Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Ein neuer Text zu MozartZ Don Alan.

C> H. Bitter: El" versuch neuer Ilebersetzunncn von Mozarts Don Juan und
Glucks Iphigenie in Tauris. Berlin, F. Schneider. 186V.

Keine andere Oper, überhaupt fein anderes musikalisches Werk hat bis zu
der Zeit, da Richard Wagner die neue Heilslehre vom Drama der Zukunft ver¬
kündete -- infolge deren sich alle vorher entstandenen Opern gleichsam in die
Rumpelkammer verwiesen haben --, so ungelenke Bewunderung gefunden, wie
Mozarts Don Juan. Dieses Werk war das Entzücken und die Freude aller
Musikliebhaber und die Wonne der Kenner, die darin den Triumph der musika¬
lischen Kunst überhaupt und den Scheitelpunkt aller dramatisch-musikalischen Lei¬
stungen insbesondere erblickten. Wir sagten, die Oper Don Juan war dies alles, wir
dürfen weiter gehen und behaupten, sie ist es noch, denn außer einer verschwin¬
dend kleinen Anzahl von Anhängern des Propheten der Zukunftsmusik, meist
solchen Leuten, deren Nerven durch ganz besondere Reizmittel erst gekitzelt werden
müssen, sollen sie einer Erregung fähig werden, und jenen literarischen Satelliten,
die als Apostel der neuen Kunstlehre mit beredten Worten die Unfehlbarkeit
ihres Propheten preisen und seine Thaten mit Hellem, weithin schallenden Po-
saunenton verkünden, ist doch die große Mehrheit der Künstler und des Publi¬
kums.den alten Ueberlieferungen und Anschauungen bis heute getreu geblieben
und eben jetzt hat die vor achtzig Jahren componirte Oper zu neuen Triumph-
zügen weit über Deutschlands Grenzen hinaus sich wiederum aufgemacht und
überall gründet sie sich eine Stätte, bezaubert und beseligt sie die Hörer, be¬
festigt sie ihren alten wohlverdienten Ruhm.

Der Don Juan wurde bekanntlich im Jahre 1787 componirt und am
29. October dieses Jahres zum ersten Male in Prag ausgeführt. Drei Stücke
der Oper sind erst im April 1788 entstanden, um bei der in Wien am 7. Mai
stattfindenden Darstellung verwendet zu werden. Die Oper wurde in Prag mit
dem lautesten Enthusiasmus, in Wien nur kalt aufgenommen. Dort war die
ganze Stadt dem Komponisten in Freundschaft und Bewunderung zugethan, hier
wimmelte es von Gegnern. Neidern und Feinden seines Talents. Nur allmälig
siegte das neue, wundersame Werk auch hier und von nun blieb es als Oper
aller Opern bis auf den von uns oben bezeichneten Moment in Wien wie über¬
all in unbestrittenen Vorrange.

Um keine andere Schöpfung des herrlichen Meisters, das Requiem vielleicht
ausgenommen, ranken sich so viele Sagen, Erzählungen und Anekdoten, keine
andere hat die Poesie reicher ausgeschmückt. Bei keiner seiner übrigen Opern


Ein neuer Text zu MozartZ Don Alan.

C> H. Bitter: El» versuch neuer Ilebersetzunncn von Mozarts Don Juan und
Glucks Iphigenie in Tauris. Berlin, F. Schneider. 186V.

Keine andere Oper, überhaupt fein anderes musikalisches Werk hat bis zu
der Zeit, da Richard Wagner die neue Heilslehre vom Drama der Zukunft ver¬
kündete — infolge deren sich alle vorher entstandenen Opern gleichsam in die
Rumpelkammer verwiesen haben —, so ungelenke Bewunderung gefunden, wie
Mozarts Don Juan. Dieses Werk war das Entzücken und die Freude aller
Musikliebhaber und die Wonne der Kenner, die darin den Triumph der musika¬
lischen Kunst überhaupt und den Scheitelpunkt aller dramatisch-musikalischen Lei¬
stungen insbesondere erblickten. Wir sagten, die Oper Don Juan war dies alles, wir
dürfen weiter gehen und behaupten, sie ist es noch, denn außer einer verschwin¬
dend kleinen Anzahl von Anhängern des Propheten der Zukunftsmusik, meist
solchen Leuten, deren Nerven durch ganz besondere Reizmittel erst gekitzelt werden
müssen, sollen sie einer Erregung fähig werden, und jenen literarischen Satelliten,
die als Apostel der neuen Kunstlehre mit beredten Worten die Unfehlbarkeit
ihres Propheten preisen und seine Thaten mit Hellem, weithin schallenden Po-
saunenton verkünden, ist doch die große Mehrheit der Künstler und des Publi¬
kums.den alten Ueberlieferungen und Anschauungen bis heute getreu geblieben
und eben jetzt hat die vor achtzig Jahren componirte Oper zu neuen Triumph-
zügen weit über Deutschlands Grenzen hinaus sich wiederum aufgemacht und
überall gründet sie sich eine Stätte, bezaubert und beseligt sie die Hörer, be¬
festigt sie ihren alten wohlverdienten Ruhm.

Der Don Juan wurde bekanntlich im Jahre 1787 componirt und am
29. October dieses Jahres zum ersten Male in Prag ausgeführt. Drei Stücke
der Oper sind erst im April 1788 entstanden, um bei der in Wien am 7. Mai
stattfindenden Darstellung verwendet zu werden. Die Oper wurde in Prag mit
dem lautesten Enthusiasmus, in Wien nur kalt aufgenommen. Dort war die
ganze Stadt dem Komponisten in Freundschaft und Bewunderung zugethan, hier
wimmelte es von Gegnern. Neidern und Feinden seines Talents. Nur allmälig
siegte das neue, wundersame Werk auch hier und von nun blieb es als Oper
aller Opern bis auf den von uns oben bezeichneten Moment in Wien wie über¬
all in unbestrittenen Vorrange.

Um keine andere Schöpfung des herrlichen Meisters, das Requiem vielleicht
ausgenommen, ranken sich so viele Sagen, Erzählungen und Anekdoten, keine
andere hat die Poesie reicher ausgeschmückt. Bei keiner seiner übrigen Opern


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0188" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190347"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Ein neuer Text zu MozartZ Don Alan.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_576"> C&gt; H. Bitter:  El» versuch neuer Ilebersetzunncn von Mozarts Don Juan und<lb/>
Glucks Iphigenie in Tauris.  Berlin, F. Schneider. 186V.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_577"> Keine andere Oper, überhaupt fein anderes musikalisches Werk hat bis zu<lb/>
der Zeit, da Richard Wagner die neue Heilslehre vom Drama der Zukunft ver¬<lb/>
kündete &#x2014; infolge deren sich alle vorher entstandenen Opern gleichsam in die<lb/>
Rumpelkammer verwiesen haben &#x2014;, so ungelenke Bewunderung gefunden, wie<lb/>
Mozarts Don Juan. Dieses Werk war das Entzücken und die Freude aller<lb/>
Musikliebhaber und die Wonne der Kenner, die darin den Triumph der musika¬<lb/>
lischen Kunst überhaupt und den Scheitelpunkt aller dramatisch-musikalischen Lei¬<lb/>
stungen insbesondere erblickten. Wir sagten, die Oper Don Juan war dies alles, wir<lb/>
dürfen weiter gehen und behaupten, sie ist es noch, denn außer einer verschwin¬<lb/>
dend kleinen Anzahl von Anhängern des Propheten der Zukunftsmusik, meist<lb/>
solchen Leuten, deren Nerven durch ganz besondere Reizmittel erst gekitzelt werden<lb/>
müssen, sollen sie einer Erregung fähig werden, und jenen literarischen Satelliten,<lb/>
die als Apostel der neuen Kunstlehre mit beredten Worten die Unfehlbarkeit<lb/>
ihres Propheten preisen und seine Thaten mit Hellem, weithin schallenden Po-<lb/>
saunenton verkünden, ist doch die große Mehrheit der Künstler und des Publi¬<lb/>
kums.den alten Ueberlieferungen und Anschauungen bis heute getreu geblieben<lb/>
und eben jetzt hat die vor achtzig Jahren componirte Oper zu neuen Triumph-<lb/>
zügen weit über Deutschlands Grenzen hinaus sich wiederum aufgemacht und<lb/>
überall gründet sie sich eine Stätte, bezaubert und beseligt sie die Hörer, be¬<lb/>
festigt sie ihren alten wohlverdienten Ruhm.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_578"> Der Don Juan wurde bekanntlich im Jahre 1787 componirt und am<lb/>
29. October dieses Jahres zum ersten Male in Prag ausgeführt. Drei Stücke<lb/>
der Oper sind erst im April 1788 entstanden, um bei der in Wien am 7. Mai<lb/>
stattfindenden Darstellung verwendet zu werden. Die Oper wurde in Prag mit<lb/>
dem lautesten Enthusiasmus, in Wien nur kalt aufgenommen. Dort war die<lb/>
ganze Stadt dem Komponisten in Freundschaft und Bewunderung zugethan, hier<lb/>
wimmelte es von Gegnern. Neidern und Feinden seines Talents. Nur allmälig<lb/>
siegte das neue, wundersame Werk auch hier und von nun blieb es als Oper<lb/>
aller Opern bis auf den von uns oben bezeichneten Moment in Wien wie über¬<lb/>
all in unbestrittenen Vorrange.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_579" next="#ID_580"> Um keine andere Schöpfung des herrlichen Meisters, das Requiem vielleicht<lb/>
ausgenommen, ranken sich so viele Sagen, Erzählungen und Anekdoten, keine<lb/>
andere hat die Poesie reicher ausgeschmückt.  Bei keiner seiner übrigen Opern</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0188] Ein neuer Text zu MozartZ Don Alan. C> H. Bitter: El» versuch neuer Ilebersetzunncn von Mozarts Don Juan und Glucks Iphigenie in Tauris. Berlin, F. Schneider. 186V. Keine andere Oper, überhaupt fein anderes musikalisches Werk hat bis zu der Zeit, da Richard Wagner die neue Heilslehre vom Drama der Zukunft ver¬ kündete — infolge deren sich alle vorher entstandenen Opern gleichsam in die Rumpelkammer verwiesen haben —, so ungelenke Bewunderung gefunden, wie Mozarts Don Juan. Dieses Werk war das Entzücken und die Freude aller Musikliebhaber und die Wonne der Kenner, die darin den Triumph der musika¬ lischen Kunst überhaupt und den Scheitelpunkt aller dramatisch-musikalischen Lei¬ stungen insbesondere erblickten. Wir sagten, die Oper Don Juan war dies alles, wir dürfen weiter gehen und behaupten, sie ist es noch, denn außer einer verschwin¬ dend kleinen Anzahl von Anhängern des Propheten der Zukunftsmusik, meist solchen Leuten, deren Nerven durch ganz besondere Reizmittel erst gekitzelt werden müssen, sollen sie einer Erregung fähig werden, und jenen literarischen Satelliten, die als Apostel der neuen Kunstlehre mit beredten Worten die Unfehlbarkeit ihres Propheten preisen und seine Thaten mit Hellem, weithin schallenden Po- saunenton verkünden, ist doch die große Mehrheit der Künstler und des Publi¬ kums.den alten Ueberlieferungen und Anschauungen bis heute getreu geblieben und eben jetzt hat die vor achtzig Jahren componirte Oper zu neuen Triumph- zügen weit über Deutschlands Grenzen hinaus sich wiederum aufgemacht und überall gründet sie sich eine Stätte, bezaubert und beseligt sie die Hörer, be¬ festigt sie ihren alten wohlverdienten Ruhm. Der Don Juan wurde bekanntlich im Jahre 1787 componirt und am 29. October dieses Jahres zum ersten Male in Prag ausgeführt. Drei Stücke der Oper sind erst im April 1788 entstanden, um bei der in Wien am 7. Mai stattfindenden Darstellung verwendet zu werden. Die Oper wurde in Prag mit dem lautesten Enthusiasmus, in Wien nur kalt aufgenommen. Dort war die ganze Stadt dem Komponisten in Freundschaft und Bewunderung zugethan, hier wimmelte es von Gegnern. Neidern und Feinden seines Talents. Nur allmälig siegte das neue, wundersame Werk auch hier und von nun blieb es als Oper aller Opern bis auf den von uns oben bezeichneten Moment in Wien wie über¬ all in unbestrittenen Vorrange. Um keine andere Schöpfung des herrlichen Meisters, das Requiem vielleicht ausgenommen, ranken sich so viele Sagen, Erzählungen und Anekdoten, keine andere hat die Poesie reicher ausgeschmückt. Bei keiner seiner übrigen Opern

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/188
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/188>, abgerufen am 04.05.2024.