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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Eindruck, daß wir eine rein historische Arbeit vor uns haben, der lebendigen
Erzählung steht ein nüchternes kritisches Urtheil zur Seite, und wir verweisen
in dieser Beziehung besonders auf die Art, wie bei der Bekehrungsgeschichte
des Paulus der Versuch einer psychologischen Erklärung abgewiesen und das
Ganze dem Mythus anheimgegeben wird.

Freilich setzt auch eine solche Arbeit kritische Untersuchungen voraus, über
welche eine allseitige Verständigung schwer wird zu erzielen sein. Da indessen
für diese Untersuchungen kaum mehr Neues beigebracht werden kann, beschränkt
sich Hausrath darauf in kurzen Worten die Meinung, die er sich gebildet, an¬
zugeben. Vor allem ist er über den unhistorischen Charakter der Apostelge¬
schichte im Reinen. Ihr Widerspruch mit dem Galaterbrief in Betreff des
Apostclconcils, ihr Widerspruch mit der ganzen Persönlichkeit und Wirksamkeit
des Paulus in Betreff des letzten Aufenthalts zu Jerusalem wird ausdrücklich
constatirt, nur für die letzten Jahre des Apostels hat sie eingehende Benutzung
gefunden. Weniger Zustimmung wird es von Seiten der Kritik finden, daß
mit Ausnahme des Titus- und 1. Timotheusbriefs die anderen unter dem
Namen des Paulus überlieferten Briefe alle als echt behandelt sind. Indessen
wird die historische Darstellung davon nur wenig berührt, das Bild des Apostels
nicht wesentlich alterirt. Denn wie geschickt sie auch von Hausrath in den
Rahmen seiner Erzählung eingefügt sind, sind sie doch arm an wirklich bedeu¬
tenden charakteristischen Zügen, und bekanntlich gehört eben diese Farblosigkeit.
mit anderen Merkmalen, zu den Gründen, aus welchen die Kritik sie nicht dem
Verfasser der vier Hauptbriefe zuschreiben kann, in denen uns überall die scharf-
gezeichnete Persönlichkeit ihres Verfassers entgegentritt. Grade der durchge¬
führte Versuch, die kleineren Briefe in die Erzählung einzureihen, dient somit
nicht dazu, für ihre Authentic Anhänger zu werben.




Das Leben des Apostels Paulus von Heinrich Lang. (Besonderer
Abdruck aus dessen Religiösen Charakteren".) Winterthur, 1860.
'

Diese Schrift bildetgewissermaßen eine willkommene Ergänzung der eben
genannten. Bewegter geschrieben, begnügt sie sich nicht mit der einfachen Er¬
zählung, sondern sie sucht in die psychologischen Probleme, welche das Leben
des Apostels stellt, in die geschichtliche Bedeutung des Doppelkampfs, den er
gegen das Heidenthum und 'gegen die judcnchristliche Orthodoxie der Urapostel
zu führen hatte, näher einzudringen. An die Bekehrung wird eine psychologische
Entwicklung des ganzen paulinischen Systems angeschlossen, der geistige Zustand
der hellenischen Welt, deren Apostel er werden sollte, lebendig geschildert, aus


Eindruck, daß wir eine rein historische Arbeit vor uns haben, der lebendigen
Erzählung steht ein nüchternes kritisches Urtheil zur Seite, und wir verweisen
in dieser Beziehung besonders auf die Art, wie bei der Bekehrungsgeschichte
des Paulus der Versuch einer psychologischen Erklärung abgewiesen und das
Ganze dem Mythus anheimgegeben wird.

Freilich setzt auch eine solche Arbeit kritische Untersuchungen voraus, über
welche eine allseitige Verständigung schwer wird zu erzielen sein. Da indessen
für diese Untersuchungen kaum mehr Neues beigebracht werden kann, beschränkt
sich Hausrath darauf in kurzen Worten die Meinung, die er sich gebildet, an¬
zugeben. Vor allem ist er über den unhistorischen Charakter der Apostelge¬
schichte im Reinen. Ihr Widerspruch mit dem Galaterbrief in Betreff des
Apostclconcils, ihr Widerspruch mit der ganzen Persönlichkeit und Wirksamkeit
des Paulus in Betreff des letzten Aufenthalts zu Jerusalem wird ausdrücklich
constatirt, nur für die letzten Jahre des Apostels hat sie eingehende Benutzung
gefunden. Weniger Zustimmung wird es von Seiten der Kritik finden, daß
mit Ausnahme des Titus- und 1. Timotheusbriefs die anderen unter dem
Namen des Paulus überlieferten Briefe alle als echt behandelt sind. Indessen
wird die historische Darstellung davon nur wenig berührt, das Bild des Apostels
nicht wesentlich alterirt. Denn wie geschickt sie auch von Hausrath in den
Rahmen seiner Erzählung eingefügt sind, sind sie doch arm an wirklich bedeu¬
tenden charakteristischen Zügen, und bekanntlich gehört eben diese Farblosigkeit.
mit anderen Merkmalen, zu den Gründen, aus welchen die Kritik sie nicht dem
Verfasser der vier Hauptbriefe zuschreiben kann, in denen uns überall die scharf-
gezeichnete Persönlichkeit ihres Verfassers entgegentritt. Grade der durchge¬
führte Versuch, die kleineren Briefe in die Erzählung einzureihen, dient somit
nicht dazu, für ihre Authentic Anhänger zu werben.




Das Leben des Apostels Paulus von Heinrich Lang. (Besonderer
Abdruck aus dessen Religiösen Charakteren".) Winterthur, 1860.
'

Diese Schrift bildetgewissermaßen eine willkommene Ergänzung der eben
genannten. Bewegter geschrieben, begnügt sie sich nicht mit der einfachen Er¬
zählung, sondern sie sucht in die psychologischen Probleme, welche das Leben
des Apostels stellt, in die geschichtliche Bedeutung des Doppelkampfs, den er
gegen das Heidenthum und 'gegen die judcnchristliche Orthodoxie der Urapostel
zu führen hatte, näher einzudringen. An die Bekehrung wird eine psychologische
Entwicklung des ganzen paulinischen Systems angeschlossen, der geistige Zustand
der hellenischen Welt, deren Apostel er werden sollte, lebendig geschildert, aus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/45>, abgerufen am 29.04.2024.