Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Shakespeare und sein neuester Kritiker.

Shakcspcarestudien von Gustav Rümelin. Stuttgart bei Cotta. 1866. (VI. S. 252.)

Ein Wiederabdruck .der Shakespearestudien eines Realisten", die im Morgen-
blatt für gebildete Leser vor einiger Zeit erschienen sind, und jetzt, mit einzelnen
Ergänzungen und näheren Begründungen, auf vielseitige Wünsche hin in einem
besondern Büchlein auch einem wettern Publikum dargeboten werden. Kein
Wunder, daß diese Aufsätze eines denkenden Shakespearelesers bei der Origi¬
nalität des Gesichtswinkels, aus dem sie ihren Gegenstand betrachten, bei der
Selbständigkeit des in ihnen niedergelegten Urtheils, bei der gewandten, klaren
Darstellung und oft classischen Diction des Verfassers, bei der nicht gewöhn¬
lichen Vielseitigkeit der Bildung, von der die Arbeit zeugt, bei der Reichhaltig¬
keit der angeregten Momente der Betrachtung und Vergleichung ein lebhaftes
Interesse erregen mußten. Wegen der Bedeutung der in der inhaltsvollen,
gedrängten Schrift zur Sprache kommenden Fragen über den jetzigen Shake-
spearecultus und über die richtige Würdigung des Dichters selber dürste es
nicht überflüssig sein, dieselbe einer gründlicheren Besprechung zu unterziehen.

Herr Rümelin giebt in der ursprünglichen Ueberschrift seiner Aufsätze den
Standpunkt, von dem aus er seine Aufgabe einer Beurtheilung Shakespeares
und der bisherigen Shakespeareliteratur ergreift, selber an. indem er sich als
einen Realisten bezeichnet und, wiewohl er, nach S. V mit einer Erläuterung
dieses vieldeutigen Wortes nicht ermüden will, im Allgemeinen hiermit sich dem
falschen Idealismus in der literarischen Kritik entgegenstellt. Hat man aber,
und zwar wie es nicht anders möglich ist. mit steigendem Interesse und mit
oft sich erneuernden Beifall das Buch, besonders den letzten Abschnitt: Der
deutsche Shakespearecultus und Vergleichung Shakespeares mit Schiller und
Goethe, durchgelesen, so kann nur ein Urtheil über den Verfasser auf allen
Lippen schweben: das ist ein durchgebildeter, cousequenter Goetheaner. wie es
keinen zweiten giebt. Nun. die beiden Urtheile liege" nicht so weit auseinander,


Grenzboten II. 18K6. 6
Shakespeare und sein neuester Kritiker.

Shakcspcarestudien von Gustav Rümelin. Stuttgart bei Cotta. 1866. (VI. S. 252.)

Ein Wiederabdruck .der Shakespearestudien eines Realisten", die im Morgen-
blatt für gebildete Leser vor einiger Zeit erschienen sind, und jetzt, mit einzelnen
Ergänzungen und näheren Begründungen, auf vielseitige Wünsche hin in einem
besondern Büchlein auch einem wettern Publikum dargeboten werden. Kein
Wunder, daß diese Aufsätze eines denkenden Shakespearelesers bei der Origi¬
nalität des Gesichtswinkels, aus dem sie ihren Gegenstand betrachten, bei der
Selbständigkeit des in ihnen niedergelegten Urtheils, bei der gewandten, klaren
Darstellung und oft classischen Diction des Verfassers, bei der nicht gewöhn¬
lichen Vielseitigkeit der Bildung, von der die Arbeit zeugt, bei der Reichhaltig¬
keit der angeregten Momente der Betrachtung und Vergleichung ein lebhaftes
Interesse erregen mußten. Wegen der Bedeutung der in der inhaltsvollen,
gedrängten Schrift zur Sprache kommenden Fragen über den jetzigen Shake-
spearecultus und über die richtige Würdigung des Dichters selber dürste es
nicht überflüssig sein, dieselbe einer gründlicheren Besprechung zu unterziehen.

Herr Rümelin giebt in der ursprünglichen Ueberschrift seiner Aufsätze den
Standpunkt, von dem aus er seine Aufgabe einer Beurtheilung Shakespeares
und der bisherigen Shakespeareliteratur ergreift, selber an. indem er sich als
einen Realisten bezeichnet und, wiewohl er, nach S. V mit einer Erläuterung
dieses vieldeutigen Wortes nicht ermüden will, im Allgemeinen hiermit sich dem
falschen Idealismus in der literarischen Kritik entgegenstellt. Hat man aber,
und zwar wie es nicht anders möglich ist. mit steigendem Interesse und mit
oft sich erneuernden Beifall das Buch, besonders den letzten Abschnitt: Der
deutsche Shakespearecultus und Vergleichung Shakespeares mit Schiller und
Goethe, durchgelesen, so kann nur ein Urtheil über den Verfasser auf allen
Lippen schweben: das ist ein durchgebildeter, cousequenter Goetheaner. wie es
keinen zweiten giebt. Nun. die beiden Urtheile liege« nicht so weit auseinander,


Grenzboten II. 18K6. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0053" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285079"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Shakespeare und sein neuester Kritiker.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_86"> Shakcspcarestudien von Gustav Rümelin. Stuttgart bei Cotta. 1866. (VI. S. 252.)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_87"> Ein Wiederabdruck .der Shakespearestudien eines Realisten", die im Morgen-<lb/>
blatt für gebildete Leser vor einiger Zeit erschienen sind, und jetzt, mit einzelnen<lb/>
Ergänzungen und näheren Begründungen, auf vielseitige Wünsche hin in einem<lb/>
besondern Büchlein auch einem wettern Publikum dargeboten werden. Kein<lb/>
Wunder, daß diese Aufsätze eines denkenden Shakespearelesers bei der Origi¬<lb/>
nalität des Gesichtswinkels, aus dem sie ihren Gegenstand betrachten, bei der<lb/>
Selbständigkeit des in ihnen niedergelegten Urtheils, bei der gewandten, klaren<lb/>
Darstellung und oft classischen Diction des Verfassers, bei der nicht gewöhn¬<lb/>
lichen Vielseitigkeit der Bildung, von der die Arbeit zeugt, bei der Reichhaltig¬<lb/>
keit der angeregten Momente der Betrachtung und Vergleichung ein lebhaftes<lb/>
Interesse erregen mußten. Wegen der Bedeutung der in der inhaltsvollen,<lb/>
gedrängten Schrift zur Sprache kommenden Fragen über den jetzigen Shake-<lb/>
spearecultus und über die richtige Würdigung des Dichters selber dürste es<lb/>
nicht überflüssig sein, dieselbe einer gründlicheren Besprechung zu unterziehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_88" next="#ID_89"> Herr Rümelin giebt in der ursprünglichen Ueberschrift seiner Aufsätze den<lb/>
Standpunkt, von dem aus er seine Aufgabe einer Beurtheilung Shakespeares<lb/>
und der bisherigen Shakespeareliteratur ergreift, selber an. indem er sich als<lb/>
einen Realisten bezeichnet und, wiewohl er, nach S. V mit einer Erläuterung<lb/>
dieses vieldeutigen Wortes nicht ermüden will, im Allgemeinen hiermit sich dem<lb/>
falschen Idealismus in der literarischen Kritik entgegenstellt. Hat man aber,<lb/>
und zwar wie es nicht anders möglich ist. mit steigendem Interesse und mit<lb/>
oft sich erneuernden Beifall das Buch, besonders den letzten Abschnitt: Der<lb/>
deutsche Shakespearecultus und Vergleichung Shakespeares mit Schiller und<lb/>
Goethe, durchgelesen, so kann nur ein Urtheil über den Verfasser auf allen<lb/>
Lippen schweben: das ist ein durchgebildeter, cousequenter Goetheaner. wie es<lb/>
keinen zweiten giebt. Nun. die beiden Urtheile liege« nicht so weit auseinander,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 18K6. 6</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0053] Shakespeare und sein neuester Kritiker. Shakcspcarestudien von Gustav Rümelin. Stuttgart bei Cotta. 1866. (VI. S. 252.) Ein Wiederabdruck .der Shakespearestudien eines Realisten", die im Morgen- blatt für gebildete Leser vor einiger Zeit erschienen sind, und jetzt, mit einzelnen Ergänzungen und näheren Begründungen, auf vielseitige Wünsche hin in einem besondern Büchlein auch einem wettern Publikum dargeboten werden. Kein Wunder, daß diese Aufsätze eines denkenden Shakespearelesers bei der Origi¬ nalität des Gesichtswinkels, aus dem sie ihren Gegenstand betrachten, bei der Selbständigkeit des in ihnen niedergelegten Urtheils, bei der gewandten, klaren Darstellung und oft classischen Diction des Verfassers, bei der nicht gewöhn¬ lichen Vielseitigkeit der Bildung, von der die Arbeit zeugt, bei der Reichhaltig¬ keit der angeregten Momente der Betrachtung und Vergleichung ein lebhaftes Interesse erregen mußten. Wegen der Bedeutung der in der inhaltsvollen, gedrängten Schrift zur Sprache kommenden Fragen über den jetzigen Shake- spearecultus und über die richtige Würdigung des Dichters selber dürste es nicht überflüssig sein, dieselbe einer gründlicheren Besprechung zu unterziehen. Herr Rümelin giebt in der ursprünglichen Ueberschrift seiner Aufsätze den Standpunkt, von dem aus er seine Aufgabe einer Beurtheilung Shakespeares und der bisherigen Shakespeareliteratur ergreift, selber an. indem er sich als einen Realisten bezeichnet und, wiewohl er, nach S. V mit einer Erläuterung dieses vieldeutigen Wortes nicht ermüden will, im Allgemeinen hiermit sich dem falschen Idealismus in der literarischen Kritik entgegenstellt. Hat man aber, und zwar wie es nicht anders möglich ist. mit steigendem Interesse und mit oft sich erneuernden Beifall das Buch, besonders den letzten Abschnitt: Der deutsche Shakespearecultus und Vergleichung Shakespeares mit Schiller und Goethe, durchgelesen, so kann nur ein Urtheil über den Verfasser auf allen Lippen schweben: das ist ein durchgebildeter, cousequenter Goetheaner. wie es keinen zweiten giebt. Nun. die beiden Urtheile liege« nicht so weit auseinander, Grenzboten II. 18K6. 6

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/53
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/53>, abgerufen am 29.04.2024.