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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Vermischte Literatur.
Die Herzogthümer seit dem 15. November 1 863. Berlin, 1866.
Verlag von I. Springer. 63 S. 8.

Eine Geschichte der Parteien in Schleswig-Holstein, die vorzüglich den Zweck
zu haben scheint, die dortigen nationalen von dem Vorwurf der Inconsequenz und
des Abfalls zu befreien. Wir halten das für unnöthig, da alle Verständigen und
Sachkundigen in Deutschland wissen müssen, daß nur die nationalen dem alten
Programm treu geblieben sind, und für nutzlos, da die Gegner für Gründe, und
wären eS die besten, taub sind. Sonst ist die Schrift nur zu loben, zunächst
wegen des ruhigen Tons, in dem sie geschrieben ist, und mit dem sie angenehm
von der Sprache der Gegenpartei absticht, welche die Vertheidigung der Augusten-
burgcr in der Presse besorgt, dann aber auch, weil sie über mehre noch nicht
genügend erklärte Dinge und Ereignisse Licht verbreitet. Besonders interessant ist
der Bericht über die Unterredung, welche Römer und Nave im Juli 1863 in Streits
Hotel zu Hamburg mit dem jetzigen Haupte der östreichisch-particularistischen Partei
in Holstein hatten. Die nationale Partei hatte bis dahin vermieden, die sich dar¬
bietenden Anknüpfungspunkte zu einer Verständigung mit dem Hause Augustenburg
zu benutzen, theils weil sie einer durch dessen Erbfolge präjudicirten Lösung der
Schleswig-holsteinischen Frage entschieden abgeneigt war ("ein preußischer Oberpräsident
in Kiel" war auch Theodor Lehmanns Ideal), theils weil dasselbe im Lande damals
zu unpopulär war, als daß eine Verbindung mit ihm erheblichen Werth gehabt
hätte. "Wenn man jetzt anfing, eine Annäherung an ihn für wünschenswert!) zu
halten, so geschah dies unbeschadet des Standpunkts der nationalen Partei lediglich
aus dem Grunde, weil man sich nicht verhehlen konnte, daß angesichts der bevor¬
stehenden vielleicht entscheidenden Ereignisse und bei dem Mangel an Ehrgeiz und
Energie, der die preußische Politik damals zu charakterisiren schien, die Erbansprüchc des
Prinzen möglicherweise von Bedeutung werden konnten, und weil man es für Pflicht
hielt, kein Mittel unbenutzt zu lassen, welches zur Erreichung des ersten und wichtig¬
sten Zweckes, der Trennung von Dänemark, benutzt werden konnte." Als Römer
und Nave 1863 jenen Besuch bei dem Prinzen Friedrich machten, kam es ihnen vor
allem darauf an, dessen Stellung zu der Schleswig-holsteinischen Sache zu erfahren.
"Der einfachste Weg schien dazu, ihn vorweg mit dem Standpunkte der nationalen
Partei bekannt zu machen. Römer sagte ihm deshalb offen, daß das ursprüngliche
und eigentliche Ziel derselben die Einverleibung der Herzogthümer in Preußen sei.
Der Prinz widersprach nicht nur nicht, sondern erklärte, seinerseits einer solchen
Lösung kein Hinderniß in den Weg legen zu wollen, falls sie von Preußen
wirklich intendirt werden sollte. Er glaubte indeß mit Grund bezweifeln zu dürfen,
daß derartige Pläne, sei es unter dem jetzigen, sei es unter dem künftigen Könige
jemals von der berliner Negierung ernsthaft ins Auge gefaßt werden würden, und
bezog sich für diesen seinen Glauben auf seine genaue Bekanntschaft mit den in Be-


Vermischte Literatur.
Die Herzogthümer seit dem 15. November 1 863. Berlin, 1866.
Verlag von I. Springer. 63 S. 8.

Eine Geschichte der Parteien in Schleswig-Holstein, die vorzüglich den Zweck
zu haben scheint, die dortigen nationalen von dem Vorwurf der Inconsequenz und
des Abfalls zu befreien. Wir halten das für unnöthig, da alle Verständigen und
Sachkundigen in Deutschland wissen müssen, daß nur die nationalen dem alten
Programm treu geblieben sind, und für nutzlos, da die Gegner für Gründe, und
wären eS die besten, taub sind. Sonst ist die Schrift nur zu loben, zunächst
wegen des ruhigen Tons, in dem sie geschrieben ist, und mit dem sie angenehm
von der Sprache der Gegenpartei absticht, welche die Vertheidigung der Augusten-
burgcr in der Presse besorgt, dann aber auch, weil sie über mehre noch nicht
genügend erklärte Dinge und Ereignisse Licht verbreitet. Besonders interessant ist
der Bericht über die Unterredung, welche Römer und Nave im Juli 1863 in Streits
Hotel zu Hamburg mit dem jetzigen Haupte der östreichisch-particularistischen Partei
in Holstein hatten. Die nationale Partei hatte bis dahin vermieden, die sich dar¬
bietenden Anknüpfungspunkte zu einer Verständigung mit dem Hause Augustenburg
zu benutzen, theils weil sie einer durch dessen Erbfolge präjudicirten Lösung der
Schleswig-holsteinischen Frage entschieden abgeneigt war („ein preußischer Oberpräsident
in Kiel" war auch Theodor Lehmanns Ideal), theils weil dasselbe im Lande damals
zu unpopulär war, als daß eine Verbindung mit ihm erheblichen Werth gehabt
hätte. „Wenn man jetzt anfing, eine Annäherung an ihn für wünschenswert!) zu
halten, so geschah dies unbeschadet des Standpunkts der nationalen Partei lediglich
aus dem Grunde, weil man sich nicht verhehlen konnte, daß angesichts der bevor¬
stehenden vielleicht entscheidenden Ereignisse und bei dem Mangel an Ehrgeiz und
Energie, der die preußische Politik damals zu charakterisiren schien, die Erbansprüchc des
Prinzen möglicherweise von Bedeutung werden konnten, und weil man es für Pflicht
hielt, kein Mittel unbenutzt zu lassen, welches zur Erreichung des ersten und wichtig¬
sten Zweckes, der Trennung von Dänemark, benutzt werden konnte." Als Römer
und Nave 1863 jenen Besuch bei dem Prinzen Friedrich machten, kam es ihnen vor
allem darauf an, dessen Stellung zu der Schleswig-holsteinischen Sache zu erfahren.
„Der einfachste Weg schien dazu, ihn vorweg mit dem Standpunkte der nationalen
Partei bekannt zu machen. Römer sagte ihm deshalb offen, daß das ursprüngliche
und eigentliche Ziel derselben die Einverleibung der Herzogthümer in Preußen sei.
Der Prinz widersprach nicht nur nicht, sondern erklärte, seinerseits einer solchen
Lösung kein Hinderniß in den Weg legen zu wollen, falls sie von Preußen
wirklich intendirt werden sollte. Er glaubte indeß mit Grund bezweifeln zu dürfen,
daß derartige Pläne, sei es unter dem jetzigen, sei es unter dem künftigen Könige
jemals von der berliner Negierung ernsthaft ins Auge gefaßt werden würden, und
bezog sich für diesen seinen Glauben auf seine genaue Bekanntschaft mit den in Be-


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[0426] Vermischte Literatur. Die Herzogthümer seit dem 15. November 1 863. Berlin, 1866. Verlag von I. Springer. 63 S. 8. Eine Geschichte der Parteien in Schleswig-Holstein, die vorzüglich den Zweck zu haben scheint, die dortigen nationalen von dem Vorwurf der Inconsequenz und des Abfalls zu befreien. Wir halten das für unnöthig, da alle Verständigen und Sachkundigen in Deutschland wissen müssen, daß nur die nationalen dem alten Programm treu geblieben sind, und für nutzlos, da die Gegner für Gründe, und wären eS die besten, taub sind. Sonst ist die Schrift nur zu loben, zunächst wegen des ruhigen Tons, in dem sie geschrieben ist, und mit dem sie angenehm von der Sprache der Gegenpartei absticht, welche die Vertheidigung der Augusten- burgcr in der Presse besorgt, dann aber auch, weil sie über mehre noch nicht genügend erklärte Dinge und Ereignisse Licht verbreitet. Besonders interessant ist der Bericht über die Unterredung, welche Römer und Nave im Juli 1863 in Streits Hotel zu Hamburg mit dem jetzigen Haupte der östreichisch-particularistischen Partei in Holstein hatten. Die nationale Partei hatte bis dahin vermieden, die sich dar¬ bietenden Anknüpfungspunkte zu einer Verständigung mit dem Hause Augustenburg zu benutzen, theils weil sie einer durch dessen Erbfolge präjudicirten Lösung der Schleswig-holsteinischen Frage entschieden abgeneigt war („ein preußischer Oberpräsident in Kiel" war auch Theodor Lehmanns Ideal), theils weil dasselbe im Lande damals zu unpopulär war, als daß eine Verbindung mit ihm erheblichen Werth gehabt hätte. „Wenn man jetzt anfing, eine Annäherung an ihn für wünschenswert!) zu halten, so geschah dies unbeschadet des Standpunkts der nationalen Partei lediglich aus dem Grunde, weil man sich nicht verhehlen konnte, daß angesichts der bevor¬ stehenden vielleicht entscheidenden Ereignisse und bei dem Mangel an Ehrgeiz und Energie, der die preußische Politik damals zu charakterisiren schien, die Erbansprüchc des Prinzen möglicherweise von Bedeutung werden konnten, und weil man es für Pflicht hielt, kein Mittel unbenutzt zu lassen, welches zur Erreichung des ersten und wichtig¬ sten Zweckes, der Trennung von Dänemark, benutzt werden konnte." Als Römer und Nave 1863 jenen Besuch bei dem Prinzen Friedrich machten, kam es ihnen vor allem darauf an, dessen Stellung zu der Schleswig-holsteinischen Sache zu erfahren. „Der einfachste Weg schien dazu, ihn vorweg mit dem Standpunkte der nationalen Partei bekannt zu machen. Römer sagte ihm deshalb offen, daß das ursprüngliche und eigentliche Ziel derselben die Einverleibung der Herzogthümer in Preußen sei. Der Prinz widersprach nicht nur nicht, sondern erklärte, seinerseits einer solchen Lösung kein Hinderniß in den Weg legen zu wollen, falls sie von Preußen wirklich intendirt werden sollte. Er glaubte indeß mit Grund bezweifeln zu dürfen, daß derartige Pläne, sei es unter dem jetzigen, sei es unter dem künftigen Könige jemals von der berliner Negierung ernsthaft ins Auge gefaßt werden würden, und bezog sich für diesen seinen Glauben auf seine genaue Bekanntschaft mit den in Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/426>, abgerufen am 29.04.2024.