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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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CorresMdenz aus Schleswig-Holstein.

Also die Dclcgirtenversammlung der Schleswig-holsteinischen Vereine, die
am 19. April in Rendsburg Weltgeschichte machte, hatte das berliner Kom¬
promiß angenommen, und der gute Mann, der vor einiger Zeit in der kieler
Harmonie die Particularisten in den Herzogtümern mit der Laterne gesucht
und nicht gefunden zu haben erklärte, hätte dre Wahrheit gesagt. Oder wenn
es bei uns, wie doch am Ende nicht wohl zu läugnen, eine sehr starke Partei gab
die nichts von Zugeständnissen an Preußen, nur von Anschluß an Deutschland,
d. h. von Eintritt des selbständigen Schleswig-Holstein in den deutschen Bund,
wissen wollte, so hätte in den letzten Wochen eure großartige Bekehrung dieser
Partei stattgefunden, und der Borwurf des Particularismus träfe wenigstens
jetzt nicht mehr zu.

Nun ja. wer unsern Ofsiciösen glaubt, der wird über diese erfreuliche That-,
sache nicht im Zweifel sei. Da sind die Schleswig-holsteinischen Bercine gleich¬
bedeutend mit dem Schleswig-holsteinischen Volke, und da meinen es die sicht¬
baren und unsichtbaren Obern dieser Vereine durchaus aufrichtig mit den Zu¬
geständnissen, die sie, die Herren Map und v. Neergaard und deren Auftrag¬
geber in Kiel, den Preußen "bewilligen" wollen. Ein paar Kleinigkeiten nur
findet man noch auszusetzen an den Forderungen des Herrn v, Bismarck. im
Uebrigen ist man eitel Opferwilligkeit, und nichts als Blindheit, vollständige
Blindheit oder schwarze annexionistische Bosheit ist es, wenn einer diesen
wunderbaren Umschwung im Lande acht merkt und vergnügt anerkennt. Freuen
wir uns darum, lassen wir das Mißtrauen, bekennen wir, uns in dem Charakter
der Schleswig-Holsteiner getäuscht zu haben, und stimmen wir ein in den Jubel,
daß man preußische,seits jetzt auch Vertrauen zu zeigen und gewillt zu sein scheint,
das Land in seinen Vertretern zu Worte kommen zu lassen: es wird dieses Ver¬
trauen gewiß rechtfertigen.

So- ungefähr der Wind aus der officiösen Region. Schade, daß es Wind
ist: denn die Mähr, die er nach Deutschland trägt, ist in der That nicht übel,
obwohl uns das Abhandeln von den preußischen Forderungen durchaus nichr
gefallen will. Es klang doch wie ein Durchbrechen von Verstand und gutem Willen,
und man konnte von diesem Anfang zu patriotischer Auffassung der Sachlage
Fortgang zum Wandeln in einem neuen Leben und ein gedeihliches Ende, d. h.
Bekehrung zu unserm Programm, rückhaltloses Eingehen auf die preußischen
Bedingungen in Betreff definitiver Ordnung unsrer Angelegenheiten hoffen.

Aber es war wirklich nur der alte inhaltslose Wind, wirklich nur das
alte, von allen Verständigen längst durchschaute Spielen mit der öffentlichen
Meinung in Deutschland. ' Wer sich die grohentheilS aus Schulmeistern beste¬
hende rendsburger Versammlung, die Hauptacteurs und die Beschlüsse nur halb-


CorresMdenz aus Schleswig-Holstein.

Also die Dclcgirtenversammlung der Schleswig-holsteinischen Vereine, die
am 19. April in Rendsburg Weltgeschichte machte, hatte das berliner Kom¬
promiß angenommen, und der gute Mann, der vor einiger Zeit in der kieler
Harmonie die Particularisten in den Herzogtümern mit der Laterne gesucht
und nicht gefunden zu haben erklärte, hätte dre Wahrheit gesagt. Oder wenn
es bei uns, wie doch am Ende nicht wohl zu läugnen, eine sehr starke Partei gab
die nichts von Zugeständnissen an Preußen, nur von Anschluß an Deutschland,
d. h. von Eintritt des selbständigen Schleswig-Holstein in den deutschen Bund,
wissen wollte, so hätte in den letzten Wochen eure großartige Bekehrung dieser
Partei stattgefunden, und der Borwurf des Particularismus träfe wenigstens
jetzt nicht mehr zu.

Nun ja. wer unsern Ofsiciösen glaubt, der wird über diese erfreuliche That-,
sache nicht im Zweifel sei. Da sind die Schleswig-holsteinischen Bercine gleich¬
bedeutend mit dem Schleswig-holsteinischen Volke, und da meinen es die sicht¬
baren und unsichtbaren Obern dieser Vereine durchaus aufrichtig mit den Zu¬
geständnissen, die sie, die Herren Map und v. Neergaard und deren Auftrag¬
geber in Kiel, den Preußen „bewilligen" wollen. Ein paar Kleinigkeiten nur
findet man noch auszusetzen an den Forderungen des Herrn v, Bismarck. im
Uebrigen ist man eitel Opferwilligkeit, und nichts als Blindheit, vollständige
Blindheit oder schwarze annexionistische Bosheit ist es, wenn einer diesen
wunderbaren Umschwung im Lande acht merkt und vergnügt anerkennt. Freuen
wir uns darum, lassen wir das Mißtrauen, bekennen wir, uns in dem Charakter
der Schleswig-Holsteiner getäuscht zu haben, und stimmen wir ein in den Jubel,
daß man preußische,seits jetzt auch Vertrauen zu zeigen und gewillt zu sein scheint,
das Land in seinen Vertretern zu Worte kommen zu lassen: es wird dieses Ver¬
trauen gewiß rechtfertigen.

So- ungefähr der Wind aus der officiösen Region. Schade, daß es Wind
ist: denn die Mähr, die er nach Deutschland trägt, ist in der That nicht übel,
obwohl uns das Abhandeln von den preußischen Forderungen durchaus nichr
gefallen will. Es klang doch wie ein Durchbrechen von Verstand und gutem Willen,
und man konnte von diesem Anfang zu patriotischer Auffassung der Sachlage
Fortgang zum Wandeln in einem neuen Leben und ein gedeihliches Ende, d. h.
Bekehrung zu unserm Programm, rückhaltloses Eingehen auf die preußischen
Bedingungen in Betreff definitiver Ordnung unsrer Angelegenheiten hoffen.

Aber es war wirklich nur der alte inhaltslose Wind, wirklich nur das
alte, von allen Verständigen längst durchschaute Spielen mit der öffentlichen
Meinung in Deutschland. ' Wer sich die grohentheilS aus Schulmeistern beste¬
hende rendsburger Versammlung, die Hauptacteurs und die Beschlüsse nur halb-


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[0253] CorresMdenz aus Schleswig-Holstein. Also die Dclcgirtenversammlung der Schleswig-holsteinischen Vereine, die am 19. April in Rendsburg Weltgeschichte machte, hatte das berliner Kom¬ promiß angenommen, und der gute Mann, der vor einiger Zeit in der kieler Harmonie die Particularisten in den Herzogtümern mit der Laterne gesucht und nicht gefunden zu haben erklärte, hätte dre Wahrheit gesagt. Oder wenn es bei uns, wie doch am Ende nicht wohl zu läugnen, eine sehr starke Partei gab die nichts von Zugeständnissen an Preußen, nur von Anschluß an Deutschland, d. h. von Eintritt des selbständigen Schleswig-Holstein in den deutschen Bund, wissen wollte, so hätte in den letzten Wochen eure großartige Bekehrung dieser Partei stattgefunden, und der Borwurf des Particularismus träfe wenigstens jetzt nicht mehr zu. Nun ja. wer unsern Ofsiciösen glaubt, der wird über diese erfreuliche That-, sache nicht im Zweifel sei. Da sind die Schleswig-holsteinischen Bercine gleich¬ bedeutend mit dem Schleswig-holsteinischen Volke, und da meinen es die sicht¬ baren und unsichtbaren Obern dieser Vereine durchaus aufrichtig mit den Zu¬ geständnissen, die sie, die Herren Map und v. Neergaard und deren Auftrag¬ geber in Kiel, den Preußen „bewilligen" wollen. Ein paar Kleinigkeiten nur findet man noch auszusetzen an den Forderungen des Herrn v, Bismarck. im Uebrigen ist man eitel Opferwilligkeit, und nichts als Blindheit, vollständige Blindheit oder schwarze annexionistische Bosheit ist es, wenn einer diesen wunderbaren Umschwung im Lande acht merkt und vergnügt anerkennt. Freuen wir uns darum, lassen wir das Mißtrauen, bekennen wir, uns in dem Charakter der Schleswig-Holsteiner getäuscht zu haben, und stimmen wir ein in den Jubel, daß man preußische,seits jetzt auch Vertrauen zu zeigen und gewillt zu sein scheint, das Land in seinen Vertretern zu Worte kommen zu lassen: es wird dieses Ver¬ trauen gewiß rechtfertigen. So- ungefähr der Wind aus der officiösen Region. Schade, daß es Wind ist: denn die Mähr, die er nach Deutschland trägt, ist in der That nicht übel, obwohl uns das Abhandeln von den preußischen Forderungen durchaus nichr gefallen will. Es klang doch wie ein Durchbrechen von Verstand und gutem Willen, und man konnte von diesem Anfang zu patriotischer Auffassung der Sachlage Fortgang zum Wandeln in einem neuen Leben und ein gedeihliches Ende, d. h. Bekehrung zu unserm Programm, rückhaltloses Eingehen auf die preußischen Bedingungen in Betreff definitiver Ordnung unsrer Angelegenheiten hoffen. Aber es war wirklich nur der alte inhaltslose Wind, wirklich nur das alte, von allen Verständigen längst durchschaute Spielen mit der öffentlichen Meinung in Deutschland. ' Wer sich die grohentheilS aus Schulmeistern beste¬ hende rendsburger Versammlung, die Hauptacteurs und die Beschlüsse nur halb-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/253>, abgerufen am 18.05.2024.