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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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kamen keine Preußen; und da sich auch sonst niemand fand, der von der Bar¬
rikade Gebrauch zu machen gedachte, so mußte man dieselbe nach einiger Zeit
wieder abtragen, ohne daß sie irgendeinen andern Zweck gehabt hätte, als mehre
Tage lang den grade hier sehr lebhaften Straßenverkehr zu hemmen und den
Bauern den Gebrauch ihrer Gercithschaften und Fuhrwerke zu entziehen.

Ich hörte indessen von knrhesstschcn Offizieren, welche durchweg den besten
Eindruck machten, Aeußerungen des Mißmuthes darüber, daß man sie zum her¬
zoglichen Keller- und Mcbcnschutz und zu anderen nutzlosen Dinge verwende,
sowie daß der Bundesarmcecorpscommandant in Frankfurt und der Bundes-
fcstungScvmmandant in Mainz Theile der Bundesarmee, statt für den Krieg,
zu Pnvatzwecken des Herzogs Adolph verwendeten und des letzteren Requisitionen
gegenüber, welche sich immer nur auf seine eigenen höchst Persönlichen Sonder¬
interessen, statt auf allgemeine Angelegenheiten, bezögen, allzu bereitwillig Folge
leisteten.

Eine sehr denkwürdige Aeußerung vernahm ich von einem alten russischen
Offizier, der sich hier als' Kurfremder aufhält. Er hatte die Kriege von 1812
bis 1814 mit Auszeichnung mitgemacht "ut interessirte sich, obwohl nunmehr
außer Dienst, sehr lebhaft für alle militärischen Angelegenheiten. Er ging An¬
fangs Juli nach Frankfurt, um sich dort und in der Umgegend die Bundes¬
armee anzusehn. Als er zurückkehrte, fragte ich ihn. was er davon halte. "Sie
wird geschlagen", sagte er lakonisch. Aber, wandte ich ein, es sind doch 130,000
Mann, das siebente und achte Armeecorps zusammen, Und die süddeutschen
Soldaten sind tapfer. "Gewiß, das weiß ich alles," sagte der würdige alte
Herr, "aber erlauben Sie mir ein Gleichniß. Sie wollen ein Diner geben.
Sie kaufen die feinsten Rohstoffe, die delicatesten Speisen auf dem Markte, bei
dem NlrrdranÄ dg comostidlös, bei dem Delikatessenbändler, in der Wild-
und Geflügelhalle, bei dein besten Metzger und bei dem ersten Fischhändler der
Stadt, kurz wo Sie wollen. Es ist alles vortrefflich. Dann aber begehen Sie
den Verhängnißvollen Fehler und übertragen die Zubereitung nicht Ihrem Koch
sondern Ihrem Kutscher. Sehn Sie, das von diesem Kutscher verdorbene Essen
-- das vortrefflichste Material, verhunzt und unbrauchbar gemacht durch un¬
kundige Hände -- das ist die Reichsarmee!"

Das ist traurig, sagte ich.
'

"Aber wahr," sagteder Russe.------




Mit Ur. 4O beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im September 1866.
Die Verlagshandlung.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.
Vari-ur von F. L. Herbig. -- Druck von Hüthcl Segler in Leipzig.

kamen keine Preußen; und da sich auch sonst niemand fand, der von der Bar¬
rikade Gebrauch zu machen gedachte, so mußte man dieselbe nach einiger Zeit
wieder abtragen, ohne daß sie irgendeinen andern Zweck gehabt hätte, als mehre
Tage lang den grade hier sehr lebhaften Straßenverkehr zu hemmen und den
Bauern den Gebrauch ihrer Gercithschaften und Fuhrwerke zu entziehen.

Ich hörte indessen von knrhesstschcn Offizieren, welche durchweg den besten
Eindruck machten, Aeußerungen des Mißmuthes darüber, daß man sie zum her¬
zoglichen Keller- und Mcbcnschutz und zu anderen nutzlosen Dinge verwende,
sowie daß der Bundesarmcecorpscommandant in Frankfurt und der Bundes-
fcstungScvmmandant in Mainz Theile der Bundesarmee, statt für den Krieg,
zu Pnvatzwecken des Herzogs Adolph verwendeten und des letzteren Requisitionen
gegenüber, welche sich immer nur auf seine eigenen höchst Persönlichen Sonder¬
interessen, statt auf allgemeine Angelegenheiten, bezögen, allzu bereitwillig Folge
leisteten.

Eine sehr denkwürdige Aeußerung vernahm ich von einem alten russischen
Offizier, der sich hier als' Kurfremder aufhält. Er hatte die Kriege von 1812
bis 1814 mit Auszeichnung mitgemacht »ut interessirte sich, obwohl nunmehr
außer Dienst, sehr lebhaft für alle militärischen Angelegenheiten. Er ging An¬
fangs Juli nach Frankfurt, um sich dort und in der Umgegend die Bundes¬
armee anzusehn. Als er zurückkehrte, fragte ich ihn. was er davon halte. „Sie
wird geschlagen", sagte er lakonisch. Aber, wandte ich ein, es sind doch 130,000
Mann, das siebente und achte Armeecorps zusammen, Und die süddeutschen
Soldaten sind tapfer. „Gewiß, das weiß ich alles," sagte der würdige alte
Herr, „aber erlauben Sie mir ein Gleichniß. Sie wollen ein Diner geben.
Sie kaufen die feinsten Rohstoffe, die delicatesten Speisen auf dem Markte, bei
dem NlrrdranÄ dg comostidlös, bei dem Delikatessenbändler, in der Wild-
und Geflügelhalle, bei dein besten Metzger und bei dem ersten Fischhändler der
Stadt, kurz wo Sie wollen. Es ist alles vortrefflich. Dann aber begehen Sie
den Verhängnißvollen Fehler und übertragen die Zubereitung nicht Ihrem Koch
sondern Ihrem Kutscher. Sehn Sie, das von diesem Kutscher verdorbene Essen
— das vortrefflichste Material, verhunzt und unbrauchbar gemacht durch un¬
kundige Hände — das ist die Reichsarmee!"

Das ist traurig, sagte ich.
'

„Aber wahr," sagteder Russe.------




Mit Ur. 4O beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im September 1866.
Die Verlagshandlung.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag.
Vari-ur von F. L. Herbig. — Druck von Hüthcl Segler in Leipzig.
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[0050] kamen keine Preußen; und da sich auch sonst niemand fand, der von der Bar¬ rikade Gebrauch zu machen gedachte, so mußte man dieselbe nach einiger Zeit wieder abtragen, ohne daß sie irgendeinen andern Zweck gehabt hätte, als mehre Tage lang den grade hier sehr lebhaften Straßenverkehr zu hemmen und den Bauern den Gebrauch ihrer Gercithschaften und Fuhrwerke zu entziehen. Ich hörte indessen von knrhesstschcn Offizieren, welche durchweg den besten Eindruck machten, Aeußerungen des Mißmuthes darüber, daß man sie zum her¬ zoglichen Keller- und Mcbcnschutz und zu anderen nutzlosen Dinge verwende, sowie daß der Bundesarmcecorpscommandant in Frankfurt und der Bundes- fcstungScvmmandant in Mainz Theile der Bundesarmee, statt für den Krieg, zu Pnvatzwecken des Herzogs Adolph verwendeten und des letzteren Requisitionen gegenüber, welche sich immer nur auf seine eigenen höchst Persönlichen Sonder¬ interessen, statt auf allgemeine Angelegenheiten, bezögen, allzu bereitwillig Folge leisteten. Eine sehr denkwürdige Aeußerung vernahm ich von einem alten russischen Offizier, der sich hier als' Kurfremder aufhält. Er hatte die Kriege von 1812 bis 1814 mit Auszeichnung mitgemacht »ut interessirte sich, obwohl nunmehr außer Dienst, sehr lebhaft für alle militärischen Angelegenheiten. Er ging An¬ fangs Juli nach Frankfurt, um sich dort und in der Umgegend die Bundes¬ armee anzusehn. Als er zurückkehrte, fragte ich ihn. was er davon halte. „Sie wird geschlagen", sagte er lakonisch. Aber, wandte ich ein, es sind doch 130,000 Mann, das siebente und achte Armeecorps zusammen, Und die süddeutschen Soldaten sind tapfer. „Gewiß, das weiß ich alles," sagte der würdige alte Herr, „aber erlauben Sie mir ein Gleichniß. Sie wollen ein Diner geben. Sie kaufen die feinsten Rohstoffe, die delicatesten Speisen auf dem Markte, bei dem NlrrdranÄ dg comostidlös, bei dem Delikatessenbändler, in der Wild- und Geflügelhalle, bei dein besten Metzger und bei dem ersten Fischhändler der Stadt, kurz wo Sie wollen. Es ist alles vortrefflich. Dann aber begehen Sie den Verhängnißvollen Fehler und übertragen die Zubereitung nicht Ihrem Koch sondern Ihrem Kutscher. Sehn Sie, das von diesem Kutscher verdorbene Essen — das vortrefflichste Material, verhunzt und unbrauchbar gemacht durch un¬ kundige Hände — das ist die Reichsarmee!" Das ist traurig, sagte ich. ' „Aber wahr," sagteder Russe.------ Mit Ur. 4O beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal, welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬ ziehen ist. Leipzig, im September 1866. Die Verlagshandlung. Verantwortlicher Redacteur: Gustav Freytag. Vari-ur von F. L. Herbig. — Druck von Hüthcl Segler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/50>, abgerufen am 05.05.2024.