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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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doch der Erlöser im kirchlichen Sinn des Worts gewesen sein, ist recht
eigentlich auf ihn zurückzuführen. Indem also Strauß eine Kritik des schleier-
macherschen Lebens Jesu unternahm, trug er seine schneidigen Waffen zu¬
gleich in das Bollwerk, hinter dessen schützenden Mauern die modcrngläubige
Theologie Zuflucht gegen das Andrängen der Wissenschaft sucht. Ist auch der
letzte Versuch gescheitert, den kirchlichen Christus dem Geist der modernen Weit
annehmlich zu machen,,so wird man sich nicht länger der Wahrheit verschließen
können, welche Strauß in den Worten ausspricht: "Es geht ein für allemal
nicht mehr. Wir sehen heutzutage alle Dinge im Himmel und auf Erden an¬
ders an als die neutestumentlichen Schriftsteller und die Begründer der christ¬
lichen Glaubenslehre. Was die Evangelisten uns erzählen, können wir so, wie
sie es erzählen, nicht mehr für wahr, was die Apostel glaubten, können wir so,
wie sie es glaubten, nicht mehr für nothwendig zur Seligkeit halten. Unser
Gott ist ein anderer, unsere Welt eine andere, auch Christus kann uns nicht
mehr der sein, der er ihnen war. Dies zuzugestehen ist Pflicht der Wahrhaftig¬
keit; es läugnen oder bemänteln zu wollen, führt zu nichts als Lügen, zur
Schriftverdrchung und Glaubcnsheuchelei. Aufdringliche Vermittlungsversuche,
wo Zwei einmal nicht mehr zusammengehen können, führen nur zu tieferer Er¬
bitterung; ist die Auseinandersetzung vollzogen, daß sie einander frei gegenüber¬
stehen, so ist fortan gar wohl ein freundliches Verhältniß möglich. Sobald wir
uns nicht mehr zumuthen, die Schrift anders als wie ein menschliches Buch zu
behandeln, werden wir sie in allen Ehren halten können; sobald wir uns das
Herz fassen, Jesus wirklich in die Reihen der Menschheit zu stellen, wird ihm
unmöglich unsre Verehrung, unmöglich unsre Liebe fehlen können."


W. Lang.


Die Universität zu Rostock.
3.

Das Lehrerpersonal der Universität besteht zunächst aus 24 ordentlichen
Professoren, von denen 4 der theologischen, 5 der juristischen, 6 der medicinischen
und 9 der philosophischen Facultät angehören; sodann aus 4 außerordentlichen Pro¬
fessoren (einem der medicinischen, 3 der philosophischen Facultät) und 7 Privat-
docenten (2 der medicinischen, ö der philosophischen Facultät), im Ganzen also


doch der Erlöser im kirchlichen Sinn des Worts gewesen sein, ist recht
eigentlich auf ihn zurückzuführen. Indem also Strauß eine Kritik des schleier-
macherschen Lebens Jesu unternahm, trug er seine schneidigen Waffen zu¬
gleich in das Bollwerk, hinter dessen schützenden Mauern die modcrngläubige
Theologie Zuflucht gegen das Andrängen der Wissenschaft sucht. Ist auch der
letzte Versuch gescheitert, den kirchlichen Christus dem Geist der modernen Weit
annehmlich zu machen,,so wird man sich nicht länger der Wahrheit verschließen
können, welche Strauß in den Worten ausspricht: „Es geht ein für allemal
nicht mehr. Wir sehen heutzutage alle Dinge im Himmel und auf Erden an¬
ders an als die neutestumentlichen Schriftsteller und die Begründer der christ¬
lichen Glaubenslehre. Was die Evangelisten uns erzählen, können wir so, wie
sie es erzählen, nicht mehr für wahr, was die Apostel glaubten, können wir so,
wie sie es glaubten, nicht mehr für nothwendig zur Seligkeit halten. Unser
Gott ist ein anderer, unsere Welt eine andere, auch Christus kann uns nicht
mehr der sein, der er ihnen war. Dies zuzugestehen ist Pflicht der Wahrhaftig¬
keit; es läugnen oder bemänteln zu wollen, führt zu nichts als Lügen, zur
Schriftverdrchung und Glaubcnsheuchelei. Aufdringliche Vermittlungsversuche,
wo Zwei einmal nicht mehr zusammengehen können, führen nur zu tieferer Er¬
bitterung; ist die Auseinandersetzung vollzogen, daß sie einander frei gegenüber¬
stehen, so ist fortan gar wohl ein freundliches Verhältniß möglich. Sobald wir
uns nicht mehr zumuthen, die Schrift anders als wie ein menschliches Buch zu
behandeln, werden wir sie in allen Ehren halten können; sobald wir uns das
Herz fassen, Jesus wirklich in die Reihen der Menschheit zu stellen, wird ihm
unmöglich unsre Verehrung, unmöglich unsre Liebe fehlen können."


W. Lang.


Die Universität zu Rostock.
3.

Das Lehrerpersonal der Universität besteht zunächst aus 24 ordentlichen
Professoren, von denen 4 der theologischen, 5 der juristischen, 6 der medicinischen
und 9 der philosophischen Facultät angehören; sodann aus 4 außerordentlichen Pro¬
fessoren (einem der medicinischen, 3 der philosophischen Facultät) und 7 Privat-
docenten (2 der medicinischen, ö der philosophischen Facultät), im Ganzen also


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[0476] doch der Erlöser im kirchlichen Sinn des Worts gewesen sein, ist recht eigentlich auf ihn zurückzuführen. Indem also Strauß eine Kritik des schleier- macherschen Lebens Jesu unternahm, trug er seine schneidigen Waffen zu¬ gleich in das Bollwerk, hinter dessen schützenden Mauern die modcrngläubige Theologie Zuflucht gegen das Andrängen der Wissenschaft sucht. Ist auch der letzte Versuch gescheitert, den kirchlichen Christus dem Geist der modernen Weit annehmlich zu machen,,so wird man sich nicht länger der Wahrheit verschließen können, welche Strauß in den Worten ausspricht: „Es geht ein für allemal nicht mehr. Wir sehen heutzutage alle Dinge im Himmel und auf Erden an¬ ders an als die neutestumentlichen Schriftsteller und die Begründer der christ¬ lichen Glaubenslehre. Was die Evangelisten uns erzählen, können wir so, wie sie es erzählen, nicht mehr für wahr, was die Apostel glaubten, können wir so, wie sie es glaubten, nicht mehr für nothwendig zur Seligkeit halten. Unser Gott ist ein anderer, unsere Welt eine andere, auch Christus kann uns nicht mehr der sein, der er ihnen war. Dies zuzugestehen ist Pflicht der Wahrhaftig¬ keit; es läugnen oder bemänteln zu wollen, führt zu nichts als Lügen, zur Schriftverdrchung und Glaubcnsheuchelei. Aufdringliche Vermittlungsversuche, wo Zwei einmal nicht mehr zusammengehen können, führen nur zu tieferer Er¬ bitterung; ist die Auseinandersetzung vollzogen, daß sie einander frei gegenüber¬ stehen, so ist fortan gar wohl ein freundliches Verhältniß möglich. Sobald wir uns nicht mehr zumuthen, die Schrift anders als wie ein menschliches Buch zu behandeln, werden wir sie in allen Ehren halten können; sobald wir uns das Herz fassen, Jesus wirklich in die Reihen der Menschheit zu stellen, wird ihm unmöglich unsre Verehrung, unmöglich unsre Liebe fehlen können." W. Lang. Die Universität zu Rostock. 3. Das Lehrerpersonal der Universität besteht zunächst aus 24 ordentlichen Professoren, von denen 4 der theologischen, 5 der juristischen, 6 der medicinischen und 9 der philosophischen Facultät angehören; sodann aus 4 außerordentlichen Pro¬ fessoren (einem der medicinischen, 3 der philosophischen Facultät) und 7 Privat- docenten (2 der medicinischen, ö der philosophischen Facultät), im Ganzen also

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/476>, abgerufen am 29.04.2024.