Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Deutsche Studenten in alter Zeit.
Moritz Busch. Von

Im Nachstehenden die in Ur. 12 der diesjährigen Grenzboten angekündigten
und dort wie in Ur. 13 eingeleiteten Bilder aus dem Studentenleben früherer
Jahrhunderte. Vorher indeß noch ein paar weitere Bemerkungen.

Zwar liegt es in der Natur der Dinge, daß gewisse Züge in der Physiog¬
nomie unsrer Hochschulen sich mit dem Wechsel der Zeiten ändern, und daß,
wie jede Periode der allgemeinen Entwickelung ihre besondre Signatur, ihre
eigenthümlichen Tugenden, Laster, Richtungen und Liebhabereien hat, so auch
jeder größere Abschnitt in der Geschichte der Studentenwelt, in deren Leben
jene alle sich selbstverständlich wiederspiegeln. Wir werden sogleich sehen, wie
mächtig das Wiedererwachen der classischen Studien auch auf die Sitten der
Studirenden einwirkte, und wir werden serner sehen, wie der unruhige wander¬
lustige Geist des fünfzehnten und sechszehnten Jahrhunderts auch ihrer sich be¬
mächtigte. Man wird, um anderes hier unberührt zu lassen, die Einwirkung
des dreißigjährigen Kriegs auf den deutschen Musensohn deutlich bemerken, und
man wird sodann den auffälligen Zug nach geheimen Verbindungen und
Mysterienfirlefanz, der durch das achtzehnte Säculum geht, unter den Studiren¬
den dieser Zeit ebenfalls wiederfinden. Schließlich sei darauf hingewiesen, daß
der Gegensatz der Corps und der Burschenschaft in der Gegenwart nichts als
ein Abbild der großen Gegensätze zwischen den particularistischen und unitarischen,
den absolutistischen und liberalen Bestrebungen der politischen Welt ist. Ueber¬
all zieht die Jugend, ihrem Wesen nach zwischen Erfindung und Nach¬
ahmung gestellt, die Erscheinungen dieser Welt in ihren Kreis, und anderes
wieder drängt sich ihr ohne ihr Wissen und Wollen auf.

Ebenso natürlich aber ist andrerseits, daß bestimmte andere Züge im Wesen
der Universitäten sich in der ältesten wie in der neusten Zeit zeigen und, wenn
sie einmal verschwunden sind, wiederkehren. Wie bei den Lehrern die Folgen
des Lebens in meist kleinen Orten, der Zurückgezogenheit in der Studirstube,


Grenjboten it. 1866. 26
Deutsche Studenten in alter Zeit.
Moritz Busch. Von

Im Nachstehenden die in Ur. 12 der diesjährigen Grenzboten angekündigten
und dort wie in Ur. 13 eingeleiteten Bilder aus dem Studentenleben früherer
Jahrhunderte. Vorher indeß noch ein paar weitere Bemerkungen.

Zwar liegt es in der Natur der Dinge, daß gewisse Züge in der Physiog¬
nomie unsrer Hochschulen sich mit dem Wechsel der Zeiten ändern, und daß,
wie jede Periode der allgemeinen Entwickelung ihre besondre Signatur, ihre
eigenthümlichen Tugenden, Laster, Richtungen und Liebhabereien hat, so auch
jeder größere Abschnitt in der Geschichte der Studentenwelt, in deren Leben
jene alle sich selbstverständlich wiederspiegeln. Wir werden sogleich sehen, wie
mächtig das Wiedererwachen der classischen Studien auch auf die Sitten der
Studirenden einwirkte, und wir werden serner sehen, wie der unruhige wander¬
lustige Geist des fünfzehnten und sechszehnten Jahrhunderts auch ihrer sich be¬
mächtigte. Man wird, um anderes hier unberührt zu lassen, die Einwirkung
des dreißigjährigen Kriegs auf den deutschen Musensohn deutlich bemerken, und
man wird sodann den auffälligen Zug nach geheimen Verbindungen und
Mysterienfirlefanz, der durch das achtzehnte Säculum geht, unter den Studiren¬
den dieser Zeit ebenfalls wiederfinden. Schließlich sei darauf hingewiesen, daß
der Gegensatz der Corps und der Burschenschaft in der Gegenwart nichts als
ein Abbild der großen Gegensätze zwischen den particularistischen und unitarischen,
den absolutistischen und liberalen Bestrebungen der politischen Welt ist. Ueber¬
all zieht die Jugend, ihrem Wesen nach zwischen Erfindung und Nach¬
ahmung gestellt, die Erscheinungen dieser Welt in ihren Kreis, und anderes
wieder drängt sich ihr ohne ihr Wissen und Wollen auf.

Ebenso natürlich aber ist andrerseits, daß bestimmte andere Züge im Wesen
der Universitäten sich in der ältesten wie in der neusten Zeit zeigen und, wenn
sie einmal verschwunden sind, wiederkehren. Wie bei den Lehrern die Folgen
des Lebens in meist kleinen Orten, der Zurückgezogenheit in der Studirstube,


Grenjboten it. 1866. 26
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285249"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Deutsche Studenten in alter Zeit.<lb/><note type="byline"> Moritz Busch.</note> Von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_561"> Im Nachstehenden die in Ur. 12 der diesjährigen Grenzboten angekündigten<lb/>
und dort wie in Ur. 13 eingeleiteten Bilder aus dem Studentenleben früherer<lb/>
Jahrhunderte. Vorher indeß noch ein paar weitere Bemerkungen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_562"> Zwar liegt es in der Natur der Dinge, daß gewisse Züge in der Physiog¬<lb/>
nomie unsrer Hochschulen sich mit dem Wechsel der Zeiten ändern, und daß,<lb/>
wie jede Periode der allgemeinen Entwickelung ihre besondre Signatur, ihre<lb/>
eigenthümlichen Tugenden, Laster, Richtungen und Liebhabereien hat, so auch<lb/>
jeder größere Abschnitt in der Geschichte der Studentenwelt, in deren Leben<lb/>
jene alle sich selbstverständlich wiederspiegeln.  Wir werden sogleich sehen, wie<lb/>
mächtig das Wiedererwachen der classischen Studien auch auf die Sitten der<lb/>
Studirenden einwirkte, und wir werden serner sehen, wie der unruhige wander¬<lb/>
lustige Geist des fünfzehnten und sechszehnten Jahrhunderts auch ihrer sich be¬<lb/>
mächtigte.  Man wird, um anderes hier unberührt zu lassen, die Einwirkung<lb/>
des dreißigjährigen Kriegs auf den deutschen Musensohn deutlich bemerken, und<lb/>
man wird sodann den auffälligen Zug nach geheimen Verbindungen und<lb/>
Mysterienfirlefanz, der durch das achtzehnte Säculum geht, unter den Studiren¬<lb/>
den dieser Zeit ebenfalls wiederfinden.  Schließlich sei darauf hingewiesen, daß<lb/>
der Gegensatz der Corps und der Burschenschaft in der Gegenwart nichts als<lb/>
ein Abbild der großen Gegensätze zwischen den particularistischen und unitarischen,<lb/>
den absolutistischen und liberalen Bestrebungen der politischen Welt ist. Ueber¬<lb/>
all zieht die Jugend, ihrem Wesen nach zwischen Erfindung und Nach¬<lb/>
ahmung gestellt, die Erscheinungen dieser Welt in ihren Kreis, und anderes<lb/>
wieder drängt sich ihr ohne ihr Wissen und Wollen auf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_563" next="#ID_564"> Ebenso natürlich aber ist andrerseits, daß bestimmte andere Züge im Wesen<lb/>
der Universitäten sich in der ältesten wie in der neusten Zeit zeigen und, wenn<lb/>
sie einmal verschwunden sind, wiederkehren.  Wie bei den Lehrern die Folgen<lb/>
des Lebens in meist kleinen Orten, der Zurückgezogenheit in der Studirstube,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenjboten it. 1866. 26</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0221] Deutsche Studenten in alter Zeit. Moritz Busch. Von Im Nachstehenden die in Ur. 12 der diesjährigen Grenzboten angekündigten und dort wie in Ur. 13 eingeleiteten Bilder aus dem Studentenleben früherer Jahrhunderte. Vorher indeß noch ein paar weitere Bemerkungen. Zwar liegt es in der Natur der Dinge, daß gewisse Züge in der Physiog¬ nomie unsrer Hochschulen sich mit dem Wechsel der Zeiten ändern, und daß, wie jede Periode der allgemeinen Entwickelung ihre besondre Signatur, ihre eigenthümlichen Tugenden, Laster, Richtungen und Liebhabereien hat, so auch jeder größere Abschnitt in der Geschichte der Studentenwelt, in deren Leben jene alle sich selbstverständlich wiederspiegeln. Wir werden sogleich sehen, wie mächtig das Wiedererwachen der classischen Studien auch auf die Sitten der Studirenden einwirkte, und wir werden serner sehen, wie der unruhige wander¬ lustige Geist des fünfzehnten und sechszehnten Jahrhunderts auch ihrer sich be¬ mächtigte. Man wird, um anderes hier unberührt zu lassen, die Einwirkung des dreißigjährigen Kriegs auf den deutschen Musensohn deutlich bemerken, und man wird sodann den auffälligen Zug nach geheimen Verbindungen und Mysterienfirlefanz, der durch das achtzehnte Säculum geht, unter den Studiren¬ den dieser Zeit ebenfalls wiederfinden. Schließlich sei darauf hingewiesen, daß der Gegensatz der Corps und der Burschenschaft in der Gegenwart nichts als ein Abbild der großen Gegensätze zwischen den particularistischen und unitarischen, den absolutistischen und liberalen Bestrebungen der politischen Welt ist. Ueber¬ all zieht die Jugend, ihrem Wesen nach zwischen Erfindung und Nach¬ ahmung gestellt, die Erscheinungen dieser Welt in ihren Kreis, und anderes wieder drängt sich ihr ohne ihr Wissen und Wollen auf. Ebenso natürlich aber ist andrerseits, daß bestimmte andere Züge im Wesen der Universitäten sich in der ältesten wie in der neusten Zeit zeigen und, wenn sie einmal verschwunden sind, wiederkehren. Wie bei den Lehrern die Folgen des Lebens in meist kleinen Orten, der Zurückgezogenheit in der Studirstube, Grenjboten it. 1866. 26

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/221
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/221>, abgerufen am 29.04.2024.