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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Aus dem Soldatenleven des vorigen Jahrhunderts.

Das deutsche Heerwesen des achtzehnten Jahrhunderts ist in den letzten Jahren
Mehrfach behandelt worden und hat bereits eine reiche Literatur. Was hier
dafür gegeben wird, sind nur einzelne neue Striche zu einem Gemälde, welches
den Lesern dieses Blattes nicht unbekannt ist. Es konnten dabei hier und da
alte Aufzeichnungen und Actenstücke, welche noch nicht publicirt sind, benutzt
werden. Die Mittheilungen folgen in bunter Reihe, jede unter besonderer
Ueberschrift.

Revuen und Lustlager.

Der Soldat war früher weit mehr als jetzt die Puppe, mit der die
größeren und kleineren Kriegsherren gern in Friedenszeiten spielten. So
erbärmlich und unzweckmäßig gewöhnlich die Ausrüstungsgegenstände, nament-
lich die Bekleidung waren, so wurde um so mehr auf den äußeren Flit¬
ter gehalten, lediglich um das Auge zu bestechen. Die Bekleidung war meist
das Gegentheil von dem, was sie sein sollte, d. h. vom schlechtesten Material,
das nur wenig gegen die Einflüsse der Witterung schützte, dabei alles so
eng und knapp, daß der Mann in seinen Bewegungen sehr behindert war.
Schlecht und knapp lag im Interesse des Inhabers einer Compagnie, dem zur
Ausrüstung und Herstellung ein gewisser Fond überwiesen wurde, je mehr
er dabei zu sparen wußte, desto besser befand sich dabei sein Beutel. So war
denn das Innehaben einer Compagnie immer eine Art Volltopf, der jedem ge¬
nehm war und so finden wir sogar die Stabsoffiziere als solche Inhaber, wäh¬
rend der eigentliche Compagnicchef das weniger Angenehme des Kommandos
hatte. --

Die "Kriegsherren" prunkten so viel als möglich mit ihren Vaterlands-
vertheidigern. Große und schöne Leute, bunte und reiche Bekleidung und exacte
Bewegungen beim Manövriren waren die Hauptbedingungen. Da die Mann-
schaften angeworben wurden, so kosteten solche Halbriesen viel Geld und ein
Zoll mehr wurde oft mit Hunderten von Thalern bezahlt. Ehe die Mann¬
schaften zur Fertigkeit im Manöveriren gelangten, bedürfte es eine schwere Dressur,
bis der Gleichschritt, in einer Minute genau so und so viel, das Gleichmäßige
der Griffe und Chargüung und andere Schaueffecte erlernt wurden. Ja, es war


Grenzboten I. 186ö. 41
Aus dem Soldatenleven des vorigen Jahrhunderts.

Das deutsche Heerwesen des achtzehnten Jahrhunderts ist in den letzten Jahren
Mehrfach behandelt worden und hat bereits eine reiche Literatur. Was hier
dafür gegeben wird, sind nur einzelne neue Striche zu einem Gemälde, welches
den Lesern dieses Blattes nicht unbekannt ist. Es konnten dabei hier und da
alte Aufzeichnungen und Actenstücke, welche noch nicht publicirt sind, benutzt
werden. Die Mittheilungen folgen in bunter Reihe, jede unter besonderer
Ueberschrift.

Revuen und Lustlager.

Der Soldat war früher weit mehr als jetzt die Puppe, mit der die
größeren und kleineren Kriegsherren gern in Friedenszeiten spielten. So
erbärmlich und unzweckmäßig gewöhnlich die Ausrüstungsgegenstände, nament-
lich die Bekleidung waren, so wurde um so mehr auf den äußeren Flit¬
ter gehalten, lediglich um das Auge zu bestechen. Die Bekleidung war meist
das Gegentheil von dem, was sie sein sollte, d. h. vom schlechtesten Material,
das nur wenig gegen die Einflüsse der Witterung schützte, dabei alles so
eng und knapp, daß der Mann in seinen Bewegungen sehr behindert war.
Schlecht und knapp lag im Interesse des Inhabers einer Compagnie, dem zur
Ausrüstung und Herstellung ein gewisser Fond überwiesen wurde, je mehr
er dabei zu sparen wußte, desto besser befand sich dabei sein Beutel. So war
denn das Innehaben einer Compagnie immer eine Art Volltopf, der jedem ge¬
nehm war und so finden wir sogar die Stabsoffiziere als solche Inhaber, wäh¬
rend der eigentliche Compagnicchef das weniger Angenehme des Kommandos
hatte. —

Die „Kriegsherren" prunkten so viel als möglich mit ihren Vaterlands-
vertheidigern. Große und schöne Leute, bunte und reiche Bekleidung und exacte
Bewegungen beim Manövriren waren die Hauptbedingungen. Da die Mann-
schaften angeworben wurden, so kosteten solche Halbriesen viel Geld und ein
Zoll mehr wurde oft mit Hunderten von Thalern bezahlt. Ehe die Mann¬
schaften zur Fertigkeit im Manöveriren gelangten, bedürfte es eine schwere Dressur,
bis der Gleichschritt, in einer Minute genau so und so viel, das Gleichmäßige
der Griffe und Chargüung und andere Schaueffecte erlernt wurden. Ja, es war


Grenzboten I. 186ö. 41
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[0343] Aus dem Soldatenleven des vorigen Jahrhunderts. Das deutsche Heerwesen des achtzehnten Jahrhunderts ist in den letzten Jahren Mehrfach behandelt worden und hat bereits eine reiche Literatur. Was hier dafür gegeben wird, sind nur einzelne neue Striche zu einem Gemälde, welches den Lesern dieses Blattes nicht unbekannt ist. Es konnten dabei hier und da alte Aufzeichnungen und Actenstücke, welche noch nicht publicirt sind, benutzt werden. Die Mittheilungen folgen in bunter Reihe, jede unter besonderer Ueberschrift. Revuen und Lustlager. Der Soldat war früher weit mehr als jetzt die Puppe, mit der die größeren und kleineren Kriegsherren gern in Friedenszeiten spielten. So erbärmlich und unzweckmäßig gewöhnlich die Ausrüstungsgegenstände, nament- lich die Bekleidung waren, so wurde um so mehr auf den äußeren Flit¬ ter gehalten, lediglich um das Auge zu bestechen. Die Bekleidung war meist das Gegentheil von dem, was sie sein sollte, d. h. vom schlechtesten Material, das nur wenig gegen die Einflüsse der Witterung schützte, dabei alles so eng und knapp, daß der Mann in seinen Bewegungen sehr behindert war. Schlecht und knapp lag im Interesse des Inhabers einer Compagnie, dem zur Ausrüstung und Herstellung ein gewisser Fond überwiesen wurde, je mehr er dabei zu sparen wußte, desto besser befand sich dabei sein Beutel. So war denn das Innehaben einer Compagnie immer eine Art Volltopf, der jedem ge¬ nehm war und so finden wir sogar die Stabsoffiziere als solche Inhaber, wäh¬ rend der eigentliche Compagnicchef das weniger Angenehme des Kommandos hatte. — Die „Kriegsherren" prunkten so viel als möglich mit ihren Vaterlands- vertheidigern. Große und schöne Leute, bunte und reiche Bekleidung und exacte Bewegungen beim Manövriren waren die Hauptbedingungen. Da die Mann- schaften angeworben wurden, so kosteten solche Halbriesen viel Geld und ein Zoll mehr wurde oft mit Hunderten von Thalern bezahlt. Ehe die Mann¬ schaften zur Fertigkeit im Manöveriren gelangten, bedürfte es eine schwere Dressur, bis der Gleichschritt, in einer Minute genau so und so viel, das Gleichmäßige der Griffe und Chargüung und andere Schaueffecte erlernt wurden. Ja, es war Grenzboten I. 186ö. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/343>, abgerufen am 29.04.2024.