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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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So endete die erste sechsjährige Wahlperiode des tiroler Landtags mit die¬
sem drastischen Beweise, daß der Fanatismus des ganzen Volkes der Alpen
für ultramontane Finsterniß und Knechtung nur jesuitische Täuschung- und Lüge
ist. Das Ministerium Beust-Belcredi ordnete seither mit dem Patente vom
2. Januar d. I. "zur Ausgleichung widerstreitender Rechtsansprüche in Betreff
der verfassungsmäßigen Institutionen des Reiches " eine außerordentliche Reichs-
rathsversammlung und behufs ihrer Beschickung Neuwahlen für die cislcithani-
schen Landtage an, die auf den 11. Februar berufen und vorerst auf die Wahlen
zu diesem außerordentlichen Reichsrathe beschränkt sind, es wandte sich an den
"opferwilligen" Sinn der Völker, von denen es erwartet, daß sie "durch
starres Festhalten an einem formellen Gesichtspunkte nicht die Lösung der
Aufgabe stören würden." Sie sollen also selbst die Hand an ihre verbrieften,
vom Kaiser selbst verliehenen Rechte legen. und nach dem Muster der Patente
vom 31. December 18S1 die Bahn brechen zu ihrer Aufhebung. In Tirol un¬
terliegt es keinem Zweifel, daß auch diesmal die Mehrzahl der Gewählten aus
Söldlingen der schwarzen Partei bestehen wird, ja man hat sogar dafür ge¬
sorgt, daß sich Hilfstruppen aus Wälschtirol einfinde". Was damit gewonnen,
ist schwer zu sagen; unter dem Volke kann man hören, daß es lieber bei Bayern
oder der Schweiz wäre, und es fehlt auch nicht an solchen, die in abenteuer¬
licher Analogie der bedrängten Salzburger des vorigen Jahrhunderts nach Preu¬
ßen blicken. Können Sie im norddeutschen Grohsiaate sich bessere Verbündete
wünschen, als die im Irrgarten des Absolutismus lustwandelnde Cavalierpoli-
tik. welche uns jetzt die Geschicke zubereitet? --




Die Sage vom Mäusethurm. ^)

Während das Rheinthal von Basel bis Bingen ein weites sccartigcs Becken
bildet, wandelt es von Bingen an plötzlich seinen Charakter: zwischen steilen
Felsenwänden eingezwängt, die nur von enge" Schluchten durchbrochen werden,
bahnt sich der Fluß mühsam seinen Weg und es bleibt rede" ihm kaum für



^ Vrgl. besonders I^sibmtii annlrlvs impveii c";ciel. III, 277 ^ A> v. Gutschmid Kritik
der polnischen Urgeschichte (Wien, 185>>); Virgil Grohmann, Apollo Smintheus und die
Bedeutung der Mäuse (Prag, 18K2),

So endete die erste sechsjährige Wahlperiode des tiroler Landtags mit die¬
sem drastischen Beweise, daß der Fanatismus des ganzen Volkes der Alpen
für ultramontane Finsterniß und Knechtung nur jesuitische Täuschung- und Lüge
ist. Das Ministerium Beust-Belcredi ordnete seither mit dem Patente vom
2. Januar d. I. „zur Ausgleichung widerstreitender Rechtsansprüche in Betreff
der verfassungsmäßigen Institutionen des Reiches " eine außerordentliche Reichs-
rathsversammlung und behufs ihrer Beschickung Neuwahlen für die cislcithani-
schen Landtage an, die auf den 11. Februar berufen und vorerst auf die Wahlen
zu diesem außerordentlichen Reichsrathe beschränkt sind, es wandte sich an den
„opferwilligen" Sinn der Völker, von denen es erwartet, daß sie „durch
starres Festhalten an einem formellen Gesichtspunkte nicht die Lösung der
Aufgabe stören würden." Sie sollen also selbst die Hand an ihre verbrieften,
vom Kaiser selbst verliehenen Rechte legen. und nach dem Muster der Patente
vom 31. December 18S1 die Bahn brechen zu ihrer Aufhebung. In Tirol un¬
terliegt es keinem Zweifel, daß auch diesmal die Mehrzahl der Gewählten aus
Söldlingen der schwarzen Partei bestehen wird, ja man hat sogar dafür ge¬
sorgt, daß sich Hilfstruppen aus Wälschtirol einfinde». Was damit gewonnen,
ist schwer zu sagen; unter dem Volke kann man hören, daß es lieber bei Bayern
oder der Schweiz wäre, und es fehlt auch nicht an solchen, die in abenteuer¬
licher Analogie der bedrängten Salzburger des vorigen Jahrhunderts nach Preu¬
ßen blicken. Können Sie im norddeutschen Grohsiaate sich bessere Verbündete
wünschen, als die im Irrgarten des Absolutismus lustwandelnde Cavalierpoli-
tik. welche uns jetzt die Geschicke zubereitet? —




Die Sage vom Mäusethurm. ^)

Während das Rheinthal von Basel bis Bingen ein weites sccartigcs Becken
bildet, wandelt es von Bingen an plötzlich seinen Charakter: zwischen steilen
Felsenwänden eingezwängt, die nur von enge» Schluchten durchbrochen werden,
bahnt sich der Fluß mühsam seinen Weg und es bleibt rede» ihm kaum für



^ Vrgl. besonders I^sibmtii annlrlvs impveii c»;ciel. III, 277 ^ A> v. Gutschmid Kritik
der polnischen Urgeschichte (Wien, 185>>); Virgil Grohmann, Apollo Smintheus und die
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[0353] So endete die erste sechsjährige Wahlperiode des tiroler Landtags mit die¬ sem drastischen Beweise, daß der Fanatismus des ganzen Volkes der Alpen für ultramontane Finsterniß und Knechtung nur jesuitische Täuschung- und Lüge ist. Das Ministerium Beust-Belcredi ordnete seither mit dem Patente vom 2. Januar d. I. „zur Ausgleichung widerstreitender Rechtsansprüche in Betreff der verfassungsmäßigen Institutionen des Reiches " eine außerordentliche Reichs- rathsversammlung und behufs ihrer Beschickung Neuwahlen für die cislcithani- schen Landtage an, die auf den 11. Februar berufen und vorerst auf die Wahlen zu diesem außerordentlichen Reichsrathe beschränkt sind, es wandte sich an den „opferwilligen" Sinn der Völker, von denen es erwartet, daß sie „durch starres Festhalten an einem formellen Gesichtspunkte nicht die Lösung der Aufgabe stören würden." Sie sollen also selbst die Hand an ihre verbrieften, vom Kaiser selbst verliehenen Rechte legen. und nach dem Muster der Patente vom 31. December 18S1 die Bahn brechen zu ihrer Aufhebung. In Tirol un¬ terliegt es keinem Zweifel, daß auch diesmal die Mehrzahl der Gewählten aus Söldlingen der schwarzen Partei bestehen wird, ja man hat sogar dafür ge¬ sorgt, daß sich Hilfstruppen aus Wälschtirol einfinde». Was damit gewonnen, ist schwer zu sagen; unter dem Volke kann man hören, daß es lieber bei Bayern oder der Schweiz wäre, und es fehlt auch nicht an solchen, die in abenteuer¬ licher Analogie der bedrängten Salzburger des vorigen Jahrhunderts nach Preu¬ ßen blicken. Können Sie im norddeutschen Grohsiaate sich bessere Verbündete wünschen, als die im Irrgarten des Absolutismus lustwandelnde Cavalierpoli- tik. welche uns jetzt die Geschicke zubereitet? — Die Sage vom Mäusethurm. ^) Während das Rheinthal von Basel bis Bingen ein weites sccartigcs Becken bildet, wandelt es von Bingen an plötzlich seinen Charakter: zwischen steilen Felsenwänden eingezwängt, die nur von enge» Schluchten durchbrochen werden, bahnt sich der Fluß mühsam seinen Weg und es bleibt rede» ihm kaum für ^ Vrgl. besonders I^sibmtii annlrlvs impveii c»;ciel. III, 277 ^ A> v. Gutschmid Kritik der polnischen Urgeschichte (Wien, 185>>); Virgil Grohmann, Apollo Smintheus und die Bedeutung der Mäuse (Prag, 18K2),

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/353>, abgerufen am 04.05.2024.