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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Literatur.

Das Leben des Feldmarschalls von Gneisenau, von Fr. Pech. 1. Band. Berlin,
Georg Reimer.

Der erste Band der Biographie des Feldmarschall Grafen Neithardt
v. Gneisenau von Pech liegt vor uns und gewährt einen Blick in das Leben
eines reich begabten und von den Wogen des Glücks vielfach herumgeworfenen
und endlich zu hohem Ruhm emporgetragenen Soldaten; eines Soldaten,
der im Krieg und im Frieden wacker für die Freiheit des Vaterlandes gekämpft
und wenigstens auf dem Schlachtfelde schöne Erfolge errungen hat. -- Verstand,
Charakter und Kenntnisse sowohl, als auch die Macht einer edlen und freien
Persönlichkeit waren die treibende Kraft, welche ihn emporhob. Aber wie kein
Mensch ohne Schwäche ist, so gesellte sich auch bei Gneisenau zu den Eigen¬
schaften eines großen Mannes ein Fehler und zwar der eines gewissen Leicht¬
sinns. Dieser Fehler hat ihm mannigfach trübe Erfahrungen gebracht -- er
hat ihm unter andern nie aus finanziellen Verlegenheiten herauskommen lassen,
aber dieselbe Charaktereigenschaft trug freilich auch dazu bei, ihn der Masse der
Menschen mehr zu nähern, den Zauber seiner Person zu erhöhen. Selbst¬
redend macht sich dieser bis zu gewissem Grad liebenswürdige Leichtsinn in
seiner Jugend mehr geltend als in spätern Jahren und tritt uns also in diesem
ersten Bande häusiger entgegen; er hat in dem Leben dieses Mannes, trotz
seiner schon früh hervortretenden Eigenschaften. Zeitperioden zurückgelassen,
die aufzuklären seinem Lebensbeschreiber ganz unmöglich oder nicht wünschens-
Werth gewesen zu sein scheinen. Fast möchte man das Letztere glauben, denn
die 18S6 von General v. Fransecky bearbeitete erste Abtheilung des Lebens
Gneisenaus giebt Einzelheiten, welche bei Pertz fehlen und welche, wenn auch
nicht unumstößlich bewiesen, doch als die Verhältnisse erklärend, viel innere
Wahrscheinlichkeit haben. -- Sollte der Verfasser nicht von derselben Liebe für
seinen Gegenstand ergriffen gewesen sein, als bei dem Leben des Freiherrn v. Stein
un'd deshalb jetzt weniger bis ins Einzelne zu dringen Neigung gehabt haben, so
dürften wir ihm das nicht allzusehr verargen. Ein Blick auf das Leben beiderMänner
rbird den Unterschied klar legen. Steins reiche Gaben fanden von der Wiege an
dem reichsfreiherrlichen Stand und Besitz einen Boden, der ihre Entwicklung
"ach jeder Richtung hin begünstigte und zu rascher glücklicher Verwendung
Machte. 1757 geboren, ward er 1782, also mit 25 Jahren schon Oberbergrath,
"hielt 1784 die Leitung der westfälischen Bergämter, trat 178S vorübergehend


Grenzboten I. 186S.
Literatur.

Das Leben des Feldmarschalls von Gneisenau, von Fr. Pech. 1. Band. Berlin,
Georg Reimer.

Der erste Band der Biographie des Feldmarschall Grafen Neithardt
v. Gneisenau von Pech liegt vor uns und gewährt einen Blick in das Leben
eines reich begabten und von den Wogen des Glücks vielfach herumgeworfenen
und endlich zu hohem Ruhm emporgetragenen Soldaten; eines Soldaten,
der im Krieg und im Frieden wacker für die Freiheit des Vaterlandes gekämpft
und wenigstens auf dem Schlachtfelde schöne Erfolge errungen hat. — Verstand,
Charakter und Kenntnisse sowohl, als auch die Macht einer edlen und freien
Persönlichkeit waren die treibende Kraft, welche ihn emporhob. Aber wie kein
Mensch ohne Schwäche ist, so gesellte sich auch bei Gneisenau zu den Eigen¬
schaften eines großen Mannes ein Fehler und zwar der eines gewissen Leicht¬
sinns. Dieser Fehler hat ihm mannigfach trübe Erfahrungen gebracht — er
hat ihm unter andern nie aus finanziellen Verlegenheiten herauskommen lassen,
aber dieselbe Charaktereigenschaft trug freilich auch dazu bei, ihn der Masse der
Menschen mehr zu nähern, den Zauber seiner Person zu erhöhen. Selbst¬
redend macht sich dieser bis zu gewissem Grad liebenswürdige Leichtsinn in
seiner Jugend mehr geltend als in spätern Jahren und tritt uns also in diesem
ersten Bande häusiger entgegen; er hat in dem Leben dieses Mannes, trotz
seiner schon früh hervortretenden Eigenschaften. Zeitperioden zurückgelassen,
die aufzuklären seinem Lebensbeschreiber ganz unmöglich oder nicht wünschens-
Werth gewesen zu sein scheinen. Fast möchte man das Letztere glauben, denn
die 18S6 von General v. Fransecky bearbeitete erste Abtheilung des Lebens
Gneisenaus giebt Einzelheiten, welche bei Pertz fehlen und welche, wenn auch
nicht unumstößlich bewiesen, doch als die Verhältnisse erklärend, viel innere
Wahrscheinlichkeit haben. — Sollte der Verfasser nicht von derselben Liebe für
seinen Gegenstand ergriffen gewesen sein, als bei dem Leben des Freiherrn v. Stein
un'd deshalb jetzt weniger bis ins Einzelne zu dringen Neigung gehabt haben, so
dürften wir ihm das nicht allzusehr verargen. Ein Blick auf das Leben beiderMänner
rbird den Unterschied klar legen. Steins reiche Gaben fanden von der Wiege an
dem reichsfreiherrlichen Stand und Besitz einen Boden, der ihre Entwicklung
"ach jeder Richtung hin begünstigte und zu rascher glücklicher Verwendung
Machte. 1757 geboren, ward er 1782, also mit 25 Jahren schon Oberbergrath,
"hielt 1784 die Leitung der westfälischen Bergämter, trat 178S vorübergehend


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[0375] Literatur. Das Leben des Feldmarschalls von Gneisenau, von Fr. Pech. 1. Band. Berlin, Georg Reimer. Der erste Band der Biographie des Feldmarschall Grafen Neithardt v. Gneisenau von Pech liegt vor uns und gewährt einen Blick in das Leben eines reich begabten und von den Wogen des Glücks vielfach herumgeworfenen und endlich zu hohem Ruhm emporgetragenen Soldaten; eines Soldaten, der im Krieg und im Frieden wacker für die Freiheit des Vaterlandes gekämpft und wenigstens auf dem Schlachtfelde schöne Erfolge errungen hat. — Verstand, Charakter und Kenntnisse sowohl, als auch die Macht einer edlen und freien Persönlichkeit waren die treibende Kraft, welche ihn emporhob. Aber wie kein Mensch ohne Schwäche ist, so gesellte sich auch bei Gneisenau zu den Eigen¬ schaften eines großen Mannes ein Fehler und zwar der eines gewissen Leicht¬ sinns. Dieser Fehler hat ihm mannigfach trübe Erfahrungen gebracht — er hat ihm unter andern nie aus finanziellen Verlegenheiten herauskommen lassen, aber dieselbe Charaktereigenschaft trug freilich auch dazu bei, ihn der Masse der Menschen mehr zu nähern, den Zauber seiner Person zu erhöhen. Selbst¬ redend macht sich dieser bis zu gewissem Grad liebenswürdige Leichtsinn in seiner Jugend mehr geltend als in spätern Jahren und tritt uns also in diesem ersten Bande häusiger entgegen; er hat in dem Leben dieses Mannes, trotz seiner schon früh hervortretenden Eigenschaften. Zeitperioden zurückgelassen, die aufzuklären seinem Lebensbeschreiber ganz unmöglich oder nicht wünschens- Werth gewesen zu sein scheinen. Fast möchte man das Letztere glauben, denn die 18S6 von General v. Fransecky bearbeitete erste Abtheilung des Lebens Gneisenaus giebt Einzelheiten, welche bei Pertz fehlen und welche, wenn auch nicht unumstößlich bewiesen, doch als die Verhältnisse erklärend, viel innere Wahrscheinlichkeit haben. — Sollte der Verfasser nicht von derselben Liebe für seinen Gegenstand ergriffen gewesen sein, als bei dem Leben des Freiherrn v. Stein un'd deshalb jetzt weniger bis ins Einzelne zu dringen Neigung gehabt haben, so dürften wir ihm das nicht allzusehr verargen. Ein Blick auf das Leben beiderMänner rbird den Unterschied klar legen. Steins reiche Gaben fanden von der Wiege an dem reichsfreiherrlichen Stand und Besitz einen Boden, der ihre Entwicklung "ach jeder Richtung hin begünstigte und zu rascher glücklicher Verwendung Machte. 1757 geboren, ward er 1782, also mit 25 Jahren schon Oberbergrath, "hielt 1784 die Leitung der westfälischen Bergämter, trat 178S vorübergehend Grenzboten I. 186S.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/375>, abgerufen am 29.04.2024.