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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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deutsche Volk den preußischen PaUa.uentsantrag "mit Ironie" zurückzu¬
weisen habe.

Den ungünstigsten Eindruck hat das Auftreten des Ministers von Varnbüler
gemacht. Schon in der Commission war die fast leichtfertige Art aufgefallen,
mit der er eine so ernste Sache behandelte. Seine Rede in der Kammer, mehr
noch der scherzende plaudernde Ton, in dem sie sich bewegte, die Witzeleien,
welche sie durchzogen, das mehr als ungezwungene äußere Benehmen des Redners
überraschten selbst die östreichische Partei, und wenn nicht die Stimmung der
Kammer schon im Voraus so entschieden gewesen wäre, hätten die chevaleresken
Allüren der Excellenz das Gefühl der Verantwortung und das Bewußtsein der
Gefahr wachrufen müssen, die Mittel des Staats bedingungslos in diese Hände
zu legen. Die Kammer selbst machte freilich den Eindruck, als ob ihr der volle
Ernst der Lage noch nicht aufgegangen sei. Es war, als ob sie sich noch immer
im Stadium der ungefährlichen Resolutionen glaubte, als ob es sich um ein
Rechtsgutachten, nicht um die Einleitung zu brudermörderischer That handelte.
Fast scheint es, nachträglich sei die Kammer doch über die verhängnißvolle Trag¬
weite ihrer Beschlüsse stutzig geworden. Der erste Gesetzentwurf, die Geld¬
mittel betreffend, wurde mit allen gegen nur 8 Stimmen genehmigt. Mit dem
zweiten Gesetzentwurf, der das lebendige Material, die drei Aufgebote der Land¬
wehr dem Kriegsminister zur Verfügung stellte, konnte die Regierung nicht durch¬
dringen. Die Kammer verwilligte nur zwei Aufgebote und es fand sich sogar
die beträchtliche Minderheit von 31 Stimmen, welche nur ein Aufgebot be¬
willigen wollte. Die Minderheit hatte dabei den Gedanken, die Regierung,
sobald der Krieg größere Dimensionen angenommen, dazu zu nöthigen, wieder
an die Stände sich zu wenden, und diesen somit einen Einfluß auf den Gang
der Regierungspolitik zu sichern. Es lag darin ein Mißtrauen. Wir fürchten,
es war nur allzubegründet.




Mit Ur" TV beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im Juni 1866.Die Verlagshandlung.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von C E. Elvert in Leipzig.

deutsche Volk den preußischen PaUa.uentsantrag „mit Ironie" zurückzu¬
weisen habe.

Den ungünstigsten Eindruck hat das Auftreten des Ministers von Varnbüler
gemacht. Schon in der Commission war die fast leichtfertige Art aufgefallen,
mit der er eine so ernste Sache behandelte. Seine Rede in der Kammer, mehr
noch der scherzende plaudernde Ton, in dem sie sich bewegte, die Witzeleien,
welche sie durchzogen, das mehr als ungezwungene äußere Benehmen des Redners
überraschten selbst die östreichische Partei, und wenn nicht die Stimmung der
Kammer schon im Voraus so entschieden gewesen wäre, hätten die chevaleresken
Allüren der Excellenz das Gefühl der Verantwortung und das Bewußtsein der
Gefahr wachrufen müssen, die Mittel des Staats bedingungslos in diese Hände
zu legen. Die Kammer selbst machte freilich den Eindruck, als ob ihr der volle
Ernst der Lage noch nicht aufgegangen sei. Es war, als ob sie sich noch immer
im Stadium der ungefährlichen Resolutionen glaubte, als ob es sich um ein
Rechtsgutachten, nicht um die Einleitung zu brudermörderischer That handelte.
Fast scheint es, nachträglich sei die Kammer doch über die verhängnißvolle Trag¬
weite ihrer Beschlüsse stutzig geworden. Der erste Gesetzentwurf, die Geld¬
mittel betreffend, wurde mit allen gegen nur 8 Stimmen genehmigt. Mit dem
zweiten Gesetzentwurf, der das lebendige Material, die drei Aufgebote der Land¬
wehr dem Kriegsminister zur Verfügung stellte, konnte die Regierung nicht durch¬
dringen. Die Kammer verwilligte nur zwei Aufgebote und es fand sich sogar
die beträchtliche Minderheit von 31 Stimmen, welche nur ein Aufgebot be¬
willigen wollte. Die Minderheit hatte dabei den Gedanken, die Regierung,
sobald der Krieg größere Dimensionen angenommen, dazu zu nöthigen, wieder
an die Stände sich zu wenden, und diesen somit einen Einfluß auf den Gang
der Regierungspolitik zu sichern. Es lag darin ein Mißtrauen. Wir fürchten,
es war nur allzubegründet.




Mit Ur« TV beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im Juni 1866.Die Verlagshandlung.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C E. Elvert in Leipzig.
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[0512] deutsche Volk den preußischen PaUa.uentsantrag „mit Ironie" zurückzu¬ weisen habe. Den ungünstigsten Eindruck hat das Auftreten des Ministers von Varnbüler gemacht. Schon in der Commission war die fast leichtfertige Art aufgefallen, mit der er eine so ernste Sache behandelte. Seine Rede in der Kammer, mehr noch der scherzende plaudernde Ton, in dem sie sich bewegte, die Witzeleien, welche sie durchzogen, das mehr als ungezwungene äußere Benehmen des Redners überraschten selbst die östreichische Partei, und wenn nicht die Stimmung der Kammer schon im Voraus so entschieden gewesen wäre, hätten die chevaleresken Allüren der Excellenz das Gefühl der Verantwortung und das Bewußtsein der Gefahr wachrufen müssen, die Mittel des Staats bedingungslos in diese Hände zu legen. Die Kammer selbst machte freilich den Eindruck, als ob ihr der volle Ernst der Lage noch nicht aufgegangen sei. Es war, als ob sie sich noch immer im Stadium der ungefährlichen Resolutionen glaubte, als ob es sich um ein Rechtsgutachten, nicht um die Einleitung zu brudermörderischer That handelte. Fast scheint es, nachträglich sei die Kammer doch über die verhängnißvolle Trag¬ weite ihrer Beschlüsse stutzig geworden. Der erste Gesetzentwurf, die Geld¬ mittel betreffend, wurde mit allen gegen nur 8 Stimmen genehmigt. Mit dem zweiten Gesetzentwurf, der das lebendige Material, die drei Aufgebote der Land¬ wehr dem Kriegsminister zur Verfügung stellte, konnte die Regierung nicht durch¬ dringen. Die Kammer verwilligte nur zwei Aufgebote und es fand sich sogar die beträchtliche Minderheit von 31 Stimmen, welche nur ein Aufgebot be¬ willigen wollte. Die Minderheit hatte dabei den Gedanken, die Regierung, sobald der Krieg größere Dimensionen angenommen, dazu zu nöthigen, wieder an die Stände sich zu wenden, und diesen somit einen Einfluß auf den Gang der Regierungspolitik zu sichern. Es lag darin ein Mißtrauen. Wir fürchten, es war nur allzubegründet. Mit Ur« TV beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal, welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬ ziehen ist. Leipzig, im Juni 1866.Die Verlagshandlung. Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag. Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C E. Elvert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/512>, abgerufen am 29.04.2024.