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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Bernhard Solff betreffend, habe ich dem Amte Lichtenberg inscribiren lassen,
daß dessen Weib und Kinder sofort arretirt werden sollen, nachdem wegen Be-
schlagung seines Vermögens und Jnvigilirung auf seine Person, auf die erste
geschehene Anzeige an gedachtes Amt sowohl als an das Amt Lutter das nötige
bereits ergangen ist. Den Deserteur aber selbst werden Sie dahin bescheiden,
daß mit seines Gleichen, die ihren Eid gebrochen, niemalen capitulirct werde,
sondern er sich stellen müsse, wenn er nicht alles Seinigen verlustig gehen wolle.
Ich verbleibe mit vieler Consideration


Deroselben
Braunschweig den 28. Dec. ganz ergebener
Carl W. F. 1788. '
Das Plündern und Beutemachen.

Ein schlimmes Corrclat der Werbepraxis war nun das Plündern: der
schreckliche Unfug wurde von den Kriegsherrn zunächst deshalb gestattet und
aufrecht erhalten, um den Soldaten durch den Extraerwerb zu "encouragiren"
Bei dem ganzen alten Militärsystem nahm dieses Ranbrecht eine sehr wichtige
Stelle ein. Auch die einsichtigsten und humanster Kriegsherrn hatten die größte
Mühe es zu beseitigen, da eben der Erfolg der Werbungen sehr wesentlich von
der Freiheit im Plündern abhing, welche sie gestatteten.

Es mußte daher schon als sittlicher Fortschritt betrachtet werden, wenn
das Unrecht, was man nicht ohne Weiteres aufheben zu können einsah, in
ein System, unter strenge Gesetze gebracht wurde.

In dieser Meinung und um der üblen Wirkung des Plünderns auf die
Disciplin zu steuern, setzte Friedrich der Große folgende Bestimmungen fest:
Das Beutemachen war erst nach völliger Beendigung einer Bataille gestattet.
Während dieser durfte kein Todter oder Biessirtcr ausgezogen oder visitirt wer¬
den. Der geschlagene Feind sollte zunächst rasch verfolgt werden und darnach war
es erlaubt, den Gefangenen zu plündern. Bei Einnahme eines Lagers oder
Platzes war das Beutemachen erst dann zulässig, wenn aller Widerstand des
Feindes gebrochen war. Doch durfte der Soldat auch nicht alles behalten, was ihm
in die Hände fiel: ausgenommen waren Fahnen und Standarten, Pauken, Kassen,
Geschütze, Munition, Proviant, was dem Kriegsherrn gehörte. Dafür erhielt
der Mann aber eine Entschädigung.

Eine noch vom großen Kurfürsten datirende Verordnung besagte: daß,
wenn vorher für den Kriegsherrn die Beute weggenommen wäre, den Soldaten
das Uebrige, nach Abzug des zehnten Theils für die Armee zu belassen sei;


Bernhard Solff betreffend, habe ich dem Amte Lichtenberg inscribiren lassen,
daß dessen Weib und Kinder sofort arretirt werden sollen, nachdem wegen Be-
schlagung seines Vermögens und Jnvigilirung auf seine Person, auf die erste
geschehene Anzeige an gedachtes Amt sowohl als an das Amt Lutter das nötige
bereits ergangen ist. Den Deserteur aber selbst werden Sie dahin bescheiden,
daß mit seines Gleichen, die ihren Eid gebrochen, niemalen capitulirct werde,
sondern er sich stellen müsse, wenn er nicht alles Seinigen verlustig gehen wolle.
Ich verbleibe mit vieler Consideration


Deroselben
Braunschweig den 28. Dec. ganz ergebener
Carl W. F. 1788. '
Das Plündern und Beutemachen.

Ein schlimmes Corrclat der Werbepraxis war nun das Plündern: der
schreckliche Unfug wurde von den Kriegsherrn zunächst deshalb gestattet und
aufrecht erhalten, um den Soldaten durch den Extraerwerb zu „encouragiren"
Bei dem ganzen alten Militärsystem nahm dieses Ranbrecht eine sehr wichtige
Stelle ein. Auch die einsichtigsten und humanster Kriegsherrn hatten die größte
Mühe es zu beseitigen, da eben der Erfolg der Werbungen sehr wesentlich von
der Freiheit im Plündern abhing, welche sie gestatteten.

Es mußte daher schon als sittlicher Fortschritt betrachtet werden, wenn
das Unrecht, was man nicht ohne Weiteres aufheben zu können einsah, in
ein System, unter strenge Gesetze gebracht wurde.

In dieser Meinung und um der üblen Wirkung des Plünderns auf die
Disciplin zu steuern, setzte Friedrich der Große folgende Bestimmungen fest:
Das Beutemachen war erst nach völliger Beendigung einer Bataille gestattet.
Während dieser durfte kein Todter oder Biessirtcr ausgezogen oder visitirt wer¬
den. Der geschlagene Feind sollte zunächst rasch verfolgt werden und darnach war
es erlaubt, den Gefangenen zu plündern. Bei Einnahme eines Lagers oder
Platzes war das Beutemachen erst dann zulässig, wenn aller Widerstand des
Feindes gebrochen war. Doch durfte der Soldat auch nicht alles behalten, was ihm
in die Hände fiel: ausgenommen waren Fahnen und Standarten, Pauken, Kassen,
Geschütze, Munition, Proviant, was dem Kriegsherrn gehörte. Dafür erhielt
der Mann aber eine Entschädigung.

Eine noch vom großen Kurfürsten datirende Verordnung besagte: daß,
wenn vorher für den Kriegsherrn die Beute weggenommen wäre, den Soldaten
das Uebrige, nach Abzug des zehnten Theils für die Armee zu belassen sei;


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[0504] Bernhard Solff betreffend, habe ich dem Amte Lichtenberg inscribiren lassen, daß dessen Weib und Kinder sofort arretirt werden sollen, nachdem wegen Be- schlagung seines Vermögens und Jnvigilirung auf seine Person, auf die erste geschehene Anzeige an gedachtes Amt sowohl als an das Amt Lutter das nötige bereits ergangen ist. Den Deserteur aber selbst werden Sie dahin bescheiden, daß mit seines Gleichen, die ihren Eid gebrochen, niemalen capitulirct werde, sondern er sich stellen müsse, wenn er nicht alles Seinigen verlustig gehen wolle. Ich verbleibe mit vieler Consideration Deroselben Braunschweig den 28. Dec. ganz ergebener Carl W. F. 1788. ' Das Plündern und Beutemachen. Ein schlimmes Corrclat der Werbepraxis war nun das Plündern: der schreckliche Unfug wurde von den Kriegsherrn zunächst deshalb gestattet und aufrecht erhalten, um den Soldaten durch den Extraerwerb zu „encouragiren" Bei dem ganzen alten Militärsystem nahm dieses Ranbrecht eine sehr wichtige Stelle ein. Auch die einsichtigsten und humanster Kriegsherrn hatten die größte Mühe es zu beseitigen, da eben der Erfolg der Werbungen sehr wesentlich von der Freiheit im Plündern abhing, welche sie gestatteten. Es mußte daher schon als sittlicher Fortschritt betrachtet werden, wenn das Unrecht, was man nicht ohne Weiteres aufheben zu können einsah, in ein System, unter strenge Gesetze gebracht wurde. In dieser Meinung und um der üblen Wirkung des Plünderns auf die Disciplin zu steuern, setzte Friedrich der Große folgende Bestimmungen fest: Das Beutemachen war erst nach völliger Beendigung einer Bataille gestattet. Während dieser durfte kein Todter oder Biessirtcr ausgezogen oder visitirt wer¬ den. Der geschlagene Feind sollte zunächst rasch verfolgt werden und darnach war es erlaubt, den Gefangenen zu plündern. Bei Einnahme eines Lagers oder Platzes war das Beutemachen erst dann zulässig, wenn aller Widerstand des Feindes gebrochen war. Doch durfte der Soldat auch nicht alles behalten, was ihm in die Hände fiel: ausgenommen waren Fahnen und Standarten, Pauken, Kassen, Geschütze, Munition, Proviant, was dem Kriegsherrn gehörte. Dafür erhielt der Mann aber eine Entschädigung. Eine noch vom großen Kurfürsten datirende Verordnung besagte: daß, wenn vorher für den Kriegsherrn die Beute weggenommen wäre, den Soldaten das Uebrige, nach Abzug des zehnten Theils für die Armee zu belassen sei;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/504>, abgerufen am 29.04.2024.