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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Der diplomatische Kampf zwischen Preußen und Oestreich.

Als am Nachmittag des 14.. Mai der engere Rath der zu Bamberg ver¬
tretenen Staaten Sitzung hielt (Herr v. Varnbüler möge uns die Bemerkung
gestatten, daß er schlecht unterrichtet war, als er vor wenigen Tagen in der
würtembergischen zweiten Kammer das Vorhandensein eines größeren und klei¬
neren Rathes auf den Conferenzen in Abrede stellte), als also nach Entfernung
der thüringischen Minister die der südwestdeutschen Gruppe conferirten, stellte
Badens Vertreter bekanntlich den Antrag auf "bewaffnete Neutralität". In
dem vertraulichen Protokoll, welches über diese Ministerberathung geführt
wurde, heißt es daraus wörtlich: "Dieser Auffassung schloß sich jedoch keine
Stimme an. Es wurde derselben vielmehr allseitig entgegengehalten, daß Neu¬
tralität, sei es unbewaffnete oder bewaffnete, mit den Grundgesetzen des Bun¬
des und den Bundespflichten in unlösbaren Widerspruche stehe. Nach Art. 11
der Bundesacte und Art. 19 der Schlußacte sei die Gesammtheit des Bundes
verpflichtet, jedem Friedensbruche entgegenzutreten und den Besitzstand und
Bundesfrieden zu wahren. Allerdings sei zur Zeit weder für Oestreich noch
fiir Preußen Partei zu ergreifen und insofern eine selbständige Haltung ein>"
zunehmen, aber nicht mit dem eventuellen Gedanken der Neutralität bei aus¬
brechendem Kampfe, sondern mit dem der Abwehr des Friedensbruches, wobei
die Bundesversammlung auf Anrufen des Bedrohten oder Angegriffenen zu ent¬
scheiden haben werde, wer der Friedensbrecher sei."

Grade wenn diese Zeilen vor den Leser treten, findet die verhängnißvolle
Sitzung der Bundesversammlung statt, welche nach dem östreichischen Antrag
über Preußens Friedensbruch entscheiden soll. Betrachten wir dazu noch ein¬
mal die Frage, wer als Friedensbrecher anzusehen ist. Wir wollen aus blos
Formelles keinen Werth legen, sondern unbefangen die Gesammtentwicklung
der Dinge ins Auge fassen. Und unsere Gegner werden in dem Folgenden
vielleicht einige ihnen erfreuliche Concessionen finden.

Man irrt wohl nicht, wenn man annimmt, daß Graf Wismarer auch in
der deutschen Frage seit langer Zeit ein bestimmtes Programm sich gebildet
hat. Ueberwunden ist der Standpunkt, der da meinte, der preußische Minister¬
präsident sei nur als reactionärer Junker zu verstehen, der von Zeit zu Zeit
seltsame Einfälle habe. Die Einfälle haben im Lauf der Jahre Zusammenhang
erhalten, auf die einmal ausgespielten Schlagworte ist in geeigneten Momenten
und mit verstärktem Nachdruck zurückgegriffen worden, und wir zweifeln nicht,


Der diplomatische Kampf zwischen Preußen und Oestreich.

Als am Nachmittag des 14.. Mai der engere Rath der zu Bamberg ver¬
tretenen Staaten Sitzung hielt (Herr v. Varnbüler möge uns die Bemerkung
gestatten, daß er schlecht unterrichtet war, als er vor wenigen Tagen in der
würtembergischen zweiten Kammer das Vorhandensein eines größeren und klei¬
neren Rathes auf den Conferenzen in Abrede stellte), als also nach Entfernung
der thüringischen Minister die der südwestdeutschen Gruppe conferirten, stellte
Badens Vertreter bekanntlich den Antrag auf „bewaffnete Neutralität". In
dem vertraulichen Protokoll, welches über diese Ministerberathung geführt
wurde, heißt es daraus wörtlich: „Dieser Auffassung schloß sich jedoch keine
Stimme an. Es wurde derselben vielmehr allseitig entgegengehalten, daß Neu¬
tralität, sei es unbewaffnete oder bewaffnete, mit den Grundgesetzen des Bun¬
des und den Bundespflichten in unlösbaren Widerspruche stehe. Nach Art. 11
der Bundesacte und Art. 19 der Schlußacte sei die Gesammtheit des Bundes
verpflichtet, jedem Friedensbruche entgegenzutreten und den Besitzstand und
Bundesfrieden zu wahren. Allerdings sei zur Zeit weder für Oestreich noch
fiir Preußen Partei zu ergreifen und insofern eine selbständige Haltung ein>«
zunehmen, aber nicht mit dem eventuellen Gedanken der Neutralität bei aus¬
brechendem Kampfe, sondern mit dem der Abwehr des Friedensbruches, wobei
die Bundesversammlung auf Anrufen des Bedrohten oder Angegriffenen zu ent¬
scheiden haben werde, wer der Friedensbrecher sei."

Grade wenn diese Zeilen vor den Leser treten, findet die verhängnißvolle
Sitzung der Bundesversammlung statt, welche nach dem östreichischen Antrag
über Preußens Friedensbruch entscheiden soll. Betrachten wir dazu noch ein¬
mal die Frage, wer als Friedensbrecher anzusehen ist. Wir wollen aus blos
Formelles keinen Werth legen, sondern unbefangen die Gesammtentwicklung
der Dinge ins Auge fassen. Und unsere Gegner werden in dem Folgenden
vielleicht einige ihnen erfreuliche Concessionen finden.

Man irrt wohl nicht, wenn man annimmt, daß Graf Wismarer auch in
der deutschen Frage seit langer Zeit ein bestimmtes Programm sich gebildet
hat. Ueberwunden ist der Standpunkt, der da meinte, der preußische Minister¬
präsident sei nur als reactionärer Junker zu verstehen, der von Zeit zu Zeit
seltsame Einfälle habe. Die Einfälle haben im Lauf der Jahre Zusammenhang
erhalten, auf die einmal ausgespielten Schlagworte ist in geeigneten Momenten
und mit verstärktem Nachdruck zurückgegriffen worden, und wir zweifeln nicht,


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[0504] Der diplomatische Kampf zwischen Preußen und Oestreich. Als am Nachmittag des 14.. Mai der engere Rath der zu Bamberg ver¬ tretenen Staaten Sitzung hielt (Herr v. Varnbüler möge uns die Bemerkung gestatten, daß er schlecht unterrichtet war, als er vor wenigen Tagen in der würtembergischen zweiten Kammer das Vorhandensein eines größeren und klei¬ neren Rathes auf den Conferenzen in Abrede stellte), als also nach Entfernung der thüringischen Minister die der südwestdeutschen Gruppe conferirten, stellte Badens Vertreter bekanntlich den Antrag auf „bewaffnete Neutralität". In dem vertraulichen Protokoll, welches über diese Ministerberathung geführt wurde, heißt es daraus wörtlich: „Dieser Auffassung schloß sich jedoch keine Stimme an. Es wurde derselben vielmehr allseitig entgegengehalten, daß Neu¬ tralität, sei es unbewaffnete oder bewaffnete, mit den Grundgesetzen des Bun¬ des und den Bundespflichten in unlösbaren Widerspruche stehe. Nach Art. 11 der Bundesacte und Art. 19 der Schlußacte sei die Gesammtheit des Bundes verpflichtet, jedem Friedensbruche entgegenzutreten und den Besitzstand und Bundesfrieden zu wahren. Allerdings sei zur Zeit weder für Oestreich noch fiir Preußen Partei zu ergreifen und insofern eine selbständige Haltung ein>« zunehmen, aber nicht mit dem eventuellen Gedanken der Neutralität bei aus¬ brechendem Kampfe, sondern mit dem der Abwehr des Friedensbruches, wobei die Bundesversammlung auf Anrufen des Bedrohten oder Angegriffenen zu ent¬ scheiden haben werde, wer der Friedensbrecher sei." Grade wenn diese Zeilen vor den Leser treten, findet die verhängnißvolle Sitzung der Bundesversammlung statt, welche nach dem östreichischen Antrag über Preußens Friedensbruch entscheiden soll. Betrachten wir dazu noch ein¬ mal die Frage, wer als Friedensbrecher anzusehen ist. Wir wollen aus blos Formelles keinen Werth legen, sondern unbefangen die Gesammtentwicklung der Dinge ins Auge fassen. Und unsere Gegner werden in dem Folgenden vielleicht einige ihnen erfreuliche Concessionen finden. Man irrt wohl nicht, wenn man annimmt, daß Graf Wismarer auch in der deutschen Frage seit langer Zeit ein bestimmtes Programm sich gebildet hat. Ueberwunden ist der Standpunkt, der da meinte, der preußische Minister¬ präsident sei nur als reactionärer Junker zu verstehen, der von Zeit zu Zeit seltsame Einfälle habe. Die Einfälle haben im Lauf der Jahre Zusammenhang erhalten, auf die einmal ausgespielten Schlagworte ist in geeigneten Momenten und mit verstärktem Nachdruck zurückgegriffen worden, und wir zweifeln nicht,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/504>, abgerufen am 29.04.2024.