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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Ane Rede Lobeck's.

In der Weidmannscher Buchhandlung soll eine Sammlung der cicademischen
Reden Lobecks erscheinen. Darunter ist die berühmte Rede des großen Philo¬
logen von Königsberg, welche derselbe am 3. August 1816 hielt. Sie wurde
wie eine bereits gedruckte Rede Solgers, in der Folge als bedeutsamer Aus-
druck der Zeitstimmung öfter erwähnt, den Hörern blieb sie sicher unvergessen.
Dem Gelehrten, der damals, 36 Jahr alt, die Hoffnung einer neuen Zeit
begrüßte, war vergönnt, seitdem von seiner friedlichen Arbeitsstube aus noch
an den Kämpfen und Leiden zweier Generationen Theil zu nehmen. Wir aber
geben seine edlen Worte ohne jeden Kommentar.

Ueber die Hoffnungen, welche sich an die königliche Verheißung einer freien
Verfassung knüpfen.
Gehalten am 3. August 1816.

In dem Augenblicke, als der Bund der Sühne zu Hubertsburg beschworen
ward, griff der Genius des Friedens in das Triebwerk der Zeit und hemmte
die Räder, welche die Sturmglocken des Krieges in Schwung setzten, und fesselte
die verborgenen Spannkräfte Und ließ alle Getriebe stocken bis auf das eine,
welches in stiller Kreisung die Jahre und die Jahrhunderte umtreibt. Und von
da vernahm man nur den eintönigen Pendelschlag des Zeitenwechsels, dunkele
Klänge verhaltener Reibungen und die Tritte derer, welche die Thronstufen auf-
vder niederstiegen. Aber kaum war ein Menschenalter verblüht, als die im In¬
nern schaffende Gewalt eine Fessel nach der anderen sprengte, ein verhängniß-
voller Stoß feste den stockenden Umlauf von Neuem in Bewegung, die immer
rascher und stürmischer ward und zuletzt alles, nahes und Fernes, in ihre Wir¬
bel riß. Und noch hören wir, wie dem Ausheben nahe die Uhrräder der Zeit
hastig rollen -- und mit Ungeduld harren wir des Glockenschlages, der vielleicht
den Anbruch eines neuen Weltalters verkündet.

Als Polykrates einst sein Glück, seine siegreichen Flotten, seine prangenden
Heere überschaute, da gedachte er bei dem Uebermaße seiner Größe an die wan¬
delbare Gunst des Geschickes, und um die Nemesis zu versöhnen, warf er das


Grenzboten I. 1866, 36
Ane Rede Lobeck's.

In der Weidmannscher Buchhandlung soll eine Sammlung der cicademischen
Reden Lobecks erscheinen. Darunter ist die berühmte Rede des großen Philo¬
logen von Königsberg, welche derselbe am 3. August 1816 hielt. Sie wurde
wie eine bereits gedruckte Rede Solgers, in der Folge als bedeutsamer Aus-
druck der Zeitstimmung öfter erwähnt, den Hörern blieb sie sicher unvergessen.
Dem Gelehrten, der damals, 36 Jahr alt, die Hoffnung einer neuen Zeit
begrüßte, war vergönnt, seitdem von seiner friedlichen Arbeitsstube aus noch
an den Kämpfen und Leiden zweier Generationen Theil zu nehmen. Wir aber
geben seine edlen Worte ohne jeden Kommentar.

Ueber die Hoffnungen, welche sich an die königliche Verheißung einer freien
Verfassung knüpfen.
Gehalten am 3. August 1816.

In dem Augenblicke, als der Bund der Sühne zu Hubertsburg beschworen
ward, griff der Genius des Friedens in das Triebwerk der Zeit und hemmte
die Räder, welche die Sturmglocken des Krieges in Schwung setzten, und fesselte
die verborgenen Spannkräfte Und ließ alle Getriebe stocken bis auf das eine,
welches in stiller Kreisung die Jahre und die Jahrhunderte umtreibt. Und von
da vernahm man nur den eintönigen Pendelschlag des Zeitenwechsels, dunkele
Klänge verhaltener Reibungen und die Tritte derer, welche die Thronstufen auf-
vder niederstiegen. Aber kaum war ein Menschenalter verblüht, als die im In¬
nern schaffende Gewalt eine Fessel nach der anderen sprengte, ein verhängniß-
voller Stoß feste den stockenden Umlauf von Neuem in Bewegung, die immer
rascher und stürmischer ward und zuletzt alles, nahes und Fernes, in ihre Wir¬
bel riß. Und noch hören wir, wie dem Ausheben nahe die Uhrräder der Zeit
hastig rollen — und mit Ungeduld harren wir des Glockenschlages, der vielleicht
den Anbruch eines neuen Weltalters verkündet.

Als Polykrates einst sein Glück, seine siegreichen Flotten, seine prangenden
Heere überschaute, da gedachte er bei dem Uebermaße seiner Größe an die wan¬
delbare Gunst des Geschickes, und um die Nemesis zu versöhnen, warf er das


Grenzboten I. 1866, 36
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[0301] Ane Rede Lobeck's. In der Weidmannscher Buchhandlung soll eine Sammlung der cicademischen Reden Lobecks erscheinen. Darunter ist die berühmte Rede des großen Philo¬ logen von Königsberg, welche derselbe am 3. August 1816 hielt. Sie wurde wie eine bereits gedruckte Rede Solgers, in der Folge als bedeutsamer Aus- druck der Zeitstimmung öfter erwähnt, den Hörern blieb sie sicher unvergessen. Dem Gelehrten, der damals, 36 Jahr alt, die Hoffnung einer neuen Zeit begrüßte, war vergönnt, seitdem von seiner friedlichen Arbeitsstube aus noch an den Kämpfen und Leiden zweier Generationen Theil zu nehmen. Wir aber geben seine edlen Worte ohne jeden Kommentar. Ueber die Hoffnungen, welche sich an die königliche Verheißung einer freien Verfassung knüpfen. Gehalten am 3. August 1816. In dem Augenblicke, als der Bund der Sühne zu Hubertsburg beschworen ward, griff der Genius des Friedens in das Triebwerk der Zeit und hemmte die Räder, welche die Sturmglocken des Krieges in Schwung setzten, und fesselte die verborgenen Spannkräfte Und ließ alle Getriebe stocken bis auf das eine, welches in stiller Kreisung die Jahre und die Jahrhunderte umtreibt. Und von da vernahm man nur den eintönigen Pendelschlag des Zeitenwechsels, dunkele Klänge verhaltener Reibungen und die Tritte derer, welche die Thronstufen auf- vder niederstiegen. Aber kaum war ein Menschenalter verblüht, als die im In¬ nern schaffende Gewalt eine Fessel nach der anderen sprengte, ein verhängniß- voller Stoß feste den stockenden Umlauf von Neuem in Bewegung, die immer rascher und stürmischer ward und zuletzt alles, nahes und Fernes, in ihre Wir¬ bel riß. Und noch hören wir, wie dem Ausheben nahe die Uhrräder der Zeit hastig rollen — und mit Ungeduld harren wir des Glockenschlages, der vielleicht den Anbruch eines neuen Weltalters verkündet. Als Polykrates einst sein Glück, seine siegreichen Flotten, seine prangenden Heere überschaute, da gedachte er bei dem Uebermaße seiner Größe an die wan¬ delbare Gunst des Geschickes, und um die Nemesis zu versöhnen, warf er das Grenzboten I. 1866, 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/301>, abgerufen am 29.04.2024.