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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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chische Übersetzung wurde dies in vieler Hinsicht wichtigste Buch des Alten
Testamentes einem größern Lesekreis zugänglich, der sich nicht viel später, als
das Christenthum sich auszubreiten anfing, ungeheuer erweiterte. Die grie¬
chische Benennung ?salmoi d. i. "Lieder zum Saitenspiel" ging aus den
Afterübersetzungen des griechischen Textes zu allen europäischen Nationen über;
auch die Bezeichnung der Sammlung als ?salwrion d. i. das Saiteninstru¬
ment, zu welchem die Psalmoi gesungen werden, ward allgemein recipirt.
Welche Wichtigkeit diese Liedersammlung dann auf die Literaturen und die
ganze Denkweise des christlichen Volkes gehabt hat, das auseinanderzusetzen,
würde uns weit über unser Ziel hinausführen.

Wie aber durchgängig derartige Sammlungen den Erfolg haben, zwar
vieles zu retten, was sonst leicht verloren wäre, dagegen anderes, was zufällig
oder absichtlich nicht in sie aufgenommen ist, desto sicherer der Vergessenheit zu
überliefern, so ist es auch hier geschehen. Mit Ausnahme der einzeln in den
geschichtlichen oder prophetischen Büchern zerstreuten Gedichte und der kleinen
Sammlung der vier Klagelieder enthält der Psalter alles, was uns noch von
der sicher sehr reichen lyrischen Poesie des hebräischen Volkes aus alttestament-
licher Zeit aufbewahrt ist.




Das Leben Gneisenaus von Pertz.
i.

Der zweite Band von Pertz "Das Leben des Feldmarschall Grafen Neid-
hart v. Gneisenau" ist erschienen und umfaßt die Jahre 1810--1813. Die
Hauptsache darin sind Originalschriftstücke Gneisenaus; Briefe und Aufsätze.
Welche die Zeitgeschichte behandeln und wohl die interessantesten des ganzen
Werkes sein dürften, da wir durch sie Verständniß dessen bekommen, was Gnei¬
senau für Preußen war: in den leitenden Kreisen die Personification aller edlen
Eigenschaften, an welchen sich Preußen in der Zeit der schmachvollsten Unter¬
drückung erhob, und durch welche es Kraft gewann, im großen Völkerkämpfe die
treibende Macht zu werden. -- Aber grade deshalb ist es zu bedauern, daß
der Biograph nicht der Künstler ist, der aus dem reichen Material lebendige
Bilder schasst, er ist wenig mehr als ein erfahrener Sammler, der seine großen


18*

chische Übersetzung wurde dies in vieler Hinsicht wichtigste Buch des Alten
Testamentes einem größern Lesekreis zugänglich, der sich nicht viel später, als
das Christenthum sich auszubreiten anfing, ungeheuer erweiterte. Die grie¬
chische Benennung ?salmoi d. i. „Lieder zum Saitenspiel" ging aus den
Afterübersetzungen des griechischen Textes zu allen europäischen Nationen über;
auch die Bezeichnung der Sammlung als ?salwrion d. i. das Saiteninstru¬
ment, zu welchem die Psalmoi gesungen werden, ward allgemein recipirt.
Welche Wichtigkeit diese Liedersammlung dann auf die Literaturen und die
ganze Denkweise des christlichen Volkes gehabt hat, das auseinanderzusetzen,
würde uns weit über unser Ziel hinausführen.

Wie aber durchgängig derartige Sammlungen den Erfolg haben, zwar
vieles zu retten, was sonst leicht verloren wäre, dagegen anderes, was zufällig
oder absichtlich nicht in sie aufgenommen ist, desto sicherer der Vergessenheit zu
überliefern, so ist es auch hier geschehen. Mit Ausnahme der einzeln in den
geschichtlichen oder prophetischen Büchern zerstreuten Gedichte und der kleinen
Sammlung der vier Klagelieder enthält der Psalter alles, was uns noch von
der sicher sehr reichen lyrischen Poesie des hebräischen Volkes aus alttestament-
licher Zeit aufbewahrt ist.




Das Leben Gneisenaus von Pertz.
i.

Der zweite Band von Pertz „Das Leben des Feldmarschall Grafen Neid-
hart v. Gneisenau" ist erschienen und umfaßt die Jahre 1810—1813. Die
Hauptsache darin sind Originalschriftstücke Gneisenaus; Briefe und Aufsätze.
Welche die Zeitgeschichte behandeln und wohl die interessantesten des ganzen
Werkes sein dürften, da wir durch sie Verständniß dessen bekommen, was Gnei¬
senau für Preußen war: in den leitenden Kreisen die Personification aller edlen
Eigenschaften, an welchen sich Preußen in der Zeit der schmachvollsten Unter¬
drückung erhob, und durch welche es Kraft gewann, im großen Völkerkämpfe die
treibende Macht zu werden. — Aber grade deshalb ist es zu bedauern, daß
der Biograph nicht der Künstler ist, der aus dem reichen Material lebendige
Bilder schasst, er ist wenig mehr als ein erfahrener Sammler, der seine großen


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[0155] chische Übersetzung wurde dies in vieler Hinsicht wichtigste Buch des Alten Testamentes einem größern Lesekreis zugänglich, der sich nicht viel später, als das Christenthum sich auszubreiten anfing, ungeheuer erweiterte. Die grie¬ chische Benennung ?salmoi d. i. „Lieder zum Saitenspiel" ging aus den Afterübersetzungen des griechischen Textes zu allen europäischen Nationen über; auch die Bezeichnung der Sammlung als ?salwrion d. i. das Saiteninstru¬ ment, zu welchem die Psalmoi gesungen werden, ward allgemein recipirt. Welche Wichtigkeit diese Liedersammlung dann auf die Literaturen und die ganze Denkweise des christlichen Volkes gehabt hat, das auseinanderzusetzen, würde uns weit über unser Ziel hinausführen. Wie aber durchgängig derartige Sammlungen den Erfolg haben, zwar vieles zu retten, was sonst leicht verloren wäre, dagegen anderes, was zufällig oder absichtlich nicht in sie aufgenommen ist, desto sicherer der Vergessenheit zu überliefern, so ist es auch hier geschehen. Mit Ausnahme der einzeln in den geschichtlichen oder prophetischen Büchern zerstreuten Gedichte und der kleinen Sammlung der vier Klagelieder enthält der Psalter alles, was uns noch von der sicher sehr reichen lyrischen Poesie des hebräischen Volkes aus alttestament- licher Zeit aufbewahrt ist. Das Leben Gneisenaus von Pertz. i. Der zweite Band von Pertz „Das Leben des Feldmarschall Grafen Neid- hart v. Gneisenau" ist erschienen und umfaßt die Jahre 1810—1813. Die Hauptsache darin sind Originalschriftstücke Gneisenaus; Briefe und Aufsätze. Welche die Zeitgeschichte behandeln und wohl die interessantesten des ganzen Werkes sein dürften, da wir durch sie Verständniß dessen bekommen, was Gnei¬ senau für Preußen war: in den leitenden Kreisen die Personification aller edlen Eigenschaften, an welchen sich Preußen in der Zeit der schmachvollsten Unter¬ drückung erhob, und durch welche es Kraft gewann, im großen Völkerkämpfe die treibende Macht zu werden. — Aber grade deshalb ist es zu bedauern, daß der Biograph nicht der Künstler ist, der aus dem reichen Material lebendige Bilder schasst, er ist wenig mehr als ein erfahrener Sammler, der seine großen 18*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/155>, abgerufen am 29.04.2024.