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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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den Lasten mitzutragen, die mit der Industrie, der Quelle ihres irdischen Glückes,
nun einmal einstweilen noch unzertrennlich verknüpft sind. Thätiges und opfer¬
williges Gemeingefühl ist überhaupt ein ausgeprägtes Merkmal der Bewohner
dieser doch keineswegs alten Städte. Sie unterscheiden sich dadurch durchschnitt¬
lich sehr zu ihrem Vortheil von Düsseldorfern und Kölnern, obgleich es auch
unter diesen ja nicht an Einzelnen oder an Familien fehlt, die ihrer Pflichten
gegen die heimische Gemeinde lebhaft eingedenk sind.

Geschäftsmäßiger Ernst, Uebelgewicht der Arbeit über Müßiggang und
Lebensgenuß -- das ist der Grundzug des Wupperthals in seinen socialen Zu¬
ständen. In keiner andern gleich großen Stadt der civilisirten Welt wird
schlechter für die Bedürfnisse öffentlicher Erholung gesorgt sein als hier. Thal
und Berg wimmeln Von reizenden Spazjergängen, aber sie sind ungebahnt,
vor Geröll und Koth oft kaum wegsam < weil eben niemand spazieren geht.
Die Gasthöfe stehen denen mancher kleinen Stadt am Rheine nach, denn Jahr
aus Jahr ein nehmen nur Geschäftsreisende ihre Bequemlichkeit in Anspruch.
Die Arbeit selbst wird nicht ohne Pedanterie und konventionelle Prätension be¬
trieben.. Es gilt nicht für anständig, im Comptoir oder in der Fabrik weniger
als die landesübliche Anzahl Tagesstunden zuzubringen; uni> je dürftiger aus-
gestattet die Geschäftsräume, scheint es. desto mehr verspricht man sich von den
Leistungen ihrer durch nichts abgelenkten Insassen. Es ist wohl nur geringen
Zweifeln unterworfen,, daß in der Richtung auf Emancipation der Arbeit von
dem rohen Maßstabe der StundenmMge, auf Steigerung ihrer intensiven Ener¬
gie und Beschränkung ihrer Dauer eine der zunächst vorzunehmenden Reformen
liegt, deren Ergebniß neben dem gleichen oder einem höheren Product an Berufs¬
arbeit größere Frische für die Mußestunden und mehr Zeit für edlen Lebens¬
genuß, Fortbildung oder öffentliche Pflichten sein würde. Vielleicht^ wird eine
solche Reform aber nicht früher eintreten" als bis auch die Mittagsmahlzeit ans
Ende der Arbeitszeit perlegt wird.




Stellung und Thätigkeit der Politischen Vereine in
Deutschland.
Abgeordnetcntag, Nationalverein, Handelstag und volkswirtschaftlicher Kongreß.

Die folgende Erörterung knüpft bei der letzten Thätigkeit der genannten
Vereinigungen an.

Auf den 4. August 1866 waren nach Braunschweig einberufen: erstens der
Ausschuß des Nationalvereins, zweitens- die ständige Deputation des Volkswirth-


den Lasten mitzutragen, die mit der Industrie, der Quelle ihres irdischen Glückes,
nun einmal einstweilen noch unzertrennlich verknüpft sind. Thätiges und opfer¬
williges Gemeingefühl ist überhaupt ein ausgeprägtes Merkmal der Bewohner
dieser doch keineswegs alten Städte. Sie unterscheiden sich dadurch durchschnitt¬
lich sehr zu ihrem Vortheil von Düsseldorfern und Kölnern, obgleich es auch
unter diesen ja nicht an Einzelnen oder an Familien fehlt, die ihrer Pflichten
gegen die heimische Gemeinde lebhaft eingedenk sind.

Geschäftsmäßiger Ernst, Uebelgewicht der Arbeit über Müßiggang und
Lebensgenuß — das ist der Grundzug des Wupperthals in seinen socialen Zu¬
ständen. In keiner andern gleich großen Stadt der civilisirten Welt wird
schlechter für die Bedürfnisse öffentlicher Erholung gesorgt sein als hier. Thal
und Berg wimmeln Von reizenden Spazjergängen, aber sie sind ungebahnt,
vor Geröll und Koth oft kaum wegsam < weil eben niemand spazieren geht.
Die Gasthöfe stehen denen mancher kleinen Stadt am Rheine nach, denn Jahr
aus Jahr ein nehmen nur Geschäftsreisende ihre Bequemlichkeit in Anspruch.
Die Arbeit selbst wird nicht ohne Pedanterie und konventionelle Prätension be¬
trieben.. Es gilt nicht für anständig, im Comptoir oder in der Fabrik weniger
als die landesübliche Anzahl Tagesstunden zuzubringen; uni> je dürftiger aus-
gestattet die Geschäftsräume, scheint es. desto mehr verspricht man sich von den
Leistungen ihrer durch nichts abgelenkten Insassen. Es ist wohl nur geringen
Zweifeln unterworfen,, daß in der Richtung auf Emancipation der Arbeit von
dem rohen Maßstabe der StundenmMge, auf Steigerung ihrer intensiven Ener¬
gie und Beschränkung ihrer Dauer eine der zunächst vorzunehmenden Reformen
liegt, deren Ergebniß neben dem gleichen oder einem höheren Product an Berufs¬
arbeit größere Frische für die Mußestunden und mehr Zeit für edlen Lebens¬
genuß, Fortbildung oder öffentliche Pflichten sein würde. Vielleicht^ wird eine
solche Reform aber nicht früher eintreten» als bis auch die Mittagsmahlzeit ans
Ende der Arbeitszeit perlegt wird.




Stellung und Thätigkeit der Politischen Vereine in
Deutschland.
Abgeordnetcntag, Nationalverein, Handelstag und volkswirtschaftlicher Kongreß.

Die folgende Erörterung knüpft bei der letzten Thätigkeit der genannten
Vereinigungen an.

Auf den 4. August 1866 waren nach Braunschweig einberufen: erstens der
Ausschuß des Nationalvereins, zweitens- die ständige Deputation des Volkswirth-


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[0330] den Lasten mitzutragen, die mit der Industrie, der Quelle ihres irdischen Glückes, nun einmal einstweilen noch unzertrennlich verknüpft sind. Thätiges und opfer¬ williges Gemeingefühl ist überhaupt ein ausgeprägtes Merkmal der Bewohner dieser doch keineswegs alten Städte. Sie unterscheiden sich dadurch durchschnitt¬ lich sehr zu ihrem Vortheil von Düsseldorfern und Kölnern, obgleich es auch unter diesen ja nicht an Einzelnen oder an Familien fehlt, die ihrer Pflichten gegen die heimische Gemeinde lebhaft eingedenk sind. Geschäftsmäßiger Ernst, Uebelgewicht der Arbeit über Müßiggang und Lebensgenuß — das ist der Grundzug des Wupperthals in seinen socialen Zu¬ ständen. In keiner andern gleich großen Stadt der civilisirten Welt wird schlechter für die Bedürfnisse öffentlicher Erholung gesorgt sein als hier. Thal und Berg wimmeln Von reizenden Spazjergängen, aber sie sind ungebahnt, vor Geröll und Koth oft kaum wegsam < weil eben niemand spazieren geht. Die Gasthöfe stehen denen mancher kleinen Stadt am Rheine nach, denn Jahr aus Jahr ein nehmen nur Geschäftsreisende ihre Bequemlichkeit in Anspruch. Die Arbeit selbst wird nicht ohne Pedanterie und konventionelle Prätension be¬ trieben.. Es gilt nicht für anständig, im Comptoir oder in der Fabrik weniger als die landesübliche Anzahl Tagesstunden zuzubringen; uni> je dürftiger aus- gestattet die Geschäftsräume, scheint es. desto mehr verspricht man sich von den Leistungen ihrer durch nichts abgelenkten Insassen. Es ist wohl nur geringen Zweifeln unterworfen,, daß in der Richtung auf Emancipation der Arbeit von dem rohen Maßstabe der StundenmMge, auf Steigerung ihrer intensiven Ener¬ gie und Beschränkung ihrer Dauer eine der zunächst vorzunehmenden Reformen liegt, deren Ergebniß neben dem gleichen oder einem höheren Product an Berufs¬ arbeit größere Frische für die Mußestunden und mehr Zeit für edlen Lebens¬ genuß, Fortbildung oder öffentliche Pflichten sein würde. Vielleicht^ wird eine solche Reform aber nicht früher eintreten» als bis auch die Mittagsmahlzeit ans Ende der Arbeitszeit perlegt wird. Stellung und Thätigkeit der Politischen Vereine in Deutschland. Abgeordnetcntag, Nationalverein, Handelstag und volkswirtschaftlicher Kongreß. Die folgende Erörterung knüpft bei der letzten Thätigkeit der genannten Vereinigungen an. Auf den 4. August 1866 waren nach Braunschweig einberufen: erstens der Ausschuß des Nationalvereins, zweitens- die ständige Deputation des Volkswirth-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/330>, abgerufen am 04.05.2024.