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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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rüchtigte Buch Renans in Tausenden von Exemplaren unter die russischen
Bauern zu verbreiten, und allmälig könnte es ihr gelingen, auch dies gläubige
Volk zu verderben. -- Einen unangenehmen Eindruck macht es, daß die vier
griechischen Wörter, die in der Abhandlung vorkommen, sämmtlich durch Druck¬
fehler entstellt sind, zweimal ö^o? statt ö^o?, /ukro-"ot ohne Accent und /soo-ep
statt /?->^.

Auf den vortrefflichen Aufsatz von Gneist: "Das Repräsentativsystem in
England" haben wir nicht nöthig näher einzugehen, da derselbe im Wesent¬
lichen eine klare und scharfe Zusammenfassung der Resultate seines größeren
Wertes ist, das wir in diesen Blättern schon besprochen haben. -- Die gründ¬
lichen, mit großer Umsicht, Besonnenheit und Sachkenntniß verfaßten Aufsätze
von Held (Die politischen und socialen Wirkungen der verschiedenen politische"
Wahlsysteme) und Georg Waitz (Ueber die Bildung einer Volksvertretung) machen,
wie billig, die Beantwortung der Frage, aus welchen Elementen und nach wel¬
chem Wahlmodus eine Volksvertretung zu bilden sei, von den social-politischen
Verhältnissen abhängig, wie sie in jedem Staate bestehen. Diejenigen allge¬
meine Giltigkeit beanspruchenden Grundsätze, zu denen besonders Waitz trotz
der Bedingtheit der ganzen Frage dennoch gelangt, werden am zweckmäßigsten
bei der Besprechung des concreten Falles erörtert werden, zu der uns der zweite
Theil von


Konstantin Nößlcr, Studien zur Fortbildung der preußischen Verfassung, Berlin,
bei Lüderitz, 1864, Veranlassung giebt.

Constantin Rößler nimmt jedenfalls unter den preußischen Publicisten eine
hervorragende Stellung ein. Begabt mit einem scharfen Blicke für die Schwie¬
rigkeiten, die in Preußen der Consolidirung des Verfassungswesens entgegen¬
stehe.", ist er doch weit entfernt, von dem Ernst der Frage sich entmuthigen zu
lassen, oder die idealen Ziele der Freiheit preiszugeben; vielmehr geht sein Be¬
streben gerade dahin, die thatsächlichen Hindernisse einer Weiterentwickelung
der Verfassung, vor denen man wohl die Augen verschließen kann, die man
aber durch Jgnoriren nicht aufhebt, aus dein Wege zu räumen. Indem er
bemüht ist, die verfassungsmäßigen Institutionen dadurch zu wirksamen Organen
des Staatslebens zu machen, daß er sie mit dem vollen Inhalte der lebendig
im Volke webenden Kräfte zu erfüllen sucht, hat er. wie jede productive Kraft,
Anspruch auf die allgemeinste Beachtung seiner Arbeiten. Auf unbedingte Billi¬
gung seiner Vorschläge in allen ihren Einzelheiten wird er dagegen weniger
rechnen können, selbst bei denen nicht, die in den Zielpunkten vielfach mit ihm
übereinstimmen.

Die Gegenstände, die Herr Rößler in der zweiten Abtheilung seiner Stu¬
dien behandelt, sind 1) der Staatsrath und das Herrenhaus. 2) die Verant¬
wortlichkeit der Minister. 3) die Bildung des Abgeordnetenhauses. Wir wollen


rüchtigte Buch Renans in Tausenden von Exemplaren unter die russischen
Bauern zu verbreiten, und allmälig könnte es ihr gelingen, auch dies gläubige
Volk zu verderben. — Einen unangenehmen Eindruck macht es, daß die vier
griechischen Wörter, die in der Abhandlung vorkommen, sämmtlich durch Druck¬
fehler entstellt sind, zweimal ö^o? statt ö^o?, /ukro-«ot ohne Accent und /soo-ep
statt /?->^.

Auf den vortrefflichen Aufsatz von Gneist: „Das Repräsentativsystem in
England" haben wir nicht nöthig näher einzugehen, da derselbe im Wesent¬
lichen eine klare und scharfe Zusammenfassung der Resultate seines größeren
Wertes ist, das wir in diesen Blättern schon besprochen haben. — Die gründ¬
lichen, mit großer Umsicht, Besonnenheit und Sachkenntniß verfaßten Aufsätze
von Held (Die politischen und socialen Wirkungen der verschiedenen politische»
Wahlsysteme) und Georg Waitz (Ueber die Bildung einer Volksvertretung) machen,
wie billig, die Beantwortung der Frage, aus welchen Elementen und nach wel¬
chem Wahlmodus eine Volksvertretung zu bilden sei, von den social-politischen
Verhältnissen abhängig, wie sie in jedem Staate bestehen. Diejenigen allge¬
meine Giltigkeit beanspruchenden Grundsätze, zu denen besonders Waitz trotz
der Bedingtheit der ganzen Frage dennoch gelangt, werden am zweckmäßigsten
bei der Besprechung des concreten Falles erörtert werden, zu der uns der zweite
Theil von


Konstantin Nößlcr, Studien zur Fortbildung der preußischen Verfassung, Berlin,
bei Lüderitz, 1864, Veranlassung giebt.

Constantin Rößler nimmt jedenfalls unter den preußischen Publicisten eine
hervorragende Stellung ein. Begabt mit einem scharfen Blicke für die Schwie¬
rigkeiten, die in Preußen der Consolidirung des Verfassungswesens entgegen¬
stehe.», ist er doch weit entfernt, von dem Ernst der Frage sich entmuthigen zu
lassen, oder die idealen Ziele der Freiheit preiszugeben; vielmehr geht sein Be¬
streben gerade dahin, die thatsächlichen Hindernisse einer Weiterentwickelung
der Verfassung, vor denen man wohl die Augen verschließen kann, die man
aber durch Jgnoriren nicht aufhebt, aus dein Wege zu räumen. Indem er
bemüht ist, die verfassungsmäßigen Institutionen dadurch zu wirksamen Organen
des Staatslebens zu machen, daß er sie mit dem vollen Inhalte der lebendig
im Volke webenden Kräfte zu erfüllen sucht, hat er. wie jede productive Kraft,
Anspruch auf die allgemeinste Beachtung seiner Arbeiten. Auf unbedingte Billi¬
gung seiner Vorschläge in allen ihren Einzelheiten wird er dagegen weniger
rechnen können, selbst bei denen nicht, die in den Zielpunkten vielfach mit ihm
übereinstimmen.

Die Gegenstände, die Herr Rößler in der zweiten Abtheilung seiner Stu¬
dien behandelt, sind 1) der Staatsrath und das Herrenhaus. 2) die Verant¬
wortlichkeit der Minister. 3) die Bildung des Abgeordnetenhauses. Wir wollen


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[0292] rüchtigte Buch Renans in Tausenden von Exemplaren unter die russischen Bauern zu verbreiten, und allmälig könnte es ihr gelingen, auch dies gläubige Volk zu verderben. — Einen unangenehmen Eindruck macht es, daß die vier griechischen Wörter, die in der Abhandlung vorkommen, sämmtlich durch Druck¬ fehler entstellt sind, zweimal ö^o? statt ö^o?, /ukro-«ot ohne Accent und /soo-ep statt /?->^. Auf den vortrefflichen Aufsatz von Gneist: „Das Repräsentativsystem in England" haben wir nicht nöthig näher einzugehen, da derselbe im Wesent¬ lichen eine klare und scharfe Zusammenfassung der Resultate seines größeren Wertes ist, das wir in diesen Blättern schon besprochen haben. — Die gründ¬ lichen, mit großer Umsicht, Besonnenheit und Sachkenntniß verfaßten Aufsätze von Held (Die politischen und socialen Wirkungen der verschiedenen politische» Wahlsysteme) und Georg Waitz (Ueber die Bildung einer Volksvertretung) machen, wie billig, die Beantwortung der Frage, aus welchen Elementen und nach wel¬ chem Wahlmodus eine Volksvertretung zu bilden sei, von den social-politischen Verhältnissen abhängig, wie sie in jedem Staate bestehen. Diejenigen allge¬ meine Giltigkeit beanspruchenden Grundsätze, zu denen besonders Waitz trotz der Bedingtheit der ganzen Frage dennoch gelangt, werden am zweckmäßigsten bei der Besprechung des concreten Falles erörtert werden, zu der uns der zweite Theil von Konstantin Nößlcr, Studien zur Fortbildung der preußischen Verfassung, Berlin, bei Lüderitz, 1864, Veranlassung giebt. Constantin Rößler nimmt jedenfalls unter den preußischen Publicisten eine hervorragende Stellung ein. Begabt mit einem scharfen Blicke für die Schwie¬ rigkeiten, die in Preußen der Consolidirung des Verfassungswesens entgegen¬ stehe.», ist er doch weit entfernt, von dem Ernst der Frage sich entmuthigen zu lassen, oder die idealen Ziele der Freiheit preiszugeben; vielmehr geht sein Be¬ streben gerade dahin, die thatsächlichen Hindernisse einer Weiterentwickelung der Verfassung, vor denen man wohl die Augen verschließen kann, die man aber durch Jgnoriren nicht aufhebt, aus dein Wege zu räumen. Indem er bemüht ist, die verfassungsmäßigen Institutionen dadurch zu wirksamen Organen des Staatslebens zu machen, daß er sie mit dem vollen Inhalte der lebendig im Volke webenden Kräfte zu erfüllen sucht, hat er. wie jede productive Kraft, Anspruch auf die allgemeinste Beachtung seiner Arbeiten. Auf unbedingte Billi¬ gung seiner Vorschläge in allen ihren Einzelheiten wird er dagegen weniger rechnen können, selbst bei denen nicht, die in den Zielpunkten vielfach mit ihm übereinstimmen. Die Gegenstände, die Herr Rößler in der zweiten Abtheilung seiner Stu¬ dien behandelt, sind 1) der Staatsrath und das Herrenhaus. 2) die Verant¬ wortlichkeit der Minister. 3) die Bildung des Abgeordnetenhauses. Wir wollen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/292>, abgerufen am 29.04.2024.