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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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andern beeinflussen, günstig oder ungünstig; er hat die volle Verantwortlichkeit,
nichts zu sagen, was gegen die Intention seines Vollmachtgebers ist, und er muß.
diese Absicht zuweilen errathen; er hat ferner bei einer plötzlichen neuen Wendung,
welche die Angelegenheit im Gespräche nimmt, keine Zeit. Instruction ein¬
zuholen. Aber er hat nicht nur die Meinung seines Chefs der Auffassung deS
andern vorzuhalten oder zu verhüllen, sondern er hat zugleich die Aufgabe, die
Auffassung des andern womöglich nach den Interessen seines Staats zu lenken.

Und wie immer im menschlichen Verkehr, gelingt solche Einwirkung aus
leitende Persönlichkeiten nicht durch kluge Gründe und die Rede allein, sondern
vielleicht noch mehr durch den sympathischen Zug . welchen der Charakter des
Verhandelnden auf den andern ausübt.

Je nach Moral einer Zeit und eines Hofes sind die Mittel der Einwir¬
kung verschieden, widerwärtig und übelberüchtigt die kleinen Kunstgriffe, zu denen
der Diplomat leicht verleitet, vielleicht von seiner Negierung gedrängt wird;
aber es ist ein Irrthum, daß auf solchen Seitenpfaden der Agent seine größten
Erfolge erreicht, die sichersten sind für ihn kluge Umsicht und ein Charakter, in
welchem das Jmponirende und Gefallende gut gemischt ist. Es sind nicht alle
Eigenschaften eines Staatsmannes, welche der diplomatische Agent auszubilden
Gelegenheit hat. nicht kühne Combinationen, nicht vorzugswcis kluge Erfindung,
nicht sichere Herrschaft im Kampf der politischen Parteien und vielleicht nicht
Größe des politischen Charakters, aber es sind einige der wesentlichen Tugenden:
Geistesgegenwart, gute Repräsentation und feine Receptivität; endlich wird dem
Diplomaten, der in unserer Zeit dauerhafte Erfolge durchsetzen will, noch eine
Eigenschaft nicht fehlen dürfen, er wird im Privatverkehr wie i" seinen Ge.
Schäfte" ein ehrlicher Mann und ein Mann von Ehre sein müssen. Der Heraus¬
geber des vorliegenden Handbuches hat nicht nur in dein Text des Werkes, auch in
Momenten seines öffentlichen Lebens Gelegenheit gehabt zu erweisen, daß er
diese beste Tugend einem Diplomaten für unentbehrlich erachtet.




Mit Ur. 2V beginnt diese Zeitschrift ein neues -Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im Juni 186K.Die Berlagshandlung.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.
Verlag von F. L. Her-dig, -- Druck von C> C. Elbert in Leipzig.

andern beeinflussen, günstig oder ungünstig; er hat die volle Verantwortlichkeit,
nichts zu sagen, was gegen die Intention seines Vollmachtgebers ist, und er muß.
diese Absicht zuweilen errathen; er hat ferner bei einer plötzlichen neuen Wendung,
welche die Angelegenheit im Gespräche nimmt, keine Zeit. Instruction ein¬
zuholen. Aber er hat nicht nur die Meinung seines Chefs der Auffassung deS
andern vorzuhalten oder zu verhüllen, sondern er hat zugleich die Aufgabe, die
Auffassung des andern womöglich nach den Interessen seines Staats zu lenken.

Und wie immer im menschlichen Verkehr, gelingt solche Einwirkung aus
leitende Persönlichkeiten nicht durch kluge Gründe und die Rede allein, sondern
vielleicht noch mehr durch den sympathischen Zug . welchen der Charakter des
Verhandelnden auf den andern ausübt.

Je nach Moral einer Zeit und eines Hofes sind die Mittel der Einwir¬
kung verschieden, widerwärtig und übelberüchtigt die kleinen Kunstgriffe, zu denen
der Diplomat leicht verleitet, vielleicht von seiner Negierung gedrängt wird;
aber es ist ein Irrthum, daß auf solchen Seitenpfaden der Agent seine größten
Erfolge erreicht, die sichersten sind für ihn kluge Umsicht und ein Charakter, in
welchem das Jmponirende und Gefallende gut gemischt ist. Es sind nicht alle
Eigenschaften eines Staatsmannes, welche der diplomatische Agent auszubilden
Gelegenheit hat. nicht kühne Combinationen, nicht vorzugswcis kluge Erfindung,
nicht sichere Herrschaft im Kampf der politischen Parteien und vielleicht nicht
Größe des politischen Charakters, aber es sind einige der wesentlichen Tugenden:
Geistesgegenwart, gute Repräsentation und feine Receptivität; endlich wird dem
Diplomaten, der in unserer Zeit dauerhafte Erfolge durchsetzen will, noch eine
Eigenschaft nicht fehlen dürfen, er wird im Privatverkehr wie i» seinen Ge.
Schäfte» ein ehrlicher Mann und ein Mann von Ehre sein müssen. Der Heraus¬
geber des vorliegenden Handbuches hat nicht nur in dein Text des Werkes, auch in
Momenten seines öffentlichen Lebens Gelegenheit gehabt zu erweisen, daß er
diese beste Tugend einem Diplomaten für unentbehrlich erachtet.




Mit Ur. 2V beginnt diese Zeitschrift ein neues -Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im Juni 186K.Die Berlagshandlung.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.
Verlag von F. L. Her-dig, — Druck von C> C. Elbert in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/554>, abgerufen am 29.04.2024.