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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Deutsche Studenten in alter Zeit.
Moritz Busch. Von
2. Der Student des sechzehnten Jahrhunderts.

Das Leben der deutschen Studirenden in der Periode vom ersten kräftigere"
Einwirken des Humanismus aus die Universitäten bis zum dreißigjährigen
Kriege unterscheidet sich von dem im Mittelalter vorzüglich durch drei Merkmale:
durch einen gewissen poetischen Zug, der stark von dem trocknen eintönigen
Wesen der Scholastik absticht, dann durch größere Ungebundenheit, endlich durch
ungewöhnliche Beweglichkeit.

Wenn die Reformation mit dem Cölibat des Klerus das Concubinat dieses
Standes und damit ein böses Beispiel, und wenn sie ferner mit dem Ablaß
einen schlechten Trost auch aus dem Gesichtskreis der Studenten entfernte, so
war die Zeit, in der sie begann, doch nichts weniger als der Freude am Leben
abgewandt. Im Gegentheil, die Emancipation der Natur, die heitere Welt¬
lichkeit, welche die Verbreiter der classischen Studien namentlich in ihrer zweiten
Generation cultivirten, und zu der sich auch Luther in der froh angeregten
Stunde bekannte, wo er sein berühmtes abfälliges Gutachten über die abgab,
die nicht Weib, Wein und Gesang lieben, schien wie eine Frühlingssonne auch
in die düstern Gänge und Höfe der Collcgiate und ließ die schwarzen Insassen
derselben lebhafter wie je zum Spaziergang in bunten Modekieidern Verlangen
tragen, lauter und lustiger wie je die Ender schlagen, häusiger zu Spiel und
Tanz ausziehen und fleißiger vor den Fenstern hübscher Bürgerstochter Parade
machen. Es waren junge Leute in verjüngter Zeit und darum doppelt frisch
und jugendlich.

Wie wenig nach den klösterlichen Bursengesctzen des vorigen - Abschnitts,
wie munter, wie weltlich klingt es, wenn Rollenhagens "Froschmeuscler" uns
vermuthlich von Wittenberg, wo der Dichter kurz nach der Mitte des Jahr¬
hunderts studirte) erzählt:


Deutsche Studenten in alter Zeit.
Moritz Busch. Von
2. Der Student des sechzehnten Jahrhunderts.

Das Leben der deutschen Studirenden in der Periode vom ersten kräftigere»
Einwirken des Humanismus aus die Universitäten bis zum dreißigjährigen
Kriege unterscheidet sich von dem im Mittelalter vorzüglich durch drei Merkmale:
durch einen gewissen poetischen Zug, der stark von dem trocknen eintönigen
Wesen der Scholastik absticht, dann durch größere Ungebundenheit, endlich durch
ungewöhnliche Beweglichkeit.

Wenn die Reformation mit dem Cölibat des Klerus das Concubinat dieses
Standes und damit ein böses Beispiel, und wenn sie ferner mit dem Ablaß
einen schlechten Trost auch aus dem Gesichtskreis der Studenten entfernte, so
war die Zeit, in der sie begann, doch nichts weniger als der Freude am Leben
abgewandt. Im Gegentheil, die Emancipation der Natur, die heitere Welt¬
lichkeit, welche die Verbreiter der classischen Studien namentlich in ihrer zweiten
Generation cultivirten, und zu der sich auch Luther in der froh angeregten
Stunde bekannte, wo er sein berühmtes abfälliges Gutachten über die abgab,
die nicht Weib, Wein und Gesang lieben, schien wie eine Frühlingssonne auch
in die düstern Gänge und Höfe der Collcgiate und ließ die schwarzen Insassen
derselben lebhafter wie je zum Spaziergang in bunten Modekieidern Verlangen
tragen, lauter und lustiger wie je die Ender schlagen, häusiger zu Spiel und
Tanz ausziehen und fleißiger vor den Fenstern hübscher Bürgerstochter Parade
machen. Es waren junge Leute in verjüngter Zeit und darum doppelt frisch
und jugendlich.

Wie wenig nach den klösterlichen Bursengesctzen des vorigen - Abschnitts,
wie munter, wie weltlich klingt es, wenn Rollenhagens „Froschmeuscler" uns
vermuthlich von Wittenberg, wo der Dichter kurz nach der Mitte des Jahr¬
hunderts studirte) erzählt:


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[0320] Deutsche Studenten in alter Zeit. Moritz Busch. Von 2. Der Student des sechzehnten Jahrhunderts. Das Leben der deutschen Studirenden in der Periode vom ersten kräftigere» Einwirken des Humanismus aus die Universitäten bis zum dreißigjährigen Kriege unterscheidet sich von dem im Mittelalter vorzüglich durch drei Merkmale: durch einen gewissen poetischen Zug, der stark von dem trocknen eintönigen Wesen der Scholastik absticht, dann durch größere Ungebundenheit, endlich durch ungewöhnliche Beweglichkeit. Wenn die Reformation mit dem Cölibat des Klerus das Concubinat dieses Standes und damit ein böses Beispiel, und wenn sie ferner mit dem Ablaß einen schlechten Trost auch aus dem Gesichtskreis der Studenten entfernte, so war die Zeit, in der sie begann, doch nichts weniger als der Freude am Leben abgewandt. Im Gegentheil, die Emancipation der Natur, die heitere Welt¬ lichkeit, welche die Verbreiter der classischen Studien namentlich in ihrer zweiten Generation cultivirten, und zu der sich auch Luther in der froh angeregten Stunde bekannte, wo er sein berühmtes abfälliges Gutachten über die abgab, die nicht Weib, Wein und Gesang lieben, schien wie eine Frühlingssonne auch in die düstern Gänge und Höfe der Collcgiate und ließ die schwarzen Insassen derselben lebhafter wie je zum Spaziergang in bunten Modekieidern Verlangen tragen, lauter und lustiger wie je die Ender schlagen, häusiger zu Spiel und Tanz ausziehen und fleißiger vor den Fenstern hübscher Bürgerstochter Parade machen. Es waren junge Leute in verjüngter Zeit und darum doppelt frisch und jugendlich. Wie wenig nach den klösterlichen Bursengesctzen des vorigen - Abschnitts, wie munter, wie weltlich klingt es, wenn Rollenhagens „Froschmeuscler" uns vermuthlich von Wittenberg, wo der Dichter kurz nach der Mitte des Jahr¬ hunderts studirte) erzählt:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/320>, abgerufen am 29.04.2024.