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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Der theoretischen Bemeisterung der ebenso wichtigen wie intrikaten Fragen,
wie sie in "Möllers Preußischem Stadtrecht" vor uns liegt, wird die praktische
h Dg. offentlich bald folgen.




Die Universität zu Rostock.
2.

Da in Mecklenburg bis zum Jahre 1848 das politische Parteiwesen
noch gänzlich unentwickelt war und das politische Interesse sich nur um den
Gegensatz der adeligen und bürgerlichen Mitglieder der Ritterschaft und die
Ansprüche der letzteren auf gleiche politische Berechtigung mit den ersteren drehte,
so war auch die Universität von politischen Fragen nicht näher berührt und
erregt worden. Mit dem Jahre 1848 schien sich dies ändern zu wollen. Schon
in den ersten Tagen der Bewegung und noch bevor der Großherzog die öffent¬
liche Erklärung abgab, daß eine Verfassungsänderung, auch abgesehen von den
Weltereignissen der neuesten Zeit, unvermeidlich gewesen, setzt aber das drin¬
gendste Erfordernis; und daß es sein ernstlicher Vorsatz sei. Mecklenburg unver¬
züglich in die Reihe der constitutionellen Staaten einzuführen, richtete die Uni¬
versität als Corporation eine Adresse an den Großherzog, in welcher sie Re¬
form der Landesverfassung und Einführung von Preßfreiheit beantragte. Bei
der sehr veränderten Stellung, welche später die große Mehrzahl der Unterzeich¬
ner dieser Adresse zu den politischen Fragen eingenommen hat, ist es von
einigem Interesse, den Inhalt dieses Schriftstücks der Vergessenheit zu ent¬
reißen, welcher die chamäleontische Gesinnungslosigkeit ihn nur zu gern für alle
Zeit übergeben sehen möchte.

Die Adresse trägt das Datum des 12. März 1848 und ist von dem Rec-
tor und zwanzig Mitgliedern des Conciliums unterzeichnet. Von den jetzigen
wstocker Professoren haben Strempel. F. V. Fritzsche. Royer. Becker,
Bachmann, Karsten, Stannius und Krabbe, von den übrigen noch
lebenden damaligen Universitätsmitgliedern Thöl, Thering. Delitzsch, seist
und als Rector der Universität der Professor a. D. Wilbrandt das Schrift¬
stück mit ihrer Namensunterschrift versehen. Dasselbe beginnt mit den Worten:
"Inmitten der großen Bewegung stehend, von welcher das politische Leben un-


Grenzboten I. 186S. 63

Der theoretischen Bemeisterung der ebenso wichtigen wie intrikaten Fragen,
wie sie in „Möllers Preußischem Stadtrecht" vor uns liegt, wird die praktische
h Dg. offentlich bald folgen.




Die Universität zu Rostock.
2.

Da in Mecklenburg bis zum Jahre 1848 das politische Parteiwesen
noch gänzlich unentwickelt war und das politische Interesse sich nur um den
Gegensatz der adeligen und bürgerlichen Mitglieder der Ritterschaft und die
Ansprüche der letzteren auf gleiche politische Berechtigung mit den ersteren drehte,
so war auch die Universität von politischen Fragen nicht näher berührt und
erregt worden. Mit dem Jahre 1848 schien sich dies ändern zu wollen. Schon
in den ersten Tagen der Bewegung und noch bevor der Großherzog die öffent¬
liche Erklärung abgab, daß eine Verfassungsänderung, auch abgesehen von den
Weltereignissen der neuesten Zeit, unvermeidlich gewesen, setzt aber das drin¬
gendste Erfordernis; und daß es sein ernstlicher Vorsatz sei. Mecklenburg unver¬
züglich in die Reihe der constitutionellen Staaten einzuführen, richtete die Uni¬
versität als Corporation eine Adresse an den Großherzog, in welcher sie Re¬
form der Landesverfassung und Einführung von Preßfreiheit beantragte. Bei
der sehr veränderten Stellung, welche später die große Mehrzahl der Unterzeich¬
ner dieser Adresse zu den politischen Fragen eingenommen hat, ist es von
einigem Interesse, den Inhalt dieses Schriftstücks der Vergessenheit zu ent¬
reißen, welcher die chamäleontische Gesinnungslosigkeit ihn nur zu gern für alle
Zeit übergeben sehen möchte.

Die Adresse trägt das Datum des 12. März 1848 und ist von dem Rec-
tor und zwanzig Mitgliedern des Conciliums unterzeichnet. Von den jetzigen
wstocker Professoren haben Strempel. F. V. Fritzsche. Royer. Becker,
Bachmann, Karsten, Stannius und Krabbe, von den übrigen noch
lebenden damaligen Universitätsmitgliedern Thöl, Thering. Delitzsch, seist
und als Rector der Universität der Professor a. D. Wilbrandt das Schrift¬
stück mit ihrer Namensunterschrift versehen. Dasselbe beginnt mit den Worten:
"Inmitten der großen Bewegung stehend, von welcher das politische Leben un-


Grenzboten I. 186S. 63
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[0443] Der theoretischen Bemeisterung der ebenso wichtigen wie intrikaten Fragen, wie sie in „Möllers Preußischem Stadtrecht" vor uns liegt, wird die praktische h Dg. offentlich bald folgen. Die Universität zu Rostock. 2. Da in Mecklenburg bis zum Jahre 1848 das politische Parteiwesen noch gänzlich unentwickelt war und das politische Interesse sich nur um den Gegensatz der adeligen und bürgerlichen Mitglieder der Ritterschaft und die Ansprüche der letzteren auf gleiche politische Berechtigung mit den ersteren drehte, so war auch die Universität von politischen Fragen nicht näher berührt und erregt worden. Mit dem Jahre 1848 schien sich dies ändern zu wollen. Schon in den ersten Tagen der Bewegung und noch bevor der Großherzog die öffent¬ liche Erklärung abgab, daß eine Verfassungsänderung, auch abgesehen von den Weltereignissen der neuesten Zeit, unvermeidlich gewesen, setzt aber das drin¬ gendste Erfordernis; und daß es sein ernstlicher Vorsatz sei. Mecklenburg unver¬ züglich in die Reihe der constitutionellen Staaten einzuführen, richtete die Uni¬ versität als Corporation eine Adresse an den Großherzog, in welcher sie Re¬ form der Landesverfassung und Einführung von Preßfreiheit beantragte. Bei der sehr veränderten Stellung, welche später die große Mehrzahl der Unterzeich¬ ner dieser Adresse zu den politischen Fragen eingenommen hat, ist es von einigem Interesse, den Inhalt dieses Schriftstücks der Vergessenheit zu ent¬ reißen, welcher die chamäleontische Gesinnungslosigkeit ihn nur zu gern für alle Zeit übergeben sehen möchte. Die Adresse trägt das Datum des 12. März 1848 und ist von dem Rec- tor und zwanzig Mitgliedern des Conciliums unterzeichnet. Von den jetzigen wstocker Professoren haben Strempel. F. V. Fritzsche. Royer. Becker, Bachmann, Karsten, Stannius und Krabbe, von den übrigen noch lebenden damaligen Universitätsmitgliedern Thöl, Thering. Delitzsch, seist und als Rector der Universität der Professor a. D. Wilbrandt das Schrift¬ stück mit ihrer Namensunterschrift versehen. Dasselbe beginnt mit den Worten: "Inmitten der großen Bewegung stehend, von welcher das politische Leben un- Grenzboten I. 186S. 63

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/443>, abgerufen am 29.04.2024.