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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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schelmische Anspielung, womit er sich begnügt, fast genau der resigniren Humor,
welcher in dem bekannten Klagelied des Haasen ertönt, wenn dieser singt! "Ein
Schwänzchen hab' ich, das ist klein, wünscht' wohl, es möchte großer sein", und
zuletzt, nachdem er die ihm bevorstehenden Zurüstungen für die Küche aufgezählt hat,
mit den wehmüthigen Worten schließt: "Laßt euchs schmecken, ihr werthen Gast."
Auch Robbe faßt die Gefahr philosophisch, er klagt nicht, er droht nicht, er lächelt
ruhig mit einem allerliebsten Sarkasmus.

Nur in der Sache hat er nicht recht, Sie, nämlich jene Mächte, welche wir
am liebsten gar nicht bei Namen nennen, wollen es, nämlich das Reich, welches der
Dichter ungenannt läßt, gar nicht sür sich nehmen. Dort ist "oben und unten" weniger
guter Wille dazu vorhanden, als Robbe voraussetzt. Dennoch aber sind auch wir
tief durchdrungen von der Gemcinschädlichkeit eines politischen Zustandes, welcher aus
den Kasernen Hannovers und aus dem Musensaal eines loyalen Scholarchen solche
poetische Ergüsse heraustreibt. Wenn schon die Muse des Liedes, die gcmüthvollste
aller himmlischen Gewalten, ihr Antlitz so entschieden von dem unglücklichen Preußen
abwendet, was erst werden die strengeren Götter der Erdgebornen gegen diesen Slaven-
staat auf deutschem Grunde ersinnen? Das Aergste ist zu fürchten, denn die stärksten
Säulen brechen, wo der Sänger flucht. Kommen mag der Tag, wo auf den Land¬
karten im Osten des Triasgebictes ein schwarzer Fleck statt xines großen Stüdtcnetzcs
das Auge erschreckt, wo das Reich Müller des Vierten und Nobbes durch einen hohen
Plcmkcnzaun vor dem Chaos der Marken geschützt wird und häufig aufgerichtete
Stangen die warnende Aufschrift in der Sprache Müllers zeigen: "Hier dahinter
ist nischt". Dann wird Freude, Friede, Eintracht die deutschen Gauen beglücken,
dann wird der letzte Floh von Rendsburg getödtet werden, und der Orpheus, wel¬
cher jetzt vom goldenen Vließe sang, wird dann in höherem Schwunge den Unter¬
gang des neuen Jlions feiern.




Literatur.
Pauker, v., Wanderung über die Schlachtfelder der deutschen Heere der Ur¬
zeiten. 1. Theil. Die Kämpfe in den beiden letzten Jahrhunderten vor dem Beginn
unserer Zeitrechnung. Berlin, R. v. Decker.

Der Titel ist noch länger. Inhalt sind die Kämpfe der Römer gegen Gallier
und Deutsche in den beiden letzten Jahrhunderten vor Christi Geburt. --

Der vollständige Mangel einheimischer Nachrichten über die Kämpfe der Germanen


schelmische Anspielung, womit er sich begnügt, fast genau der resigniren Humor,
welcher in dem bekannten Klagelied des Haasen ertönt, wenn dieser singt! „Ein
Schwänzchen hab' ich, das ist klein, wünscht' wohl, es möchte großer sein", und
zuletzt, nachdem er die ihm bevorstehenden Zurüstungen für die Küche aufgezählt hat,
mit den wehmüthigen Worten schließt: „Laßt euchs schmecken, ihr werthen Gast."
Auch Robbe faßt die Gefahr philosophisch, er klagt nicht, er droht nicht, er lächelt
ruhig mit einem allerliebsten Sarkasmus.

Nur in der Sache hat er nicht recht, Sie, nämlich jene Mächte, welche wir
am liebsten gar nicht bei Namen nennen, wollen es, nämlich das Reich, welches der
Dichter ungenannt läßt, gar nicht sür sich nehmen. Dort ist „oben und unten" weniger
guter Wille dazu vorhanden, als Robbe voraussetzt. Dennoch aber sind auch wir
tief durchdrungen von der Gemcinschädlichkeit eines politischen Zustandes, welcher aus
den Kasernen Hannovers und aus dem Musensaal eines loyalen Scholarchen solche
poetische Ergüsse heraustreibt. Wenn schon die Muse des Liedes, die gcmüthvollste
aller himmlischen Gewalten, ihr Antlitz so entschieden von dem unglücklichen Preußen
abwendet, was erst werden die strengeren Götter der Erdgebornen gegen diesen Slaven-
staat auf deutschem Grunde ersinnen? Das Aergste ist zu fürchten, denn die stärksten
Säulen brechen, wo der Sänger flucht. Kommen mag der Tag, wo auf den Land¬
karten im Osten des Triasgebictes ein schwarzer Fleck statt xines großen Stüdtcnetzcs
das Auge erschreckt, wo das Reich Müller des Vierten und Nobbes durch einen hohen
Plcmkcnzaun vor dem Chaos der Marken geschützt wird und häufig aufgerichtete
Stangen die warnende Aufschrift in der Sprache Müllers zeigen: „Hier dahinter
ist nischt". Dann wird Freude, Friede, Eintracht die deutschen Gauen beglücken,
dann wird der letzte Floh von Rendsburg getödtet werden, und der Orpheus, wel¬
cher jetzt vom goldenen Vließe sang, wird dann in höherem Schwunge den Unter¬
gang des neuen Jlions feiern.




Literatur.
Pauker, v., Wanderung über die Schlachtfelder der deutschen Heere der Ur¬
zeiten. 1. Theil. Die Kämpfe in den beiden letzten Jahrhunderten vor dem Beginn
unserer Zeitrechnung. Berlin, R. v. Decker.

Der Titel ist noch länger. Inhalt sind die Kämpfe der Römer gegen Gallier
und Deutsche in den beiden letzten Jahrhunderten vor Christi Geburt. —

Der vollständige Mangel einheimischer Nachrichten über die Kämpfe der Germanen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/464>, abgerufen am 29.04.2024.