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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Dock) begann allmälig schon gegen den Schluß des fünfzehnten Säculums
auch unter den Studenten die neue Welt sich anzukündigen, welche im Wachsen
begriffen war. und welche endlich die alten Formen zersprengen oder sie doch
mit einem neuen Inhalt erfüllen sollte. Die Disputationen, die Grade verloren
mehr und mehr ihren Werth, das System der Bursen. das ganze geistliche
Wesen der Universitäten wankte trotz aller Stützung. Allerlei Ungewohntes
tauchte, wenn auch meist nur vorübergehend, neben dem zerbröckelnder Herkommen
auf. Ein gewisser poetischer Hauch. "Frisch Wesen überall". King durch die
junge Welt, die davon freilich nicht sanfter, im Gegentheil unbändiger und
ungestümer wurde. Die Freiheit stand vor der Thür -- die Revolution. Hier-
von aber im nächsten Abschnitt.




Aus Klopstocks Kmvenjahren.

Kleine Schriften von David Friedrich Strauß. Neue Folge. Berlin, 1866. Franz
Duncker. 496 S. 8.

Diese neue Sammlung kleinerer Arbeiten des berühmten Theologen und
Literarhistorikers ist nach Inhalt und Form der einzelnen Stücke ziemlich
bunter Natur. Den Anfang bildet eine Lebensbeschreibung Klopstocks, in der
Weise des "Hütten" im Detail ausgeführt, aber nur bis zur Abreise des
Dichters nach Dänemark fortgesetzt. Dann folgen kürzer gehaltene biographische
Skizzen: ein Bild der Mutter des Verfassers, ursprünglich nur für dessen Kinder
bestimmt, aber schon als ein Stück Culturgeschichte von allgemeinerem Interesse.
Charakteristiken des letztverstorbenen Königs von Würtemberg und Justinus
Kerners, zwei Leichenreden und sechs politische sowie drei unpolitische Gespräche,
von denen jene sich mit der Schleswig-holsteinischen und der deutschen Frage
beschäftigen, diese die vorgeschlagne Schmückung des Hohenstaufen mit einem
Denkmal des Kaisergeschlechts gleiches Namens, den Ausbau des Kölner Domes
(gegen den sich Strauß mit Recht erklärt) und die Todesstrafe (deren Beibehal¬
tung der Verfasser mit guten Gründen vertheidigt) im Tone der lessingschen
Dialoge behandeln. Dann wieder eine Biographie, die uns von dem schwäbischen
Schauspieldirector Jacob Winter erzählt, Notizen über die in Schubarts Leben
vorkommende Barbara Streicherin von Aalen, eine kleine Novelle "Der


Dock) begann allmälig schon gegen den Schluß des fünfzehnten Säculums
auch unter den Studenten die neue Welt sich anzukündigen, welche im Wachsen
begriffen war. und welche endlich die alten Formen zersprengen oder sie doch
mit einem neuen Inhalt erfüllen sollte. Die Disputationen, die Grade verloren
mehr und mehr ihren Werth, das System der Bursen. das ganze geistliche
Wesen der Universitäten wankte trotz aller Stützung. Allerlei Ungewohntes
tauchte, wenn auch meist nur vorübergehend, neben dem zerbröckelnder Herkommen
auf. Ein gewisser poetischer Hauch. „Frisch Wesen überall". King durch die
junge Welt, die davon freilich nicht sanfter, im Gegentheil unbändiger und
ungestümer wurde. Die Freiheit stand vor der Thür — die Revolution. Hier-
von aber im nächsten Abschnitt.




Aus Klopstocks Kmvenjahren.

Kleine Schriften von David Friedrich Strauß. Neue Folge. Berlin, 1866. Franz
Duncker. 496 S. 8.

Diese neue Sammlung kleinerer Arbeiten des berühmten Theologen und
Literarhistorikers ist nach Inhalt und Form der einzelnen Stücke ziemlich
bunter Natur. Den Anfang bildet eine Lebensbeschreibung Klopstocks, in der
Weise des „Hütten" im Detail ausgeführt, aber nur bis zur Abreise des
Dichters nach Dänemark fortgesetzt. Dann folgen kürzer gehaltene biographische
Skizzen: ein Bild der Mutter des Verfassers, ursprünglich nur für dessen Kinder
bestimmt, aber schon als ein Stück Culturgeschichte von allgemeinerem Interesse.
Charakteristiken des letztverstorbenen Königs von Würtemberg und Justinus
Kerners, zwei Leichenreden und sechs politische sowie drei unpolitische Gespräche,
von denen jene sich mit der Schleswig-holsteinischen und der deutschen Frage
beschäftigen, diese die vorgeschlagne Schmückung des Hohenstaufen mit einem
Denkmal des Kaisergeschlechts gleiches Namens, den Ausbau des Kölner Domes
(gegen den sich Strauß mit Recht erklärt) und die Todesstrafe (deren Beibehal¬
tung der Verfasser mit guten Gründen vertheidigt) im Tone der lessingschen
Dialoge behandeln. Dann wieder eine Biographie, die uns von dem schwäbischen
Schauspieldirector Jacob Winter erzählt, Notizen über die in Schubarts Leben
vorkommende Barbara Streicherin von Aalen, eine kleine Novelle »Der


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[0244] Dock) begann allmälig schon gegen den Schluß des fünfzehnten Säculums auch unter den Studenten die neue Welt sich anzukündigen, welche im Wachsen begriffen war. und welche endlich die alten Formen zersprengen oder sie doch mit einem neuen Inhalt erfüllen sollte. Die Disputationen, die Grade verloren mehr und mehr ihren Werth, das System der Bursen. das ganze geistliche Wesen der Universitäten wankte trotz aller Stützung. Allerlei Ungewohntes tauchte, wenn auch meist nur vorübergehend, neben dem zerbröckelnder Herkommen auf. Ein gewisser poetischer Hauch. „Frisch Wesen überall". King durch die junge Welt, die davon freilich nicht sanfter, im Gegentheil unbändiger und ungestümer wurde. Die Freiheit stand vor der Thür — die Revolution. Hier- von aber im nächsten Abschnitt. Aus Klopstocks Kmvenjahren. Kleine Schriften von David Friedrich Strauß. Neue Folge. Berlin, 1866. Franz Duncker. 496 S. 8. Diese neue Sammlung kleinerer Arbeiten des berühmten Theologen und Literarhistorikers ist nach Inhalt und Form der einzelnen Stücke ziemlich bunter Natur. Den Anfang bildet eine Lebensbeschreibung Klopstocks, in der Weise des „Hütten" im Detail ausgeführt, aber nur bis zur Abreise des Dichters nach Dänemark fortgesetzt. Dann folgen kürzer gehaltene biographische Skizzen: ein Bild der Mutter des Verfassers, ursprünglich nur für dessen Kinder bestimmt, aber schon als ein Stück Culturgeschichte von allgemeinerem Interesse. Charakteristiken des letztverstorbenen Königs von Würtemberg und Justinus Kerners, zwei Leichenreden und sechs politische sowie drei unpolitische Gespräche, von denen jene sich mit der Schleswig-holsteinischen und der deutschen Frage beschäftigen, diese die vorgeschlagne Schmückung des Hohenstaufen mit einem Denkmal des Kaisergeschlechts gleiches Namens, den Ausbau des Kölner Domes (gegen den sich Strauß mit Recht erklärt) und die Todesstrafe (deren Beibehal¬ tung der Verfasser mit guten Gründen vertheidigt) im Tone der lessingschen Dialoge behandeln. Dann wieder eine Biographie, die uns von dem schwäbischen Schauspieldirector Jacob Winter erzählt, Notizen über die in Schubarts Leben vorkommende Barbara Streicherin von Aalen, eine kleine Novelle »Der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/244>, abgerufen am 29.04.2024.