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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Männer gewählt sind, welche "die Interessen und Rechte der einzelnen Länder
nur in so weit ^schränke" werden, als es der Staatszweck nöthig macht".
Noch sonderbarer aber klang es, daß selbst der Statthalter der Versammlung
zur vollzogenen Wahl^von Gegnern des verfassungsmäßigen NcichsrathS Glück
wünschte. --

Die Landtage von Böhmen. Mähren und Krain, die ähnliche Adressen
und Verwahrungen wie der tiroler an den Kaiser gerichtet hatten, wurden
aufgelöst, nur die Glaubenseinheiller fanden Gnade beim evangelischen Premier.
Man sagt, er wolle den Kampf nicht mit den Feudalen und Klerikalen zugleich
aufnehmen. Uns scheint er dabei blos Einflüssen gewichen zu sein, die bei
ernstlichem Widerstande seine eigene Stellung untergraben. Für Tirol hat man
in Wien stets eine eigene Politik, und seine Dunkelmänner mögen recht haben,
wenn sie sagen, daß diese unter andern Umständen die allgemeine für ganz
Oestreich wäre. Die Concordatspartei glaubt das Geheimmittel zu besitzen, aus
diesem vielsprachigen und vielartigen Staat ein Ganzes zu machen; wir aber
sehn, mit diesem Trank im Leibe, Helena eher in jedem andern Weibe, als in
dem, weinten wir durch politische Ehe verbunden sind. Wer seine Zeit so
wenig versteht, daß er die Thoren des Jahrhunderts für die einzigen Weisen
hält, dem gehört weder die Gegenwart noch die Zukunft.




Die frühen Übersetzungen des Alten Testaments.

Bis zum Beginn der griechischen Herrschaft genügte dem Judenthum der
Urtext der aus dem Alterthum überkommenen Schriften. Wenn auch sicher
schon mancher Ausdruck und mancher Gedanke nicht mehr recht verstanden ward,
so herrschte doch in Palästina, damals dem einzigen Hauptsitz der Nation, die
alte Sprache noch so, daß ein gewisses Verständniß der alten Bücher ziemlich
leicht war. Ganz anders ward dies, seit sich die Juden nach Gründung des
ägyptisch-griechischen Reiches massenhaft in Alexandria niederließen und ihre
Muttersprache mit der griechischen vertauschten, während gleichzeitig die alte
Nalionalsprache. die schon viel von ihrer Alterthümlichkeit und Reinheit ver¬
loren hatte, von der Sprache der aramäischen Nachbarn verdrängt zu werden


Männer gewählt sind, welche „die Interessen und Rechte der einzelnen Länder
nur in so weit ^schränke» werden, als es der Staatszweck nöthig macht".
Noch sonderbarer aber klang es, daß selbst der Statthalter der Versammlung
zur vollzogenen Wahl^von Gegnern des verfassungsmäßigen NcichsrathS Glück
wünschte. —

Die Landtage von Böhmen. Mähren und Krain, die ähnliche Adressen
und Verwahrungen wie der tiroler an den Kaiser gerichtet hatten, wurden
aufgelöst, nur die Glaubenseinheiller fanden Gnade beim evangelischen Premier.
Man sagt, er wolle den Kampf nicht mit den Feudalen und Klerikalen zugleich
aufnehmen. Uns scheint er dabei blos Einflüssen gewichen zu sein, die bei
ernstlichem Widerstande seine eigene Stellung untergraben. Für Tirol hat man
in Wien stets eine eigene Politik, und seine Dunkelmänner mögen recht haben,
wenn sie sagen, daß diese unter andern Umständen die allgemeine für ganz
Oestreich wäre. Die Concordatspartei glaubt das Geheimmittel zu besitzen, aus
diesem vielsprachigen und vielartigen Staat ein Ganzes zu machen; wir aber
sehn, mit diesem Trank im Leibe, Helena eher in jedem andern Weibe, als in
dem, weinten wir durch politische Ehe verbunden sind. Wer seine Zeit so
wenig versteht, daß er die Thoren des Jahrhunderts für die einzigen Weisen
hält, dem gehört weder die Gegenwart noch die Zukunft.




Die frühen Übersetzungen des Alten Testaments.

Bis zum Beginn der griechischen Herrschaft genügte dem Judenthum der
Urtext der aus dem Alterthum überkommenen Schriften. Wenn auch sicher
schon mancher Ausdruck und mancher Gedanke nicht mehr recht verstanden ward,
so herrschte doch in Palästina, damals dem einzigen Hauptsitz der Nation, die
alte Sprache noch so, daß ein gewisses Verständniß der alten Bücher ziemlich
leicht war. Ganz anders ward dies, seit sich die Juden nach Gründung des
ägyptisch-griechischen Reiches massenhaft in Alexandria niederließen und ihre
Muttersprache mit der griechischen vertauschten, während gleichzeitig die alte
Nalionalsprache. die schon viel von ihrer Alterthümlichkeit und Reinheit ver¬
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[0146] Männer gewählt sind, welche „die Interessen und Rechte der einzelnen Länder nur in so weit ^schränke» werden, als es der Staatszweck nöthig macht". Noch sonderbarer aber klang es, daß selbst der Statthalter der Versammlung zur vollzogenen Wahl^von Gegnern des verfassungsmäßigen NcichsrathS Glück wünschte. — Die Landtage von Böhmen. Mähren und Krain, die ähnliche Adressen und Verwahrungen wie der tiroler an den Kaiser gerichtet hatten, wurden aufgelöst, nur die Glaubenseinheiller fanden Gnade beim evangelischen Premier. Man sagt, er wolle den Kampf nicht mit den Feudalen und Klerikalen zugleich aufnehmen. Uns scheint er dabei blos Einflüssen gewichen zu sein, die bei ernstlichem Widerstande seine eigene Stellung untergraben. Für Tirol hat man in Wien stets eine eigene Politik, und seine Dunkelmänner mögen recht haben, wenn sie sagen, daß diese unter andern Umständen die allgemeine für ganz Oestreich wäre. Die Concordatspartei glaubt das Geheimmittel zu besitzen, aus diesem vielsprachigen und vielartigen Staat ein Ganzes zu machen; wir aber sehn, mit diesem Trank im Leibe, Helena eher in jedem andern Weibe, als in dem, weinten wir durch politische Ehe verbunden sind. Wer seine Zeit so wenig versteht, daß er die Thoren des Jahrhunderts für die einzigen Weisen hält, dem gehört weder die Gegenwart noch die Zukunft. Die frühen Übersetzungen des Alten Testaments. Bis zum Beginn der griechischen Herrschaft genügte dem Judenthum der Urtext der aus dem Alterthum überkommenen Schriften. Wenn auch sicher schon mancher Ausdruck und mancher Gedanke nicht mehr recht verstanden ward, so herrschte doch in Palästina, damals dem einzigen Hauptsitz der Nation, die alte Sprache noch so, daß ein gewisses Verständniß der alten Bücher ziemlich leicht war. Ganz anders ward dies, seit sich die Juden nach Gründung des ägyptisch-griechischen Reiches massenhaft in Alexandria niederließen und ihre Muttersprache mit der griechischen vertauschten, während gleichzeitig die alte Nalionalsprache. die schon viel von ihrer Alterthümlichkeit und Reinheit ver¬ loren hatte, von der Sprache der aramäischen Nachbarn verdrängt zu werden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/146>, abgerufen am 05.05.2024.