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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Vermischte Literatur.
Spaziergänge durch Lauenburg und Lübeck. Von Otto Glagau.
Berlin, Verlag von Leute und Comp. 1866. 352 S. 8.

Enthält neben manchem, was nur den Verfasser und etwa seine Bekannten
interessiren kann, breit erzählten Reiseerlebnissen u. s. w. auch einige Partien, für
die man dankbar sein kann. Dahin gehört namentlich mehres aus den Capiteln,
die sich mit Lauenburg beschäftigen. Im Folgenden theilen wir einige Notizen da¬
raus mit. Das Herzogthum Lauenburg hat 22 adelige Güter, von denen 7 Allodial-,
die übrigen Lehngüter sind. Das größte von allen diesen Gütern ist Gudow, welches
im Südosten des Landes sich ausbreitet und beinahe zwei Quadratmeilen umsaßt.
Die Zahl der Einwohner aus dem Areal desselben betrügt über 1800. Seit Jahr¬
hunderten befindet es sich im Besitz der Familie v. Bülow, und mit diesem Besitz
ist die Würde eines Erblandmarschalls des Herzogthums verbunden. Das zweitgrößte
Gut ist Gültzow, welches 17,000 Morgen groß ist und den Grasen von Kielmanns-
egge gehört. -- Die rechtliche Stellung der Besitzer von adeligen Gütern ist sowohl
der Landesherrschaft wie den Angehörigen der Güter gegenüber eine vielfach privi-
legirte. Jene sind für ihre Person von Steuern, Zöllen und Kriegsdiensten befreit,
sie haben einen eximirten Gerichtsstand und einen besonders großen Antheil an der
Verwaltung und Gesetzgebung des Landes; ihre Güter bleiben von aller Einquar-
tirung verschont, sie haben auf diesen und den Fluren der dazu gehörigen Dörfer
allein das Necht der Jagd,, das Patronat über Kirche und Schule, die Verwaltung
der Polizei und Gerichtsbarkeit, von welcher eine Appellation nur in gewissen Füllen
erlaubt und selbst in diesen erschwert ist. -- In den adeligen Gütern finden sich
etwa 250 Handwerker und über 600 Stellcbcsitzcr, welche letzteren nach Größe ihres
Besitzes eine lange Stufenreihe bilden, indem sie in Doppel-, Voll-, Dreiviertel-,
Zweidrittel-, Halb-, Viertel-, Achtel- und Sechzchntclhnsner. Grvßküthner, Mittel-
käthncr, Käthncr, Anbauer, Neuanbauer und Brinksitzer zerfallen. Dominial- und
adelige Bauern geriethen erst zu Ende des sechzehnten und im Lause des siebzehnten
Jahrhunderts in Bezug auf ihren Grundbesitz und die dem Gutsherrn -zu "leistenden
Dienste sowie hinsichtlich ihrer persönlichen Stellung in Abhängigkeit. Die Bauern
durften ohne Genehmigung des Gutsherrn ihr Gehöft nicht verlassen, verkaufen, ver¬
tauschen, vererben, beschweren oder verpfänden. Grund und Boden nicht blos,
sondern auch das Inventarium galt als Eigenthum des Gutsherrn, der Bauer hatte
nur den Nießbrauch mit Ausnahme der Jagd und der Schafweide, die beide ein
Vorrecht des Erstem bildeten. Dagegen stand es dem Gutsbesitzer frei, den Bauern
auf eine andere Stelle zu versetzen und sein Gehöft völlig einzuziehen, wofür er
ihn nach Belieben entschädigte. Dienste beanspruchte der Gutsherr von seinen Bauern


Vermischte Literatur.
Spaziergänge durch Lauenburg und Lübeck. Von Otto Glagau.
Berlin, Verlag von Leute und Comp. 1866. 352 S. 8.

Enthält neben manchem, was nur den Verfasser und etwa seine Bekannten
interessiren kann, breit erzählten Reiseerlebnissen u. s. w. auch einige Partien, für
die man dankbar sein kann. Dahin gehört namentlich mehres aus den Capiteln,
die sich mit Lauenburg beschäftigen. Im Folgenden theilen wir einige Notizen da¬
raus mit. Das Herzogthum Lauenburg hat 22 adelige Güter, von denen 7 Allodial-,
die übrigen Lehngüter sind. Das größte von allen diesen Gütern ist Gudow, welches
im Südosten des Landes sich ausbreitet und beinahe zwei Quadratmeilen umsaßt.
Die Zahl der Einwohner aus dem Areal desselben betrügt über 1800. Seit Jahr¬
hunderten befindet es sich im Besitz der Familie v. Bülow, und mit diesem Besitz
ist die Würde eines Erblandmarschalls des Herzogthums verbunden. Das zweitgrößte
Gut ist Gültzow, welches 17,000 Morgen groß ist und den Grasen von Kielmanns-
egge gehört. — Die rechtliche Stellung der Besitzer von adeligen Gütern ist sowohl
der Landesherrschaft wie den Angehörigen der Güter gegenüber eine vielfach privi-
legirte. Jene sind für ihre Person von Steuern, Zöllen und Kriegsdiensten befreit,
sie haben einen eximirten Gerichtsstand und einen besonders großen Antheil an der
Verwaltung und Gesetzgebung des Landes; ihre Güter bleiben von aller Einquar-
tirung verschont, sie haben auf diesen und den Fluren der dazu gehörigen Dörfer
allein das Necht der Jagd,, das Patronat über Kirche und Schule, die Verwaltung
der Polizei und Gerichtsbarkeit, von welcher eine Appellation nur in gewissen Füllen
erlaubt und selbst in diesen erschwert ist. — In den adeligen Gütern finden sich
etwa 250 Handwerker und über 600 Stellcbcsitzcr, welche letzteren nach Größe ihres
Besitzes eine lange Stufenreihe bilden, indem sie in Doppel-, Voll-, Dreiviertel-,
Zweidrittel-, Halb-, Viertel-, Achtel- und Sechzchntclhnsner. Grvßküthner, Mittel-
käthncr, Käthncr, Anbauer, Neuanbauer und Brinksitzer zerfallen. Dominial- und
adelige Bauern geriethen erst zu Ende des sechzehnten und im Lause des siebzehnten
Jahrhunderts in Bezug auf ihren Grundbesitz und die dem Gutsherrn -zu «leistenden
Dienste sowie hinsichtlich ihrer persönlichen Stellung in Abhängigkeit. Die Bauern
durften ohne Genehmigung des Gutsherrn ihr Gehöft nicht verlassen, verkaufen, ver¬
tauschen, vererben, beschweren oder verpfänden. Grund und Boden nicht blos,
sondern auch das Inventarium galt als Eigenthum des Gutsherrn, der Bauer hatte
nur den Nießbrauch mit Ausnahme der Jagd und der Schafweide, die beide ein
Vorrecht des Erstem bildeten. Dagegen stand es dem Gutsbesitzer frei, den Bauern
auf eine andere Stelle zu versetzen und sein Gehöft völlig einzuziehen, wofür er
ihn nach Belieben entschädigte. Dienste beanspruchte der Gutsherr von seinen Bauern


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[0048] Vermischte Literatur. Spaziergänge durch Lauenburg und Lübeck. Von Otto Glagau. Berlin, Verlag von Leute und Comp. 1866. 352 S. 8. Enthält neben manchem, was nur den Verfasser und etwa seine Bekannten interessiren kann, breit erzählten Reiseerlebnissen u. s. w. auch einige Partien, für die man dankbar sein kann. Dahin gehört namentlich mehres aus den Capiteln, die sich mit Lauenburg beschäftigen. Im Folgenden theilen wir einige Notizen da¬ raus mit. Das Herzogthum Lauenburg hat 22 adelige Güter, von denen 7 Allodial-, die übrigen Lehngüter sind. Das größte von allen diesen Gütern ist Gudow, welches im Südosten des Landes sich ausbreitet und beinahe zwei Quadratmeilen umsaßt. Die Zahl der Einwohner aus dem Areal desselben betrügt über 1800. Seit Jahr¬ hunderten befindet es sich im Besitz der Familie v. Bülow, und mit diesem Besitz ist die Würde eines Erblandmarschalls des Herzogthums verbunden. Das zweitgrößte Gut ist Gültzow, welches 17,000 Morgen groß ist und den Grasen von Kielmanns- egge gehört. — Die rechtliche Stellung der Besitzer von adeligen Gütern ist sowohl der Landesherrschaft wie den Angehörigen der Güter gegenüber eine vielfach privi- legirte. Jene sind für ihre Person von Steuern, Zöllen und Kriegsdiensten befreit, sie haben einen eximirten Gerichtsstand und einen besonders großen Antheil an der Verwaltung und Gesetzgebung des Landes; ihre Güter bleiben von aller Einquar- tirung verschont, sie haben auf diesen und den Fluren der dazu gehörigen Dörfer allein das Necht der Jagd,, das Patronat über Kirche und Schule, die Verwaltung der Polizei und Gerichtsbarkeit, von welcher eine Appellation nur in gewissen Füllen erlaubt und selbst in diesen erschwert ist. — In den adeligen Gütern finden sich etwa 250 Handwerker und über 600 Stellcbcsitzcr, welche letzteren nach Größe ihres Besitzes eine lange Stufenreihe bilden, indem sie in Doppel-, Voll-, Dreiviertel-, Zweidrittel-, Halb-, Viertel-, Achtel- und Sechzchntclhnsner. Grvßküthner, Mittel- käthncr, Käthncr, Anbauer, Neuanbauer und Brinksitzer zerfallen. Dominial- und adelige Bauern geriethen erst zu Ende des sechzehnten und im Lause des siebzehnten Jahrhunderts in Bezug auf ihren Grundbesitz und die dem Gutsherrn -zu «leistenden Dienste sowie hinsichtlich ihrer persönlichen Stellung in Abhängigkeit. Die Bauern durften ohne Genehmigung des Gutsherrn ihr Gehöft nicht verlassen, verkaufen, ver¬ tauschen, vererben, beschweren oder verpfänden. Grund und Boden nicht blos, sondern auch das Inventarium galt als Eigenthum des Gutsherrn, der Bauer hatte nur den Nießbrauch mit Ausnahme der Jagd und der Schafweide, die beide ein Vorrecht des Erstem bildeten. Dagegen stand es dem Gutsbesitzer frei, den Bauern auf eine andere Stelle zu versetzen und sein Gehöft völlig einzuziehen, wofür er ihn nach Belieben entschädigte. Dienste beanspruchte der Gutsherr von seinen Bauern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/48>, abgerufen am 29.04.2024.