungefähr fünfzehn Jahren die Ver¬
anlassung verloren haben, sich über Bundes- und Einheitsstaat zu betrüben. Ja
noch in den Tagen des Fürstcucongresfts zu Frankfurt wurde es durch das Aus-


Kleine Artigkeiten und Anzeigen.

Das Dresdner Journal enthält in Ur. 20 vom 25. Januar einen langen
Artikel gegen die gvthaische Partei, zunächst gegen Herrn Professor Hauffer und seine
Publicistischen Parteigenossen, in welchem maßvoll aber unwillig gegen die Idee
eines preußischen deutschen Bundesstaats polemisirt wird. Der Streit darüber ist in
diesem Augenblick für die Tagespresse müßig. Preußen hat gegenwärtig zu viel mit
sich selbst zu thun, als daß es die Bundesverfassung Deutschlands wesentlich alteriren
könnte und das Dresdner Journal sollte dem in Preußen herrschenden System dank¬
bar sein, denn dies ist in der That sein bester Bundesgenosse. Unterdeß wird selbst
während der innern Krisis Preußens das Uebergewicht eines Staates von 19 Millio¬
nen in jeder Richtung des politischen und Verkehrslebens fühlbarer, nicht am wenig¬
sten in Sachsen, gerade hier kann man ruhig der Zeit und gegebenen Verhältnissen
überlassen, die große Frage zur Entscheidung zu bringen. Wenn aber das Dres¬
dener Journal zuletzt auch eine» Artikel der Grenzboten — die Besprechung des Werkes
Von Treitschke — heranzieht und ein aufrichtiges Bekenntniß von argen Hintergedanken
der preußischen Partei in den Worten findet, daß jeder Bundesstaat zuletzt
zum Einheitstaat führe, und wenn das Dresdner Journal dies „aufrichtige Be¬
kenntniß" als eine Warnung für seine Leser hinstellt, so wollen wir ihm nachbarNch
bemerken, daß wir mit diesem Bekenntniß durchaus nicht die Absicht verbinden, Re¬
gierungen und Völker durch Empfehlung des Bundesstaates — wie das Journal
sich ausdrückt — zu übertölpele. Dieser Ausdruck war am Ende einer schönen
stilistischen Arbeit nicht wohl gewählt. Wir trauen Regierungen und Völkern zuviel
Einsicht zu, als daß sie je in solche ungemüthliche Lage kommen könnten. Wir
meine» die Regierungen werden sich sträuben, so lange sie können, sie werden wie
bisher jedes ihnen mögliche Mittel anwenden, sich der verhaßten Genossenschaft zu
entzieh», im Volke aber wird, wer Urtheilskraft und ein Interesse hat, sich allmälig
Mit und ohne Journalartikel immer mehr von der Nothwendigkeit solcher innern
engern Verbindung überzeugen. Und die Regierungen werden zuletzt durch die In¬
telligenz ihres eigenen Landes, wie durch die unerträglichen Schwierigkeiten ihrer
Lage zur Nachgiebigkeit veranlaßt werden. In der That ist das Dresdner Journal
selbst bereits ein preußisches Opposition«»!««. Daß es schreiben kann wie es schreibt,
einem wohlwollenden, grilligen, alten Herrn ähnlich, dem einiger Zank mit seinen
Nachbarn gemüthliches Bedürfniß ist, das verdankt es dem ärgerlichen Preußen allein.
Ohne diese widerwärtige Erfindung der letzten Jahrhunderte würde entweder ein
russischer General oder ein französischer Prüftet seinen Leitartikeln größere Kürze be¬
fehlen; ohne dies lästige Preußen würde es vor ungefähr fünfzehn Jahren die Ver¬
anlassung verloren haben, sich über Bundes- und Einheitsstaat zu betrüben. Ja
noch in den Tagen des Fürstcucongresfts zu Frankfurt wurde es durch das Aus-


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[0255] Kleine Artigkeiten und Anzeigen. Das Dresdner Journal enthält in Ur. 20 vom 25. Januar einen langen Artikel gegen die gvthaische Partei, zunächst gegen Herrn Professor Hauffer und seine Publicistischen Parteigenossen, in welchem maßvoll aber unwillig gegen die Idee eines preußischen deutschen Bundesstaats polemisirt wird. Der Streit darüber ist in diesem Augenblick für die Tagespresse müßig. Preußen hat gegenwärtig zu viel mit sich selbst zu thun, als daß es die Bundesverfassung Deutschlands wesentlich alteriren könnte und das Dresdner Journal sollte dem in Preußen herrschenden System dank¬ bar sein, denn dies ist in der That sein bester Bundesgenosse. Unterdeß wird selbst während der innern Krisis Preußens das Uebergewicht eines Staates von 19 Millio¬ nen in jeder Richtung des politischen und Verkehrslebens fühlbarer, nicht am wenig¬ sten in Sachsen, gerade hier kann man ruhig der Zeit und gegebenen Verhältnissen überlassen, die große Frage zur Entscheidung zu bringen. Wenn aber das Dres¬ dener Journal zuletzt auch eine» Artikel der Grenzboten — die Besprechung des Werkes Von Treitschke — heranzieht und ein aufrichtiges Bekenntniß von argen Hintergedanken der preußischen Partei in den Worten findet, daß jeder Bundesstaat zuletzt zum Einheitstaat führe, und wenn das Dresdner Journal dies „aufrichtige Be¬ kenntniß" als eine Warnung für seine Leser hinstellt, so wollen wir ihm nachbarNch bemerken, daß wir mit diesem Bekenntniß durchaus nicht die Absicht verbinden, Re¬ gierungen und Völker durch Empfehlung des Bundesstaates — wie das Journal sich ausdrückt — zu übertölpele. Dieser Ausdruck war am Ende einer schönen stilistischen Arbeit nicht wohl gewählt. Wir trauen Regierungen und Völkern zuviel Einsicht zu, als daß sie je in solche ungemüthliche Lage kommen könnten. Wir meine» die Regierungen werden sich sträuben, so lange sie können, sie werden wie bisher jedes ihnen mögliche Mittel anwenden, sich der verhaßten Genossenschaft zu entzieh», im Volke aber wird, wer Urtheilskraft und ein Interesse hat, sich allmälig Mit und ohne Journalartikel immer mehr von der Nothwendigkeit solcher innern engern Verbindung überzeugen. Und die Regierungen werden zuletzt durch die In¬ telligenz ihres eigenen Landes, wie durch die unerträglichen Schwierigkeiten ihrer Lage zur Nachgiebigkeit veranlaßt werden. In der That ist das Dresdner Journal selbst bereits ein preußisches Opposition«»!««. Daß es schreiben kann wie es schreibt, einem wohlwollenden, grilligen, alten Herrn ähnlich, dem einiger Zank mit seinen Nachbarn gemüthliches Bedürfniß ist, das verdankt es dem ärgerlichen Preußen allein. Ohne diese widerwärtige Erfindung der letzten Jahrhunderte würde entweder ein russischer General oder ein französischer Prüftet seinen Leitartikeln größere Kürze be¬ fehlen; ohne dies lästige Preußen würde es vor ungefähr fünfzehn Jahren die Ver¬ anlassung verloren haben, sich über Bundes- und Einheitsstaat zu betrüben. Ja noch in den Tagen des Fürstcucongresfts zu Frankfurt wurde es durch das Aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/255>, abgerufen am 29.04.2024.