Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Knechten einzuholen. Nach der Trauung begiebt sich die Gesellschaft zusammen
zum Brauthause, wo die Bewirthung mit Suppe , Fleisch, Fisch oder Schinken,
Gries, Braten und Kuchen stattfindet. Zum Schluß der Mahlzeit wird ein
Psalm gesungen, und dann werden die Gäste eingeladen, am andern Morgen
wieder ihre Plätze einzunehmen. Eine hoche Hochzeit dauert oft drei, zuweilen
auch wohl vier Tage, und jeden Abend wird bis in die sinkende Nacht getanzt.
Ueberhaupt ist der Tanz einer der wesentlichsten Theile des alten nordischen
Hochzeitsbrauches. Die Braut muß zuerst mit allen Mädchen einen Rundtanz
tanzen; demnächst vertauscht sie ihren Brautkranz mit einer Haube und tanzt
dann mit allen Frauen, geht also hierdurch aus der Zunft der Jungfrauen
in die der Frauen über.

Von den übrigen Familienfesten sind nur noch die Begrcibnißessen merk¬
würdig, wo es oft lustig hergeht und der Kummer um den Dahingeschiedenen
mit dem sogenannten Grabbiere hinuntergespült wird.




Das älteste Portrait Dantes.

In den Tagen, als Florenz noch die Hauptstadt des Großherzogthums Tos-
kana war, traten einige angesehene Männer zusammen, um zu der bevorstehen¬
den hundertjährigen Gedächtnißfeier des großen italienischen Dichters Dante
Vorbereitungen zu treffen. Dem Großherzog und den übrigen Fürsten gegen¬
über sollte das Fest nur eine Verherrlichung des dichterischen Genius sein.
Die Enthüllung einer Statue, das Citiren einiger Verse und der Enthusias¬
mus eines vergnügten geräuschlosen Publikums sollten in harmloser Weise einen
so bedeutungsvollen Tag verschönern. Die Männer, die damals ihre Kräfte
zu den Vorbereitungen einer nationalen Feierlichkeit vereinigten, waren
aber Patrioten und hegten den Gedanken, diese Feier zu einem Agitations¬
mittel zu hertzen. Sie erwogen sorglich die Worte des Ausrufs, die unter anderm
Schein die Idee von Italiens Einheit verkünden sollten, und stellten als höchstes
Ziel eine geglückte politische Demonstration vor Augen. Zwischen jenen Tagen
und der nun am nächsten 14. Mai stattfindenden Feier haben große nationale
Ereignisse die italienischen Staaten und namentlich die Geburtsstätte Dante's
umgeformt. Schlachten sind geschlagen, Verträge geschlossen, Italien ist bis


Knechten einzuholen. Nach der Trauung begiebt sich die Gesellschaft zusammen
zum Brauthause, wo die Bewirthung mit Suppe , Fleisch, Fisch oder Schinken,
Gries, Braten und Kuchen stattfindet. Zum Schluß der Mahlzeit wird ein
Psalm gesungen, und dann werden die Gäste eingeladen, am andern Morgen
wieder ihre Plätze einzunehmen. Eine hoche Hochzeit dauert oft drei, zuweilen
auch wohl vier Tage, und jeden Abend wird bis in die sinkende Nacht getanzt.
Ueberhaupt ist der Tanz einer der wesentlichsten Theile des alten nordischen
Hochzeitsbrauches. Die Braut muß zuerst mit allen Mädchen einen Rundtanz
tanzen; demnächst vertauscht sie ihren Brautkranz mit einer Haube und tanzt
dann mit allen Frauen, geht also hierdurch aus der Zunft der Jungfrauen
in die der Frauen über.

Von den übrigen Familienfesten sind nur noch die Begrcibnißessen merk¬
würdig, wo es oft lustig hergeht und der Kummer um den Dahingeschiedenen
mit dem sogenannten Grabbiere hinuntergespült wird.




Das älteste Portrait Dantes.

In den Tagen, als Florenz noch die Hauptstadt des Großherzogthums Tos-
kana war, traten einige angesehene Männer zusammen, um zu der bevorstehen¬
den hundertjährigen Gedächtnißfeier des großen italienischen Dichters Dante
Vorbereitungen zu treffen. Dem Großherzog und den übrigen Fürsten gegen¬
über sollte das Fest nur eine Verherrlichung des dichterischen Genius sein.
Die Enthüllung einer Statue, das Citiren einiger Verse und der Enthusias¬
mus eines vergnügten geräuschlosen Publikums sollten in harmloser Weise einen
so bedeutungsvollen Tag verschönern. Die Männer, die damals ihre Kräfte
zu den Vorbereitungen einer nationalen Feierlichkeit vereinigten, waren
aber Patrioten und hegten den Gedanken, diese Feier zu einem Agitations¬
mittel zu hertzen. Sie erwogen sorglich die Worte des Ausrufs, die unter anderm
Schein die Idee von Italiens Einheit verkünden sollten, und stellten als höchstes
Ziel eine geglückte politische Demonstration vor Augen. Zwischen jenen Tagen
und der nun am nächsten 14. Mai stattfindenden Feier haben große nationale
Ereignisse die italienischen Staaten und namentlich die Geburtsstätte Dante's
umgeformt. Schlachten sind geschlagen, Verträge geschlossen, Italien ist bis


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0280" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283077"/>
          <p xml:id="ID_898" prev="#ID_897"> Knechten einzuholen. Nach der Trauung begiebt sich die Gesellschaft zusammen<lb/>
zum Brauthause, wo die Bewirthung mit Suppe , Fleisch, Fisch oder Schinken,<lb/>
Gries, Braten und Kuchen stattfindet. Zum Schluß der Mahlzeit wird ein<lb/>
Psalm gesungen, und dann werden die Gäste eingeladen, am andern Morgen<lb/>
wieder ihre Plätze einzunehmen. Eine hoche Hochzeit dauert oft drei, zuweilen<lb/>
auch wohl vier Tage, und jeden Abend wird bis in die sinkende Nacht getanzt.<lb/>
Ueberhaupt ist der Tanz einer der wesentlichsten Theile des alten nordischen<lb/>
Hochzeitsbrauches. Die Braut muß zuerst mit allen Mädchen einen Rundtanz<lb/>
tanzen; demnächst vertauscht sie ihren Brautkranz mit einer Haube und tanzt<lb/>
dann mit allen Frauen, geht also hierdurch aus der Zunft der Jungfrauen<lb/>
in die der Frauen über.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_899"> Von den übrigen Familienfesten sind nur noch die Begrcibnißessen merk¬<lb/>
würdig, wo es oft lustig hergeht und der Kummer um den Dahingeschiedenen<lb/>
mit dem sogenannten Grabbiere hinuntergespült wird.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das älteste Portrait Dantes.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_900" next="#ID_901"> In den Tagen, als Florenz noch die Hauptstadt des Großherzogthums Tos-<lb/>
kana war, traten einige angesehene Männer zusammen, um zu der bevorstehen¬<lb/>
den hundertjährigen Gedächtnißfeier des großen italienischen Dichters Dante<lb/>
Vorbereitungen zu treffen. Dem Großherzog und den übrigen Fürsten gegen¬<lb/>
über sollte das Fest nur eine Verherrlichung des dichterischen Genius sein.<lb/>
Die Enthüllung einer Statue, das Citiren einiger Verse und der Enthusias¬<lb/>
mus eines vergnügten geräuschlosen Publikums sollten in harmloser Weise einen<lb/>
so bedeutungsvollen Tag verschönern. Die Männer, die damals ihre Kräfte<lb/>
zu den Vorbereitungen einer nationalen Feierlichkeit vereinigten, waren<lb/>
aber Patrioten und hegten den Gedanken, diese Feier zu einem Agitations¬<lb/>
mittel zu hertzen. Sie erwogen sorglich die Worte des Ausrufs, die unter anderm<lb/>
Schein die Idee von Italiens Einheit verkünden sollten, und stellten als höchstes<lb/>
Ziel eine geglückte politische Demonstration vor Augen. Zwischen jenen Tagen<lb/>
und der nun am nächsten 14. Mai stattfindenden Feier haben große nationale<lb/>
Ereignisse die italienischen Staaten und namentlich die Geburtsstätte Dante's<lb/>
umgeformt. Schlachten sind geschlagen, Verträge geschlossen, Italien ist bis</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0280] Knechten einzuholen. Nach der Trauung begiebt sich die Gesellschaft zusammen zum Brauthause, wo die Bewirthung mit Suppe , Fleisch, Fisch oder Schinken, Gries, Braten und Kuchen stattfindet. Zum Schluß der Mahlzeit wird ein Psalm gesungen, und dann werden die Gäste eingeladen, am andern Morgen wieder ihre Plätze einzunehmen. Eine hoche Hochzeit dauert oft drei, zuweilen auch wohl vier Tage, und jeden Abend wird bis in die sinkende Nacht getanzt. Ueberhaupt ist der Tanz einer der wesentlichsten Theile des alten nordischen Hochzeitsbrauches. Die Braut muß zuerst mit allen Mädchen einen Rundtanz tanzen; demnächst vertauscht sie ihren Brautkranz mit einer Haube und tanzt dann mit allen Frauen, geht also hierdurch aus der Zunft der Jungfrauen in die der Frauen über. Von den übrigen Familienfesten sind nur noch die Begrcibnißessen merk¬ würdig, wo es oft lustig hergeht und der Kummer um den Dahingeschiedenen mit dem sogenannten Grabbiere hinuntergespült wird. Das älteste Portrait Dantes. In den Tagen, als Florenz noch die Hauptstadt des Großherzogthums Tos- kana war, traten einige angesehene Männer zusammen, um zu der bevorstehen¬ den hundertjährigen Gedächtnißfeier des großen italienischen Dichters Dante Vorbereitungen zu treffen. Dem Großherzog und den übrigen Fürsten gegen¬ über sollte das Fest nur eine Verherrlichung des dichterischen Genius sein. Die Enthüllung einer Statue, das Citiren einiger Verse und der Enthusias¬ mus eines vergnügten geräuschlosen Publikums sollten in harmloser Weise einen so bedeutungsvollen Tag verschönern. Die Männer, die damals ihre Kräfte zu den Vorbereitungen einer nationalen Feierlichkeit vereinigten, waren aber Patrioten und hegten den Gedanken, diese Feier zu einem Agitations¬ mittel zu hertzen. Sie erwogen sorglich die Worte des Ausrufs, die unter anderm Schein die Idee von Italiens Einheit verkünden sollten, und stellten als höchstes Ziel eine geglückte politische Demonstration vor Augen. Zwischen jenen Tagen und der nun am nächsten 14. Mai stattfindenden Feier haben große nationale Ereignisse die italienischen Staaten und namentlich die Geburtsstätte Dante's umgeformt. Schlachten sind geschlagen, Verträge geschlossen, Italien ist bis

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/280
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/280>, abgerufen am 26.05.2024.