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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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weilen in Verbindung mit Petrus noch nennen muß. Bei Lactantius ist eS
Petrus, der unter Nero nach !)!om kommt, Wunder verrichtet, die Gemeinde
stiftet und den Martyrerted erleidet, und nur ganz beiläufig ist hinzugefügt,
daß auch Paulus getödtet wurde. Es ist als ob das Gewissen der römischen
Kirche die Erinnerung an den Apostel der Geistesfreiheit, den Bekämpfer des
Gesetzes, nicht vertragen könnte. Sie ignorirt ihn, weil sie ihm nicht in das
Auge blicken kann. Petrus allein ist jetzt der Gründer der Gemeinde, fein
Name ausschließlich die Aufschrift der römischen Kirche. Man weiß, wie diese Partei"
lichkeit bis auf den heutigen Tag fortdauert. Der 29. Juni ist von der Kirche
als Tag des gemeinsamen Martyriums beider Apostel festgesetzt. Und doch ist
es nur der eine Apostel, dem die Ehre gilt. Was in diesen Tagen gefeiert
wird, ist das Centenarium Petru der Name des andern ist vergessen.

Die Geschichte der Sage zeigt, daß ihre Entstehung und Ausbildung auf
das Interesse sich gründet, den Apostel Petrus über seine geschichtliche Bedeu¬
tung hinauszuheben. Eine doppelte Strömung ist dabei bemerkbar, eine ältere
und eine jüngere. Die eine im starren Judenchristenthum wurzelnd, die andere in den
Bestrebungen einer Vermittlung zwischen den beiden großen christlichen Parteien.
Die eine direct gegen den Apostel Paulus gerichtet, die andere der Gleichstellung
der beiden Apostel zustrebend, so freilich, daß, sobald dieser Punkt erreicht ist,
wieder ein Uebergewicht des Petrus zum Vorschein kommt. Die eine anknüpfend
an das Verhältniß des Petrus zum Magier Simon, die andere das Verhält¬
niß von Petrus zu Paulus umgestaltend. Die eine steht wesentlich in dem
Gegensatz der Lehrmeinungen des 2. Jahrhunderts, die andere führt uns mitten
in die hierarchischen Tendenzen, in die Anfänge des Episcopats.




Berliner Kunstbericht.
Die NationalgaUerie und ihr Haus.

Seit der Vollendung des neuen Museums, also seit ungefähr zehn Jahren,
beginnt sich jetzt in Berlin zum ersten Male wieder eine künstlerische Bauthä¬
tigkeit zu regen, zu welcher die Initiative vom Staat ausgeht, die Mittel von
ihm zur Verfügung gestellt werden. Der Abschluß jener umfassenden Schöpfung


weilen in Verbindung mit Petrus noch nennen muß. Bei Lactantius ist eS
Petrus, der unter Nero nach !)!om kommt, Wunder verrichtet, die Gemeinde
stiftet und den Martyrerted erleidet, und nur ganz beiläufig ist hinzugefügt,
daß auch Paulus getödtet wurde. Es ist als ob das Gewissen der römischen
Kirche die Erinnerung an den Apostel der Geistesfreiheit, den Bekämpfer des
Gesetzes, nicht vertragen könnte. Sie ignorirt ihn, weil sie ihm nicht in das
Auge blicken kann. Petrus allein ist jetzt der Gründer der Gemeinde, fein
Name ausschließlich die Aufschrift der römischen Kirche. Man weiß, wie diese Partei«
lichkeit bis auf den heutigen Tag fortdauert. Der 29. Juni ist von der Kirche
als Tag des gemeinsamen Martyriums beider Apostel festgesetzt. Und doch ist
es nur der eine Apostel, dem die Ehre gilt. Was in diesen Tagen gefeiert
wird, ist das Centenarium Petru der Name des andern ist vergessen.

Die Geschichte der Sage zeigt, daß ihre Entstehung und Ausbildung auf
das Interesse sich gründet, den Apostel Petrus über seine geschichtliche Bedeu¬
tung hinauszuheben. Eine doppelte Strömung ist dabei bemerkbar, eine ältere
und eine jüngere. Die eine im starren Judenchristenthum wurzelnd, die andere in den
Bestrebungen einer Vermittlung zwischen den beiden großen christlichen Parteien.
Die eine direct gegen den Apostel Paulus gerichtet, die andere der Gleichstellung
der beiden Apostel zustrebend, so freilich, daß, sobald dieser Punkt erreicht ist,
wieder ein Uebergewicht des Petrus zum Vorschein kommt. Die eine anknüpfend
an das Verhältniß des Petrus zum Magier Simon, die andere das Verhält¬
niß von Petrus zu Paulus umgestaltend. Die eine steht wesentlich in dem
Gegensatz der Lehrmeinungen des 2. Jahrhunderts, die andere führt uns mitten
in die hierarchischen Tendenzen, in die Anfänge des Episcopats.




Berliner Kunstbericht.
Die NationalgaUerie und ihr Haus.

Seit der Vollendung des neuen Museums, also seit ungefähr zehn Jahren,
beginnt sich jetzt in Berlin zum ersten Male wieder eine künstlerische Bauthä¬
tigkeit zu regen, zu welcher die Initiative vom Staat ausgeht, die Mittel von
ihm zur Verfügung gestellt werden. Der Abschluß jener umfassenden Schöpfung


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[0104] weilen in Verbindung mit Petrus noch nennen muß. Bei Lactantius ist eS Petrus, der unter Nero nach !)!om kommt, Wunder verrichtet, die Gemeinde stiftet und den Martyrerted erleidet, und nur ganz beiläufig ist hinzugefügt, daß auch Paulus getödtet wurde. Es ist als ob das Gewissen der römischen Kirche die Erinnerung an den Apostel der Geistesfreiheit, den Bekämpfer des Gesetzes, nicht vertragen könnte. Sie ignorirt ihn, weil sie ihm nicht in das Auge blicken kann. Petrus allein ist jetzt der Gründer der Gemeinde, fein Name ausschließlich die Aufschrift der römischen Kirche. Man weiß, wie diese Partei« lichkeit bis auf den heutigen Tag fortdauert. Der 29. Juni ist von der Kirche als Tag des gemeinsamen Martyriums beider Apostel festgesetzt. Und doch ist es nur der eine Apostel, dem die Ehre gilt. Was in diesen Tagen gefeiert wird, ist das Centenarium Petru der Name des andern ist vergessen. Die Geschichte der Sage zeigt, daß ihre Entstehung und Ausbildung auf das Interesse sich gründet, den Apostel Petrus über seine geschichtliche Bedeu¬ tung hinauszuheben. Eine doppelte Strömung ist dabei bemerkbar, eine ältere und eine jüngere. Die eine im starren Judenchristenthum wurzelnd, die andere in den Bestrebungen einer Vermittlung zwischen den beiden großen christlichen Parteien. Die eine direct gegen den Apostel Paulus gerichtet, die andere der Gleichstellung der beiden Apostel zustrebend, so freilich, daß, sobald dieser Punkt erreicht ist, wieder ein Uebergewicht des Petrus zum Vorschein kommt. Die eine anknüpfend an das Verhältniß des Petrus zum Magier Simon, die andere das Verhält¬ niß von Petrus zu Paulus umgestaltend. Die eine steht wesentlich in dem Gegensatz der Lehrmeinungen des 2. Jahrhunderts, die andere führt uns mitten in die hierarchischen Tendenzen, in die Anfänge des Episcopats. Berliner Kunstbericht. Die NationalgaUerie und ihr Haus. Seit der Vollendung des neuen Museums, also seit ungefähr zehn Jahren, beginnt sich jetzt in Berlin zum ersten Male wieder eine künstlerische Bauthä¬ tigkeit zu regen, zu welcher die Initiative vom Staat ausgeht, die Mittel von ihm zur Verfügung gestellt werden. Der Abschluß jener umfassenden Schöpfung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/104>, abgerufen am 08.05.2024.