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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Hannovers nur lau betreibt -- für den alten Wohlstand und die mannigfachen Hilfs¬
quellen Ostfrieslands hätte es sie ohne allen Zweifel schon vor zwcmz'g Jahren
erzwungen. Die Provinz brauchte dann nicht ihre besten Kräfte in dem Wider¬
streben gegen ein Joch zu erschöpfen, dem sie sich innerlich nie anbequemen
wird, am wenigsten seitdem der Gedanke der Einigung Deutschlands durch Preu¬
ßen wieder obenauf ist in unserem öffentlichen Leben, -- und Preußen hätte
nie den festen Fuß an der Nordsee verloren, der uns wahrscheinlich ein oder
zwei Jahrzehnte früher zu einer respectabeln Seemacht verhelfen hätte.

Das alles geht jetzt den ostfriesisch.er Vaterlandsfreunden im Kopfe herum,
da der Wclfenkönig mit seiner absichtsvoller Sympathienwerbung unter ihnen
erscheint, und darum bleiben sie kalt auch bei dem gnädigsten Lächeln.




Das Ramhmuseum in Berlin.

Die öffentlichen Kunstsammlungen Berlins sind seit Kurzem um eine neue
vermehrt. Das oft gewünschte und beantragte Nauchmuseum ist in dem dafür
eingerichteten Saal des königlichen Lagerhauses eröffnet worden. Die unge¬
heure Menge der von Christian Rauch .hinterlassenen, im Verlauf eines an
Schöpferkraft, an Glück und Dauer über das gewöhnliche Maß des mensch¬
lichen weit hinausgehenden Lebens geschaffenen Arbeiten so gut wie die künst¬
lerische Bedeutung derselben regten schon bei seinem Tode vor nun acht Jahren
den Gedanken an, dieses Vermächtnis; unzcrsplittert zu erhalten und in einer
Form und Ordnung zu bewahren, welche seinem Werth entspräche und den Zweck
erfüllte, dem Geschiedenen das würdigste Denkmal, den Zeitgenossen, wie den
kommenden Generationen eine Stätte der Lehre, des Studiums, der künstlerischen
Erhebung zu werden. Es war das immer Rauchs eigner Wunsch gewesen,
der es, wie jeder mit ihm, lebhaft beklagte, daß in Bezug auf seine großen
Vorgänger in der deutschen Bildhauerei, Schlüter, Tassärt, Schadow nicht ein
ähnlicher Gedanke zur Verwirklichung gelangt sei. Was ist uns von, der
ganzen Lebensarbeit dieser Meister geblieben außer den zur letzten Ausführung
gelangten öffentlichen Monumenten?! Wo sind ihre Entwürfe, Studien, Skizzen,
in denen ihr Genie seinen unmittelbarsten Ausdruck fand? Verstreut und zer.
splittert, und die Familienpietät so wenig wie die staatliche Vorsorge hat uns


Hannovers nur lau betreibt — für den alten Wohlstand und die mannigfachen Hilfs¬
quellen Ostfrieslands hätte es sie ohne allen Zweifel schon vor zwcmz'g Jahren
erzwungen. Die Provinz brauchte dann nicht ihre besten Kräfte in dem Wider¬
streben gegen ein Joch zu erschöpfen, dem sie sich innerlich nie anbequemen
wird, am wenigsten seitdem der Gedanke der Einigung Deutschlands durch Preu¬
ßen wieder obenauf ist in unserem öffentlichen Leben, — und Preußen hätte
nie den festen Fuß an der Nordsee verloren, der uns wahrscheinlich ein oder
zwei Jahrzehnte früher zu einer respectabeln Seemacht verhelfen hätte.

Das alles geht jetzt den ostfriesisch.er Vaterlandsfreunden im Kopfe herum,
da der Wclfenkönig mit seiner absichtsvoller Sympathienwerbung unter ihnen
erscheint, und darum bleiben sie kalt auch bei dem gnädigsten Lächeln.




Das Ramhmuseum in Berlin.

Die öffentlichen Kunstsammlungen Berlins sind seit Kurzem um eine neue
vermehrt. Das oft gewünschte und beantragte Nauchmuseum ist in dem dafür
eingerichteten Saal des königlichen Lagerhauses eröffnet worden. Die unge¬
heure Menge der von Christian Rauch .hinterlassenen, im Verlauf eines an
Schöpferkraft, an Glück und Dauer über das gewöhnliche Maß des mensch¬
lichen weit hinausgehenden Lebens geschaffenen Arbeiten so gut wie die künst¬
lerische Bedeutung derselben regten schon bei seinem Tode vor nun acht Jahren
den Gedanken an, dieses Vermächtnis; unzcrsplittert zu erhalten und in einer
Form und Ordnung zu bewahren, welche seinem Werth entspräche und den Zweck
erfüllte, dem Geschiedenen das würdigste Denkmal, den Zeitgenossen, wie den
kommenden Generationen eine Stätte der Lehre, des Studiums, der künstlerischen
Erhebung zu werden. Es war das immer Rauchs eigner Wunsch gewesen,
der es, wie jeder mit ihm, lebhaft beklagte, daß in Bezug auf seine großen
Vorgänger in der deutschen Bildhauerei, Schlüter, Tassärt, Schadow nicht ein
ähnlicher Gedanke zur Verwirklichung gelangt sei. Was ist uns von, der
ganzen Lebensarbeit dieser Meister geblieben außer den zur letzten Ausführung
gelangten öffentlichen Monumenten?! Wo sind ihre Entwürfe, Studien, Skizzen,
in denen ihr Genie seinen unmittelbarsten Ausdruck fand? Verstreut und zer.
splittert, und die Familienpietät so wenig wie die staatliche Vorsorge hat uns


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[0011] Hannovers nur lau betreibt — für den alten Wohlstand und die mannigfachen Hilfs¬ quellen Ostfrieslands hätte es sie ohne allen Zweifel schon vor zwcmz'g Jahren erzwungen. Die Provinz brauchte dann nicht ihre besten Kräfte in dem Wider¬ streben gegen ein Joch zu erschöpfen, dem sie sich innerlich nie anbequemen wird, am wenigsten seitdem der Gedanke der Einigung Deutschlands durch Preu¬ ßen wieder obenauf ist in unserem öffentlichen Leben, — und Preußen hätte nie den festen Fuß an der Nordsee verloren, der uns wahrscheinlich ein oder zwei Jahrzehnte früher zu einer respectabeln Seemacht verhelfen hätte. Das alles geht jetzt den ostfriesisch.er Vaterlandsfreunden im Kopfe herum, da der Wclfenkönig mit seiner absichtsvoller Sympathienwerbung unter ihnen erscheint, und darum bleiben sie kalt auch bei dem gnädigsten Lächeln. Das Ramhmuseum in Berlin. Die öffentlichen Kunstsammlungen Berlins sind seit Kurzem um eine neue vermehrt. Das oft gewünschte und beantragte Nauchmuseum ist in dem dafür eingerichteten Saal des königlichen Lagerhauses eröffnet worden. Die unge¬ heure Menge der von Christian Rauch .hinterlassenen, im Verlauf eines an Schöpferkraft, an Glück und Dauer über das gewöhnliche Maß des mensch¬ lichen weit hinausgehenden Lebens geschaffenen Arbeiten so gut wie die künst¬ lerische Bedeutung derselben regten schon bei seinem Tode vor nun acht Jahren den Gedanken an, dieses Vermächtnis; unzcrsplittert zu erhalten und in einer Form und Ordnung zu bewahren, welche seinem Werth entspräche und den Zweck erfüllte, dem Geschiedenen das würdigste Denkmal, den Zeitgenossen, wie den kommenden Generationen eine Stätte der Lehre, des Studiums, der künstlerischen Erhebung zu werden. Es war das immer Rauchs eigner Wunsch gewesen, der es, wie jeder mit ihm, lebhaft beklagte, daß in Bezug auf seine großen Vorgänger in der deutschen Bildhauerei, Schlüter, Tassärt, Schadow nicht ein ähnlicher Gedanke zur Verwirklichung gelangt sei. Was ist uns von, der ganzen Lebensarbeit dieser Meister geblieben außer den zur letzten Ausführung gelangten öffentlichen Monumenten?! Wo sind ihre Entwürfe, Studien, Skizzen, in denen ihr Genie seinen unmittelbarsten Ausdruck fand? Verstreut und zer. splittert, und die Familienpietät so wenig wie die staatliche Vorsorge hat uns

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/11>, abgerufen am 25.05.2024.