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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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rechtzeitig fertig würde. Dieselbe würde, sobald das Kriegstheater bedroht ist,
eine Garnison von mindestens 16,000 Mann fordern. Die Citadelle selbst
muß zur Aufnahme von 3000 Mann Linie mit entsprechender Artillerie einge¬
richtet sein, während die Besatzung der Städte den Rest der Garnison auf¬
zunehmen und neben dem hamburgischen Contingent aus Landwehr der Her-
zogthümer u. s. w. zu bestehen hätte.

Die Herzogtümer werden also die beste Basis ihres militärischen Schutzes
in einer Festung Akkon"-Hamburg und in einem Kriegshafen und Flotten¬
etablissement Rügen haben, sie werden dann nur nach einer Richtung hin un¬
gehindert sein, nämlich von der Seite der Nordsee. Hier aber ist das Gefechts¬
feld der großen Flotten Englands und Frankreichs, und hier haben wir dem
an sich übermächtigen Feinde bereits die Gewalt eingeräumt, indem wir Helgoland,
welches die ganze in Betracht kommende Küste beherrscht, den Engländern über¬
ließen. Helgoland muß unser sein, wenn wir im Ernst von einer Vertheidigung
unserer Nordseeküsten sprechen wollen. Bis dahin mögen" wir versuchen alle
Landungspunkte zu befestigen, was so gut wie unmöglich ist.




Vermischte Literatur.
Lebenserinnerungen und Denkwürdigkeiten von Carl Gustav
Carus. Erster Theil. 325 S. Oct. Leipzig. F. A. Blockhaus. 1865.

Der Verfasser ist in diesem Buch ein recht deutliches und sprechendes Bild einer
jetzt im Absterben begriffenen Epoche des deutschen Kulturlebens, die wir als die
Epoche der Tagebücher und der schönen Seelen bezeichnen möchten, und in welcher
es für eine Hauptaufgabe des gebildeten Mannes galt, sich unablässig selbst im Spiegel
der Beschaulichkeit zu betrachten, dafür zu sorgen, daß man sich darin mit anmuthigen,
feinen und zarten Empfindungen ^ersehen erblickte, und diese Empfindungen dann dem
Papier zur Aufbewahrung anzuvertrauen. Fortwährend arbeitete man, soweit der
Lebensberuf Zeit ließ, recht gesucht zu denken und recht fein zu fühlen, und fort¬
während hatte man seine Freude darüber, bis man sich in eine Selbstgefälligkeit
hineinempfunden hatte, die auch das Kleinste groß, auch das Gewöhnlichste vornehm
und denkwürdig fand. Als ein Beispiel solcher Auffassung des Lebens in einer großen-
theils vergangenen Periode ist diese Reihe von autobiographischen Aufzeichnungen
recht interessant, auch enthält das Buch in der That manchen feinen Gedanken
und manchen geistreichen Blick in die eigne Entwicklung des Verfassers. Im Großen


rechtzeitig fertig würde. Dieselbe würde, sobald das Kriegstheater bedroht ist,
eine Garnison von mindestens 16,000 Mann fordern. Die Citadelle selbst
muß zur Aufnahme von 3000 Mann Linie mit entsprechender Artillerie einge¬
richtet sein, während die Besatzung der Städte den Rest der Garnison auf¬
zunehmen und neben dem hamburgischen Contingent aus Landwehr der Her-
zogthümer u. s. w. zu bestehen hätte.

Die Herzogtümer werden also die beste Basis ihres militärischen Schutzes
in einer Festung Akkon«-Hamburg und in einem Kriegshafen und Flotten¬
etablissement Rügen haben, sie werden dann nur nach einer Richtung hin un¬
gehindert sein, nämlich von der Seite der Nordsee. Hier aber ist das Gefechts¬
feld der großen Flotten Englands und Frankreichs, und hier haben wir dem
an sich übermächtigen Feinde bereits die Gewalt eingeräumt, indem wir Helgoland,
welches die ganze in Betracht kommende Küste beherrscht, den Engländern über¬
ließen. Helgoland muß unser sein, wenn wir im Ernst von einer Vertheidigung
unserer Nordseeküsten sprechen wollen. Bis dahin mögen" wir versuchen alle
Landungspunkte zu befestigen, was so gut wie unmöglich ist.




Vermischte Literatur.
Lebenserinnerungen und Denkwürdigkeiten von Carl Gustav
Carus. Erster Theil. 325 S. Oct. Leipzig. F. A. Blockhaus. 1865.

Der Verfasser ist in diesem Buch ein recht deutliches und sprechendes Bild einer
jetzt im Absterben begriffenen Epoche des deutschen Kulturlebens, die wir als die
Epoche der Tagebücher und der schönen Seelen bezeichnen möchten, und in welcher
es für eine Hauptaufgabe des gebildeten Mannes galt, sich unablässig selbst im Spiegel
der Beschaulichkeit zu betrachten, dafür zu sorgen, daß man sich darin mit anmuthigen,
feinen und zarten Empfindungen ^ersehen erblickte, und diese Empfindungen dann dem
Papier zur Aufbewahrung anzuvertrauen. Fortwährend arbeitete man, soweit der
Lebensberuf Zeit ließ, recht gesucht zu denken und recht fein zu fühlen, und fort¬
während hatte man seine Freude darüber, bis man sich in eine Selbstgefälligkeit
hineinempfunden hatte, die auch das Kleinste groß, auch das Gewöhnlichste vornehm
und denkwürdig fand. Als ein Beispiel solcher Auffassung des Lebens in einer großen-
theils vergangenen Periode ist diese Reihe von autobiographischen Aufzeichnungen
recht interessant, auch enthält das Buch in der That manchen feinen Gedanken
und manchen geistreichen Blick in die eigne Entwicklung des Verfassers. Im Großen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/213>, abgerufen am 19.05.2024.