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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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Deutschlands rechnen. In dem Besitz Italiens -- das fühlt man auch in
Wien sehr gut -- kann Preußen Oestreich nicht unterstützen. Wohl aber kann
und wird es die Ausbreitung Oestreichs nach Osten hin begünstigen. Daß aber
die Sicherheit Oestreichs von dem guten Einvernehmen mit Preußen abhängig
geworden, ist eine Thatsache, deren Erkenntniß wenigstens bei einem Theil der öst¬
reichischen Staatsmänner allmälig. wenn auch langsam, Eingang zu finden
scheint. Ob Oestreich den Ausbruch der italienischen Krise noch auf eine Reihe
von Jahren hin wird verschieben können, das ist freilich nicht allein von der
Weisheit seiner Staatsmänner, sondern auch von der Gunst des Glückes ab¬
hängig. Aber mag die östreichische Politik welche Richtung sie wolle ein¬
schlagen, sie wird sich dem Glücke anzuvertrauen haben. Der Unterschied ist
nur der: Beharrt Oestreich auf seinen alten Traditionen, so wird es auch die
glücklichste Wendung der Dinge fruchtlos und unbenutzt vorübergehen lassen
müssen; schlägt es dagegen unbeirrt die Wege ein. welche die Natur der Dinge
ihm vorschreibt, so wird es im Stande sein, den günstigen Moment zu er¬
greifen, ihn festzuhalten und dadurch die Fähigkeit zum Handeln wieder zu ge¬
winnen, die ihm versagt bleibt, so lange es die neuen Formen nur als Hülle
Z. und Schmuck für die alten abgelebten Tendenzen ansieht.




Annexion oder Anschluß der Herzogthiimer.

Die undeutliche Politik Preußens in Sachen der Herzogthümer hat einen
Wirrwarr von Vermuthungen, einen Sturm von Anschuldigungen hervorgerufen,
sie hat, was uns wichtiger ist, auch in der liberalen Partei lebhafte Erörterungen
veranlaßt. Ein großer Theil der liberalen Preußen ist für Annexion, ein Theil
der liberalen Süddeutschen ruft seine heimischen Regierungen auf zum Schutz gegen
die Annexionswünsche der preußischen Regierung. Nirgend fehlt es an auf¬
richtigen Liberalen, welche sich gradezu als Annexionisten aussprechen und
nicht wenige unserer tüchtigsten Männer gehören in diese Zahl, darneben solche,
welche zur Zeit keine lebhafte Betheiligung an unserer Tagespolitik bewährt
haben, stille Friedliebende, welche jetzt durch die Ohnmacht der kleineren
Staaten und durch die Zerrissenheit Deutschlands bitterlich gekränkt sind. Es
lohnt einmal, das Für und Wider solcher Erörterungen kurz zusammenzu¬
stellen, wie es sich innerhalb der liberalen Partei, zumal außerhalb Preußens
ausdrückt.

Zuerst sprechen die entschiedenen Annexionsmänner, zu denen vor andern
liberale Preußen gehören, aber auch einzelne Stimmführer in den Herzog-
thümern selbst, nicht wenige im übrigen Deutschland bis südlich vom Main:


Deutschlands rechnen. In dem Besitz Italiens — das fühlt man auch in
Wien sehr gut — kann Preußen Oestreich nicht unterstützen. Wohl aber kann
und wird es die Ausbreitung Oestreichs nach Osten hin begünstigen. Daß aber
die Sicherheit Oestreichs von dem guten Einvernehmen mit Preußen abhängig
geworden, ist eine Thatsache, deren Erkenntniß wenigstens bei einem Theil der öst¬
reichischen Staatsmänner allmälig. wenn auch langsam, Eingang zu finden
scheint. Ob Oestreich den Ausbruch der italienischen Krise noch auf eine Reihe
von Jahren hin wird verschieben können, das ist freilich nicht allein von der
Weisheit seiner Staatsmänner, sondern auch von der Gunst des Glückes ab¬
hängig. Aber mag die östreichische Politik welche Richtung sie wolle ein¬
schlagen, sie wird sich dem Glücke anzuvertrauen haben. Der Unterschied ist
nur der: Beharrt Oestreich auf seinen alten Traditionen, so wird es auch die
glücklichste Wendung der Dinge fruchtlos und unbenutzt vorübergehen lassen
müssen; schlägt es dagegen unbeirrt die Wege ein. welche die Natur der Dinge
ihm vorschreibt, so wird es im Stande sein, den günstigen Moment zu er¬
greifen, ihn festzuhalten und dadurch die Fähigkeit zum Handeln wieder zu ge¬
winnen, die ihm versagt bleibt, so lange es die neuen Formen nur als Hülle
Z. und Schmuck für die alten abgelebten Tendenzen ansieht.




Annexion oder Anschluß der Herzogthiimer.

Die undeutliche Politik Preußens in Sachen der Herzogthümer hat einen
Wirrwarr von Vermuthungen, einen Sturm von Anschuldigungen hervorgerufen,
sie hat, was uns wichtiger ist, auch in der liberalen Partei lebhafte Erörterungen
veranlaßt. Ein großer Theil der liberalen Preußen ist für Annexion, ein Theil
der liberalen Süddeutschen ruft seine heimischen Regierungen auf zum Schutz gegen
die Annexionswünsche der preußischen Regierung. Nirgend fehlt es an auf¬
richtigen Liberalen, welche sich gradezu als Annexionisten aussprechen und
nicht wenige unserer tüchtigsten Männer gehören in diese Zahl, darneben solche,
welche zur Zeit keine lebhafte Betheiligung an unserer Tagespolitik bewährt
haben, stille Friedliebende, welche jetzt durch die Ohnmacht der kleineren
Staaten und durch die Zerrissenheit Deutschlands bitterlich gekränkt sind. Es
lohnt einmal, das Für und Wider solcher Erörterungen kurz zusammenzu¬
stellen, wie es sich innerhalb der liberalen Partei, zumal außerhalb Preußens
ausdrückt.

Zuerst sprechen die entschiedenen Annexionsmänner, zu denen vor andern
liberale Preußen gehören, aber auch einzelne Stimmführer in den Herzog-
thümern selbst, nicht wenige im übrigen Deutschland bis südlich vom Main:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/85>, abgerufen am 29.04.2024.